[First read: Der Job für Keziah - Jazz, Holliday, Mara]
11.10.2076 - Chelsea - Jazzydays Wohnung - 17 Uhr
Frierend sitzt Jazz auf der Terrasse der Wohnung. “Es wird noch viel kälter Jessi”, liegt Holliday ihr gedanklich in den Ohren. Er hat den Tag über Sunnys Vater bei Auswertungen im Labor geholfen und sollte gleich nach Hause zurückkehren. Sie lächelt. Sie freut sich auf ihn.
In der Wohnung unter ihnen hatte es heute morgen bevor sie los zur Mall gefahren sind merkwürdiges Gerumpel gegeben und Jazz ist von Haus aus neugierig. Bis jetzt hatte sie nur kleinere Gesprächsfetzen mitbekommen. Sie zieht ihr Fernrohr hervor und sucht die Glasfront an der Terrasse nach Hollidays Exfreundin Mary ab.
Das Fernrohr kann sie dank der Sichtverbesserungen orten und stellt auf die Menschin scharf. Sie tritt gerade auf die Terrasse und Jazz duckt sich leicht.
Mary zündet sich eine Zigarette an. Vor ihr auf der äußeren Sitzgruppe steht ein kleines schnittiges Horizon iTablett auf dem Tisch. Die Menschin mit dem wallenden roten Haar scheint zu telefonieren und zu schluchzen. Jazz stellt auf das Tablett scharf. Darauf scheint eine Diashow zu laufen. “Liam and Mary, Lovers for Lifetime.” steht da in schon lange altmodisch gewordenem Schriftzug. Jazz kann Bilder von einer Abschiedsrede an der Highschool sehen, die die beiden wohl gemeinsam gehalten haben, Bilder aus Uni Jahren, Urlauben, Weihnachtsfeiern, Würdenträger-Banketts, viele Bilder des jungen Paares. Jazz zoomt stärker heran. War das ein Verlobungsring? Dieses Detail war ihr bislang vorenthalten worden…
Mary klatscht das kleine zackige Tablett unsanft mit dem Bildschirm auf den Tisch. Ihr Schluchzen wird lauter:
“Nein das ist ja das Schlimme! Sobald er wieder da war hatte ich die Hoffnung… Mom! Mom du verstehst das nicht! Er wirkt wirklich glücklich… Ja. Nein. Ja ein kubanisches kleines… Nein ich glaub ja auch nicht dass sich das lange… aber du solltest sehen wie er sie ansieht… Mom! Nein, wie soll ich die Frau denn alleine aus der Wohnung geschmissen…? Ja ich weiß dass ich nur so richtig erfolgreich war solang ich mit ihm zusammen war! Schließlich habe ich seine Forschung ethisch bewertet, nicht meine. Nein keine Ahnung ob er noch bei NeoNET… Nein keine Ahnung was sie macht! Wie sie aussieht wahrscheinlich Männern… Nein sie ist wirklich hübsch. Mom wie soll ich denn Liam jetzt jemandem ausspannen?! Bei ihnen wohnt so ein mysteriöser kubanischer Bimbo, mit Glück betrügt sie ihn einfach mit dem.”
Mary rammt ihre Zigarette in einen Aschenbecher und stürmt erneut in die Wohnung.
Jazz zieht eine Augenbraue hoch. Pikante neue Details. Sie blickt auf die Uhr. Holliday würde in einer halben Stunde nach Hause kommen. Zeit irgendetwas essbares zu improvisieren und den Gossip aufzubereiten.
Sie tritt durch die große Glastür ins Innere der Wohnung die wohlig warm aufgeheizt ist. Sie zieht ihre Winterjacke aus und legt sie aufs Sofa. Mit den Fingerspitzen streicht sie über die weiche und elegante senfgelbe Spitze in der Victoria’s Secret Tüte.
Hinter ihr wird unsanft mit einem Knall die Tür geöffnet.
“Liam was ist denn…” Sie dreht sich um und wird stockstarr. Vor ihr stehen fünf große gepanzerte und bewaffnete Männer. “Dachtest du du kommst wirklich damit durch, Carl umzubringen, Schlampe?!” Der vorderste von ihnen grinst dreckig. “Waffen runter Jungs. Das hier wird keine schnelle Nummer.”
Fröhlich pfeifend steigt Holliday aus dem MuscleCar. Er ist etwas zu früh, aber nicht so früh, dass er ärger mit Jazz kriegen würde weil sie noch etwas erledigen musste bevor er nach Hause kommt. Er lächelt und schlägt die Tür seines Autos zu, welches daraufhin selbstständig in die Tiefgarage navigiert. Er freut sich auf zu Hause.
“Schönes Auto. Ich erinnere mich noch daran wie du es gekauft hast. Hab dich selten so glücklich gesehen.”
Hinter ihm in der Eingangstür steht Mary in einen dicken grünen Mantel gewickelt.
Er runzelt die Stirn. Sie hat geweint. Das fällt ihm sofort auf. Weinen hatte sie früher schon ein bisschen entstellt. Sie ist nicht eine der Frauen die süß aussehen wenn sie weinen.
“Mary.” Er nickt ihr zu und versucht sich so diskret wie möglich an der Menschin vorbeizuschieben. Sie hält ihn an seiner Lederjacke fest.
“Hey… Hast du Lust… In Cambridge hat das Museum of Modern Arts noch für exklusive Besucher offen. Und ich steh auf der Liste. Wir waren da doch früher so oft. Einfach auf gute Nachbarschaft?” Sie wirkt verunsichert angesichts Hollidays versteinerter Gesichtszüge.
“Hör zu Mary es ist nicht mehr wie früher. Es tut mir leid wenn unsere Anwesenheit dich stört. Wenn ich gewusst hätte dass du hier wohnst, wär ich woanders hingezogen.”
Er lässt sie hinter sich stehen und betritt den Aufzug. Sie stellt sich in die Tür. “Deine Freundin hat mich angegriffen. Ja ich war nicht nett zu ihr, aber ich finde du schuldest mir den Ausflug! Ich würde auch so gerne wissen was aus dir geworden ist.”
Holliday seufzt.
Sein Komlink vibriert. ’Ungewöhnliche Bewegungsmuster in Ihrem Appartment wahrgenommen.’ Vermutlich hatte Jazz wieder Charly in die Wohnung gelassen. Der Haus-Sicherheitsservice kennt Afanc-Bewegungsmuster nicht. Er schiebt die Nachricht weg.
Mary drückt am Aufzug einen zum Beladen gedachten ‘2 Minuten Tür geöffnet halten’ Knopf vier mal.
“Meine Güte Mary jetzt sei doch nicht so penetrant. Tu nicht so als würde dir an unserer Freundschaft irgendetwas liegen!” Er drückt den Knopf seines Wohnstocks.
“Natürlich liegt mir etwas daran! Deine Rückkehr ist meine Chance alles irgendwie wieder gut…”
Holliday rollt mit den Augen. “Es gibt nichts wieder gut zu machen okay?!”
Sein Komlink vibriert erneut und schickt eine Nachricht an seine Kontaktlinsen.
‘Waffengewalt in Ihrer Wohnung festgestellt. Leider konnten wir Knight Errant nicht erreichen. Wir bitten Sie einen eigenständigen Sicherheitsservice zu kontaktieren.’
Er runzelt die Stirn und wendet sich von Mary ab die ohnehin einige Schritte in den Hausflur zurück getan hatte. Was treibt diese Kubanerin denn wenn er nicht da ist?! Sie hatten sich darauf geeinigt auf dem Dach mit Waffen zu trainieren.
Er öffnet einen Kamerafeed in die Wohnung. Zuerst sieht er Charly wild “bellend” vor der Sicherheitsscheibe umherspringen. Dann fällt sein Blick auf Jazz die in eine Ecke des Wohnzimmers gedrängt wurde. Vor ihr stehen vier Ganger. Ihr Säbel scheint sicher in dem Waffenpanel verstaut. Worum er sie gebeten hatte. Sie ist unbewaffnet und hebt die Arme. Sie öffnet den Mund, doch die Audioaufnahme ist zu verrauscht.
Einer der Ganger holt aus, scheint etwas zu schreien und zieht ihr den Knauf seines Sturmgewehrs über die Stirn. Sie kann im letzten Moment ausweichen und stolpert. Dabei stößt ihr ein anderer seine Shotgun in die Rippen.
“Warum fährt denn dieser scheiß Aufzug nicht?!” ruft Holliday überraschend laut und Mary sieht ihn erschrocken an. “Der hat nen Timer. Wegen Miss Kuharzi aus dem 8. Die kommt sonst alleine nicht mehr zurecht.”
In Eile schaut Holliday sich um. Treppen hat das neumodische Gebäude nicht mehr, da im Notfall eine Evakuierung aus den Wohnungen heraus vorgesehen ist. Er schiebt die Fahrstuhl-Luke in der Decke des Fahrstuhls auf und quetscht sich dadurch.
“Was zur Hölle?!” hört er Mary noch rufen, dann holt er Schwung, seine astralen Fokus-Tattoos beginnen verstärkt zu leuchten und er rennt den Fahrstuhlschacht hinauf, landet alle paar Meter auf einem Balken oder Vorsprung, bevor er erneut ansetzt.
Oben angekommen sprintet er den Flur entlang, zieht seine beiden Faust großen Revolver aus den Holstern und stößt die angelehnte Tür auf. Jazz kann sein schneller Blick zuerst nicht ausmachen, dafür die vier großgewachsenen bulligen Ganger die sich überrascht zu ihm umdrehen und die Waffen versuchen auf ihn zu richten. Bevor sie sich in Gänze umgedreht haben, lösen sich sicherlich 8-10 Schüsse aus Hollidays Revolvern. Die Smart-Gun unterstützen Projektile finden ihr Ziel und die Männer gehen zu Boden wie unzeremonielle Jahrmarktbuden-Figuren. Blut spritzt durch die ansonsten ziemlich ordentliche Wohnung. Einzelne Lachen bilden sich auf dem Boden durch die Holliday hindurcheilt, nur seine Adeptenkräfte halten ihn davon ab, auszurutschen.
Jazz sitzt zusammengekauert eingequetscht zwischen der Couch und dem Sicherheitsglas der Terrasse, vor dem Charly wild bellend auf und ab rennt. Sie starrt geradeaus vor sich auf den Boden und zittert.
Holliday fällt auf, wieso sie sich nicht wehren konnte. Ihr Cyberarm hängt schlaff an ihr herab. Er muss ferndeaktiviert geworden sein. Diese dreckigen Arschlöcher hatten nicht mal ansatzweise einen fairen Kampf gewollt.
Ohne Säbel und Waffen hatte die kleine menschliche Frau so keine Chance gegen die von Hinten eher wie Orks wirkenden Männer.
Von Oben hört Holliday ein Geräusch und sprintet die Treppe hinauf. Das Haussystem hatte 5 kürzlich erschienene Personen aufgezeichnet. In der Schlafzimmertür bleibt er stehen. Vor der Scheibe zu Medusas Terrarium klebt ein menschlicher Ganger. Tief hypnotisiert durch den Blick der Schlange.
“Wussten Sie… Es tut mir leid, dass ich nur einen ablenken konnte”, gibt die Schlange wieder.
“Fuck was ist denn hier passiert?!” Holliday hört Oscuros Stimme von unten. “Jess alles…? Vaca die starrt nur grade aus und macht nichts!”
Holliday stellt sich auf die Galerie, wo er den Vampir sehen kann. “Ich weiß… ich… Kommst du mal hoch? Hier lebt noch einer. Brich seinen Geist mit deinem Mojo und finde raus wo er her kommt… und dann… Guten Appetit? Loswerden müssen wir sie ja.” Der Vampir nebelt an ihm vorbei und Holliday schließt die Schlafzimmertür.
Ein Schrei ertönt aus dem Flur und Holliday zieht erneut seinen Revolver als Boyle der Nachbar, bewaffnet mit einem Baseballschläger in die Wohnung stürmt. “NICHT MEIN LIAAAAM. NICHT JAZZ! NICHT MEINE KÜNFTIGEN PATENKINDER!!! Oh.” Er blickt auf die Leichen zwischen denen Holliday sich gerade zu Jazz durchbegibt.
Von Oben schleppt Oscuro einen weiteren leblosen die Treppe runter.
Boyles Blick fällt auf Hollidays Revolver. “Kein Arzt mehr hm?”
“Nein. Wir alle drei nicht. Hör zu… kannst du Oscuro helfen die Jungs hier irgendwie loszuwerden und zu putzen? Ich muss…” Er blickt auf die blutbesprenkelte Jazz die immer noch nur geradeaus starrt.
Boyle öffnet Oscuro die Tür nach draußen zu Charlys Futterbereich. “Weißt du, als DocWagon Fahrer hat man häufiger mit Runnern zu tun. Ich komm damit schon klar. Muss man häufiger Leichen an Krokodile verfüttern? Super praktisches Haustier.”
“Jess… bist du irgendwo… tut dir was… fuck sag doch was.” Holliday beginnt Jazz abzutasten und versucht sie sanft so zu platzieren dass er alles begutachten kann. Sie gibt weiterhin kein Geräusch von sich. Er blickt in ihr Gesicht in dem kleine Blutsprenkel langsam an ihr herunterlaufen.
“Ich werde dich jetzt hochheben und…”
Sie beginnt laut zu weinen und in Holliday zieht sich alles zusammen. Er hebt sie sanft an und bringt sie in das obere Stockwerk und da ins Badezimmer. Er stützt sie als er ihr die Blutverschmierte Kleidung auszieht und sie in die Wanne setzt. “Wir müssen das Blut loswerden ja?” Sie weint immer noch und tut sonst nichts. Er dreht lauwarmes Wasser auf und beginnt damit ihr Gesicht und die restlichen blutigen Körperteile abzuspülen. Außerdem hat er die Hoffnung, dass das warme Wasser den Schock löst.
Holliday wünscht sich stumm die Zeiten zurück als sie bei einem Schock nur wild geschrien und weitergemacht hatte. Er kann aber gut verstehen, dass bei all dem der letzten Zeit auch sie mal an ihre Grenzen stößt. Aber das hier konnte er nicht einfach mit einem SlapPatch behandeln.
Ihr Arm hängt immer noch schlaff an ihr runter.
“Jungs könnt ihr mal die Kommliks dieser Flachwichser deaktivieren? Nicht kaputt machen, die brauchen wir noch!”
Es dauert einige Minuten, da biept der Cyberarm und scheint wieder hochzufahren.
Es klingelt an der Tür und Holliday hört einen Boyle mit “Nein Officer hier ist alles wunderbar, die Schüsse waren nur….”
Hollidays astrales Selbst spürt, wie unter ihm Mana kanalisiert wird, und hört Oscuro mit einem hypnotisierenden “Hier ist nichts passiert. Nur eine kleine Unruhe. Wir fahren lieber wieder unsere Patrouille.” Und danach 3 Fremde diesen Satz wiederholen.
“Er ist wirklich nützlich.” Holliday lächelt Jazz an, die tatsächlich nickt.
“Weißt du wer die Typen waren Jessi?” Er streicht ihr sanft über die feuchte Stirn. Es macht ihm sehr viel mehr aus, als er zugeben möchte, sie so zu sehen. Kurz kneift er die Augen zusammen und atmet tief durch.
“Die vom Four Point Sheraton.” Sie beginnt erneut zu weinen. Holliday hebt sie aus der Wanne und hüllt sie in einen dicken plüschigen Bademantel. Er schiebt sie auf das Bett und aktiviert den Karmin.
“Sei stolz auf Medusa. Sie war eine großartige Unterstützung.”
Jazz nickt als Holliday sie auf dem Bett ablegt, sich daneben legt und sie umarmt.
“Ich… Ich will hier nicht mehr alleine sein Liam.”
Holliday küsst sie auf die Stirn und drückt sie fest an sich. “Wirst du nicht. Oscuro und ich können uns abwechseln wenn der andere mal weg muss. Oder du kommst einfach mit in den Hub. Vielleicht sollten wir da auch wieder hin ziehen!.” Jazz schüttelt bestimmt den Kopf. Er grübelt kurz während er seinen Kopf auf ihrem ablegt.
“Du solltest mal mit Dr. Percival über Traumabewältigung reden Jess… Ich glaube das brauchen wir jetzt. Und ich sollte nicht der sein, der dir dabei hilft Zumindest nicht der einzige…”
Jazz nickt und schließt die Augen. “Ich… ich will hier auch einfach gar nicht mehr sein Liam.”