Außer Atem - Nayad

[Triggerwarnung: Body Image Issues → Werde die Stelle wie folgt markieren ( o0o0o0o0o ) und das Ende auch, dann kann man gegebenenfalls die Stelle überspringen.]

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[Previously Seen Here]

08.06.2076. London

Medea geht auf den Salon zu und einen Moment kann sie nur im Türrahmen stehen bleiben und es auf sich wirken lassen. Der Raum ist groß und warm, mit Teppichboden und einem offenem Kamin. Große weich aussehende Sessel erfüllen den Raum und Bücher. So viele Bücher und Karten. Auf dem Sessel am nähesten zum Feuer sitzt ein älterer fragiler Mann, den sie sofort erkennt. Kurz geht der Gedanke durch ihren Kopf, ob er auch so fragil wäre wenn er nicht alle seine Töchter verloren hätte. Sophia sagte, dass er krank war und Medea konnte es sehen. Langsam tritt sie in den Raum herein.

“Guten Abend, Vater.” sagt die Gorgone verlegen.

Die zierliche Porzellantasse in seiner Hand klirrt als der Mann sie zitternd wieder auf den Unterteller setzt. “Hören Sie, können Sie einen alten Mann nicht in Ruhe lassen? Meine Töchter sind tot. Nein, ich weiß nicht was das momentane politische Klima ist und habe keinen Kommentar dazu. Ich habe keine weiteren Aussagen zu der Politik meiner Tochter. Verschwinden Sie. Jetzt. Joseph! Zeigen Sie ihr den Ausgang!”

Die Gorgone seufzt, legt den Kopf schief und sieht den Mann traurig an. “Sarah ist also wirklich in die Politik gegangen? Beeindruckend. Aber ich bin nicht hier für Sie… und es tut mir Leid was passiert ist.”

“Joseph! Raus jetzt! Verschwinden Sie!” schreit der alte Mann und beginnt zu husten. Sofort läuft Medea zu seiner Seite, kniet sich neben den Sessel und hält ihm seine Tasse entgegen, die er vorsichtig nimmt um zu trinken.

“Vater, ich bins Medea… Erkennst du mich denn nicht…?” Vorsichtig nimmt sie seine Hand. Dann legt sich ihre physische Maske. Erschrocken weicht der Mann zurück. Seine Augen weiten sich, dann legt er zögerlich eine Hand auf ihre Schlangen, die sich direkt um seine Hand wickeln.

STREICHEL MICH. DAAAAAAAD. - Mango
Endlich zu Hause. - Peonia
Snacks! Gib mir den Cracker! Gib mir den Zucker!! - Sol
Streicheln! Will auch gestreichelt werden! - Luna
Hier! Hierher schauen! Sieh mich an! Ich bin so hübsch geworden! - Narcissa
Warum sieht er so krank aus? - Rose
Medea, wir sind zu Hause. En Casa. - Mar

Ertönt es gleichzeitig in ihrem Kopf von ihren sieben kleinen Begleitern und sie kann sich ein kleines Grinsen nicht verkneifen. “Andromeda?” flüstert der Mann und streicht mit der Hand über die Schlangen und dann ihre Wange. “Aber ich versteh nicht… Du warst verschwunden… Ich war mir sicher, dass die Zobop dich aufgeschnappt haben.”

Andromeda wird leicht rot bei dem Gedanken, dass sie beinahe freiwillig dort gelandet wäre wenn Sie nicht wieder weggelaufen wäre. Naja, was er nicht wissen musste… oder Jazz. “Ich erzähl dir alles mit der Zeit…” murmelt sie und lächelt ihren Vater an. Seine glasigen Augen füllen sich mit Tränen. Dann nimmt er sie an den Schultern und zieht sie in eine Umarmung.


18.09.2076.
Boston, Cambridge.

o0o0o0o0o

Grimmig schaut ihr Spiegelbild sie an. Seit dem Vorfall hat sie fast zu jeder Zeit die physische Maske auf. Sie kann die missbilligende Stimme ihres Vaters in ihrem Kopf hören: “Medea, die Maske ist ein nur das. Ein Versteck für dich.” Ughhhhh. Wenigstensist es gerade ein guter Grund. Sie kann nicht ertragen die Konsequenzen ihrer Dummheit zu sehen. Vorsichtig reibt sich Rose an ihrer Wange. Hör auf. Das macht es nicht besser. Kurz schließt sie die Augen, aber sie wagt es nicht ihre älteste Gefährtin anzufassen. Nicht jetzt.

Als sie die Augen öffnet fällt ihr Blick direkt wieder auf den Stumpf, der ein paar Zentimeter über ihrem rechten Ohr aufhört. Jeder Atemzug fühlt sich eng an. Als wäre nicht mehr genug Luft in der Atmosphäre um ihre Lungen zu füllen. Fast noch schlimmer als die Abwesenheit von Peonia war das was es freigelegt hat. Die schroffe Narbe, die sie ihr ganzes Leben schon mit sich trägt, ist nun freigelegt. Eine permanente Erinnerung daran woher sie kam. Ausgesetzt. Ausgesetzt mit dem Versuch ihre Begleiter zu … “entfernen”. Ungewollt. Ihr Magen macht ein Salto und nur ihre Willenskraft, nicht unter dem Druck zusammen zu brechen, hält sie davon ab ihr Frühstück redundant zu machen.

Andromeda. Hör auf dich fertig zu machen.

Anfangs war die Narbe glatt gewesen, zumindest sagte das ihr Vater, aber nachdem ihre anderen Begleiter eingewachsen waren? Ihre Kopfhaut, wenn man das so nennen konnte was da auf ihrem Kopf passierte, ist… abenteuerlich. Das war das Letzte was sie noch ertragen konnte. Noch ein Grund auffällig zu sein. Nicht durchschnittlich. Nicht hübsch. Wie einfach es für die Anderen war. Beziehungen. Sex. Niemand hatte ihnen mit 15 in Terror ins Gesicht geschrien weil dort keine weichen Haare waren sondern Schuppen. “Bitte fass meine Haare nicht an”, macht einfach von Anfang an seltsame Vibes. Mierda.

Wie eine bekannte aber willkommene Lüge fällt ihre physische Maske wieder in ihren Blick. Langsam hebt sie die Hand, aber dort wo ein weicher hübscher Afro anfangen sollte ist nichts. Nur Luft. Eine Illusion. Aber die Illusion konnte mehr. Viel mehr. In ihrem Kopf kann sie die Beschwerden der anderen hören, die Proteste. Vielleicht lange wellige Haare in einem tiefen Schwarz? Oder die großen blauen Augen von Sunny? Vielleicht auch einfach -
“NAYAD. Mach endlich die Tür auf! Ich will jetzt ins Bad! Du bist schon seit Ewigkeiten da drin,” ruft jemand von draußen gefolgt von einem Hämmern gegen die Tür. “Ich steh hier seit ZEHN MINUTEN!

o0o0o0o0o

Keine Ruhe in diesem Haus. Genervt reißt sich Andromeda von ihrem Spiegelbild. Dann atmet sie einen kurzen Moment durch um ihre gewohnte Maske wieder zu präsentieren. Frustriert wirft sie die Tür auf, gefolgt von einem “Au! Was soll denn das!?” auf der anderen Seite, aber noch bevor sie die Stimme zuordnen kann murmelt sie ein “Gehe Joggen. Brauche Luft.” und verschwindet den Gang runter.

So schnell sie kann ist die Gorgone verschwunden. Das morgendliche Joggen gefolgt von dem langen Spaziergang mit den Hunden fehlt ihr. Domino kuscheln auch. Sie hat seit einer Woche kaum das Haus verlassen und es ist alles was sie hasst. Eingesperrt sein. Schon wieder. Medea kann sehen wie Cambridge sicher eine schöne Gegend war vor der Mauer. Hoch auf Huron Avenue, am Baseballplatz vorbei, und am See entlang.

Erst auf der anderen Seite des Sees kann sie fühlen wie die Anspannung wieder von ihr abfällt. In dieser kleinen Ecke könnte man fast vergessen was alles um sie drum herum passiert. Reiche Menschen. Alles geht zu Drek, aber der Golfplatz sieht aus wie immer. Wenn nur alles nicht so leer wäre. Vom weiten kann Medea nur einen einsamen Golfer sehen auf dem kompletten Platz. Langsam beruhigt sich ihre Atmung wieder, als sie realisiert, dass sie mehr gerannt ist als zu joggen. Rennen. Rennen in einer eingezäunten Stadt ist schwachsinn. Es gibt nirgendwo wo man hin rennen könnte. Aber naja, wenn man schon einmal draußen ist… Kann man sich auch den seltsamen astralen Wald ansehen.

In einem normaleren Tempo joggt Nayad die Concorde Avenue hoch und schnell werden die Häuser hinter dem Golfplatz immer kleiner. Schick, aber nicht Sunny-beherbergt-zehn-Runner-Standard. Zumindest vermutet Medea, dass sie mal hübsch waren. Einige Hausbewohner scheinen normal weiter machen zu wollen, aber der sich langsam ansammelnde Schmutz überall trübt dieses Bild etwas. Wenn mitten auf der Straße nicht alle 3 Meter ein verlassenes Auto stehen würde, oder der normale Dreck, wie Blätter oder Müll der aus den Autos geschmissen wurde, geräumt würde… Dann könnte man sich vorstellen, dass hier alles normal ist. Als wären die Reichen und Schönen nicht betroffen. Nur wird in nächster Zeit keine Straßenkehrmaschine fahren. Selbst den Reichen ist bewusst was gerade unnötig ist. Kurz vor Belmont kann sie vom Weiten wieder ein etwas größeres Haus erkennen. Wenigstens sind diese Leute nicht naiv, auch wenn die Fenster verbarrikadieren vielleicht etwas overkill ist, aber zumindest macht der Schutt im Garten es nicht einfach zum Haus durch zu dringen. Clever.

Plötzlich ringen mehrere Schüsse durch die Stille, und Nayad kann spüren wie sie an ihr vorbei zischen. Schnell wirft sie sich hinter das erstbeste Auto auf den Boden. Ein gequältes Stöhnen entweicht ihr als sie unsanft auf ihrem Bauch landet. Nichts regt sich auf der Straße. Sie kann keinen einzigen Meta hören. Niemand regt sich. Nicht einmal ein Ruf. Eigentlich rufen Hausbesetzer oder Gangs gerne ihr Gebiet aus. Mit Schmerzen schiebt sie sich hoch auf ihre Knie und sieht bereits einen neuen dunkelroten Fleck auf ihrem T-Shirt. Sie ist sich nicht ganz sicher ob es schlecht ist, dass sie fast enttäuscht ist, dass es schon wieder das Loch in ihrem Bauch ist. Vorsichtig streckt sie sich um sich mit ihrer Umgebung vertraut zu machen, da zischt auch schon der nächste Schuss an ihr vorbei und sie zieht den Kopf wieder ein. “Zumindest weiß ich jetzt woher sie schießen. Scheiß clever verbarrikadiertes Haus.” murmelt sie und will automatisch nach ihrer Waffe greifen… Wo nichts ist. Ein genervtes Fluchen entweicht ihr. Nichtmal diese leichte Panzerjacke. So viel zu einfach mal joggen gehen. Wer schießt denn bitte im Reichenviertel rum? Sie kriecht geduckt in Richtung Kofferraum, dann wagt sie nochmal einen Blick raus. Nur ein paar Meter zum nächsten Auto, und nur ein paar Meter zum Nächsten danach. Machbar, wenn man schnell ist. Wenn. Naja, Rennen ist selbst in einer eingezäunten Stadt manchmal für etwas gut. So gut sie kann geht sie in die Hocke, legt die Hände auf den Asphalt, dann drückt sie sich ab und hoch. Kugeln zischen an ihr vorbei als sie ihren Sprint an den Autos vorbei und zurück die Concorde runter macht. Die Schüsse hören so schnell und so plötzlich wieder auf wie sie angefangen haben. Und auf einmal ist das Irrenhaus was sie Sunny’s Townhouse nennen wieder angenehm.

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Super fiction! Gerne dann noch den dazugehörigen Blogdown hier verlinken :slight_smile:

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Link ist ganz oben :3 Ich kanns auch auch nochmal in den Kommentar packen :smiley: Doppelt hält besser.
Hier weiter zum Blogdown!

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Ooh nooo, die arme Snek! :frowning:

For the record: Maske und Physische Maske sind tatsächlich „vollsensorische“ Zauber, die auch den Tastsinn beeinflussen!
Da jeder Magier ja aber seinen eigenen Zugang zur Magie hat, tut der von Nayad es vll einfach nicht - ihre Magie war ja zb früher auch noch jung, oder ihr intensives Bewusstsein über die Falschheit der Haare beeinflusst in dem Bereich ihre Zauberleistung, oder so.

Gute Umsetzung des Blogdown auch, freut mich sehr :slight_smile:

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Yes, ist grundsätzlich vollsensorisch, aber ich dachte mir als junge Person hatte sie sicher noch nicht volle Kontrolle über all das und jetzt ist es eher „ich weiß, dass es nicht da ist“ und grundsätzliches „feeling sorry for yourself“. Ich war nicht ready schon wieder eine Beerdigung zu schreiben hahaha Fand dieses bisschen Selbstzweifel angebrachter (:

Hätte ich vlt als Info drunter setzen sollen :thinking:

Freut mich, dass es für dich passt. Ich fands auch spannend mal was neues umzusetzen. Hat gut zu ihr gepasst :3

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Wunderbar, so macht es auch voll Sinn! Ich wollte nur dass dir das bewusst ist, könnte in einem run ja hilfreich sein.
hust Hallo Ancients, ihr Werten Mitelfen, schaut und fühlt meine tollen Ohren! hust

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Ja genau :smiley: Wäre schlecht gewesen wenn da nichts gewesen wäre :joy:

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Sehr coole Fiction, aber auch sehr sad :frowning: Bin gespannt was der Verlust mit Nayad weiterhin macht

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Sehr schön. Gerade der Anfang gefiel mir sehr,
da es an den Cliffhanger der letzten Fiction der letzten Season sehr schön anknüpft, wie ihr Vater das alles überhaupt aufnimmt.

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Ja, der Cliffhanger musste ja wieder aufgelöst werden und so balanciert es das Negative bisschen aus. :thinking: Aber freut mich sehr, dass es euch so gut gefällt :heart_eyes:

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