Dunkle Pfade - Nayad

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[Ab oOoOo dieses Lied]


9:57
Sunnys Townhouse, Cambridge

Das Townhouse vibriert gefühlt mit der Lautstärke vor Ort. Daisy blasted irgendwo im Keller Gorilla Red. Doktor Percival und wer auch immer gerade wieder eine Frage gestellt hat experimentieren Unten bevor später alle aufbrechen wollen. Irgendwo oben scheucht Sunny Aiden durch die Gegend. Das Surren der ganzen elektronischen Geräten. Das Klick Klack von König Wischroboto dem Dritten als er über die Fliesen huscht und seine von Daisy angeklebte Krone gegen andere Objekte stößt. Hinter dem Haus auf der Terrasse bellen Coco, Chanel und Pompadour ein Eichhörnchen an was sich verirrt hat und sie von der Mauer aus verspottet. Das kleine fast nicht hörbare Ziepen von Geräten, die verzweifelt ein Signal suchen und nicht finden. Es macht sie wahnsinnig.

Allein sitzt Nayad auf der Treppe vor dem Haus, eine heiße Tasse Aztech “Argentinian Soul Blend” SoyKaffee in den Händen. Nervös wippt sie mit ihrem rechten Bein. In der Ferne ertönen Sirenen von irgendeinem Knight Errant Transport. Inzwischen sind diese Geräusche teil des Alltags. Normalerweise fühlt sie sich nicht gestört davon, aber gerade ist es anders. Gerade wäre einfache Stille, oder etwas Zeit für sie allein, alles. Etwas Ruhe. Selbst das Deep Weed am Abend davor hatte nur bedingt entspannt. Sie weiß, dass sie einfach nicht gewöhnt ist wirklich loszulassen, zu entspannen, und sie weiß genau warum. Sie trinkt einen kleinen Schluck von ihrem Kaffee und nimmt ihr Komlink raus. Neue Nachrichten von Jazz über KFS und Holliday, Explosion auf dem Jackpoint, irgendein Hilfreschrei von Daisy über verlorenes Werkzeug… Ein leises Seufzen entweicht ihr als sie den gestrigen Abend nachliest. Ihr Hals wird ungewöhnlich eng als sie Dr. Percival’s Nachrichten über die vorwiegend nachlassende Moral liest. Gut war das der Moment wo sie noch zu sauer auf Aiden war und in ihrer Decke am schmollen war. Der Gedanke rausgeworfen zu werden wenn es nirgends gibt zum hin flüchten. Aber Dr. Percival hatte auch recht. Ohne zu zögern hatte sie die Frau am Drachenflug-Abend umgebracht. Erst im Nachhinein ist ihr eingefallen zu hinterfragen ob die Frau eine Familie hatte, oder einen Partner, Freunde. Ihr Magen verkrampft sich wieder am Gedanken daran.

Das Haus wird langsam eng. Zu eng. Zögernd tippt sie auf einen weiteren Chatverlauf. Die Nachrichten blinken ihr aggressiv rot entgegen.

„Hi Papa! Wir verlassen Seattle ein paar Tage früher. Meine Freunde wollen früher nach Hause zu ihrer neuen Wohnung. Es war toll hier. Buenas Noches, alter Mann.“

„Vater, hier passieren verrückte Dinge! Über Boston fliegt ein Drache! Ein richtiger! Mit Flügeln! Wir landen gleich. Mach dir keine Sorgen.“

„Wir stehen immernoch am Flughafen und warten darauf in die Stadt gelassen zu werden. Wir hätten in der Luft umdrehen sollen. Sobald ich kann nehm ich einen Flieger hier raus. Versprochen. Wie wäre es mit übermorgen? Dann bin ich zu Hause.“

„Sie blockieren die Ausgänge der Stadt. Papa, ich glaub ich komm nicht mehr nach Hause. Irgendwie komm ich da raus. Ich will einfach nur nach Hause.“

Messages not delivered. Retry?

Die Gorgone starrt auf die Nachricht, dann drückt sie vorsichtig auf das rote Feld. Die anderen haben ihre wichtigen Personen alle da. Nur sie nicht. Chester wollte sie hier treffen, aber er wäre erst jetzt nach Boston gefahren. Ein eisiger Schauer läuft ihr den Rücken herunter als sie bedenkt, dass ihr Vater nicht einmal weiß, dass sie nicht mehr in Seattle ist. Bing! Messages not delivered. Retry? Abrupt steht Andromeda auf, steckt das Komlink ein, dann bringt sie ihre Tasse rein und zieht ihre Rennschuhe und die leichte Panzerweste an. Als ihr Blick auf den blonden Ares fällt verengen sich ihre Augen. Die Schlangen zischen bedrohlich, als der Junge einen Schritt auf sie zu nimmt. Schnell tippt sie ein, „Gehe rennen bevor wir das Feuer eröffnen. Muss meinen Kopf frei kriegen“, postet es im Jackpoint und rennt dann ohne ein Wort die Treppe runter und aus dem Haus raus.

Medea weiß, dass sie überreagiert hatte. Dass der Ares Junge auch einfach mal am Spaß beteiligt sein wollte. Sie weiß, dass sie froh sein sollte, dass er sich endlich wohl genug bei ihnen fühlt um Späße zu machen… Aber sie hat drei Wochen an ihren Pflanzen gearbeitet. Sie hätte am ersten Tag schon zu den Vorräten beitragen können, wenn ihre Pflanzen nicht andauernd die Köpfe hängen ließen. Das ist ihr so noch nie passiert. Im Castillo war es auch schwierig gewesen, aber sobald sie da war ging es ihnen super. Jetzt? Nichts. Ihre Magie will einfach nicht so richtig. Alle ihre magischen Anker versuchen sie unter Wasser zu ziehen und sie kann nicht atmen. Ihre Familie. Ihre Freunde. Die Natur.

Die Gorgone fällt in einen bekannten Rhythmus zwischen ihrem eigenen Atem und dem Aufschlagen ihrer Füße auf dem verdreckten Untergrund. Cushing Street runter und es sieht alles normal aus. Mount Auburn und rauf auf Belmont. Vielleicht kann sie auf dem Rückweg auf dem Herbstmarkt etwas tauschen für die anderen? Medea weiß wo ihr Problem liegt und sie hasst es. Alle anderen tragen viel bei, und sie? Kriegt das nicht hin worin sie gut ist. Nutzlos. Sie spornt sich weiter an und rennt weiter Belmont runter bis sie an eine Weggabelung kommt. Beide Straßen sehen gleich aus darin, dass man langsam aufhört hier den Schein zu wahren. Sie schlägt ein auf Trapelo Street. Wie wirkt man gleichzeitig unbedrohlich aber nicht wie ein einfaches Ziel? Andere Metas auf dem Weg zum Herbstmarkt mustern sie misstrauisch mit ihrer Panzerweste. Ein kleines “Bitte schießt nicht schon wieder auf mich” macht sich in ihren Gedanken breit bis sie es ignoriert um im Gegensatz etwas schneller zu laufen. Man kann nicht vor seinen Problemen weglaufen, Medea… flüstert Rose in ihrem Kopf.

“Ich kann es versuchen!” Naja, vielleicht solltest du dir auch mal eine Therapie suchen… So wie die Anderen.

“Keine Zeit für Therapien oder entspannen, Rose. Bitte lass mich.”

Auf einmal bemerkt sie langsam worauf sie zu rennt. Moos überwuchert verlassene Autos. Bäume wachsen aus dem Beton heraus. Das ist nicht erst vor drei Wochen passiert. Dicht an dicht stehen die Bäume, hohe Kronen verschwinden teilweise im Nebel. Es ist dunkel. Kaum ein Lichtstrahl trifft den Boden. Sunnys Warnung vor dem Wald fällt ihr ein, aber die Anziehung ist da. Sie kann den Wald spüren. Ihre Magie. “Es gibt explizit Dinge die Naturmagie angreifen” hat Sunny geschrieben. Fuck. Vielleicht wenn sie nur am Rand schaut? Auch hier am Rand wird es Ressourcen geben. Moos ist gut zur Isolation sobald es kalt wird… Vielleicht ein paar essbare Pflanzen?

Noch während sie an die potentiellen Gefahren denkt geht sie auf den Wald zu. Zögerlich fasst sie an den Stamm eines Baumes und schließt die Augen. Sie kann das Leben der Pflanze fühlen. Als ob es pulsiert. Angetrieben von dem Gefühl beginnt sie in den Wald hinein zu treten. Sie kann spüren wie ihr Natur-Anker langsam ihre Magie wieder frei gibt. Es kribbelt unter ihrer Haut. Bevor sie merkt was sie tut geht sie immer tiefer in den Wald. Sie inspiziert die Pflanzen. Die Hände voller hilfreicher Kräuter.

oOoOo

Plötzlich durchbricht ein fürchterliches Jaulen die Stille. Was war das!? Es ist kalt. Kälter als es sein sollte. Wie aus einem Traum erweckt der Schrei ihre Instinkte. Es raschelt direkt hinter ihr. LAUF. Hört sie gleichzeitig mit einem Ohren betörenden kreischendem Jaulen direkt hinter ihr und sie stürzt los. Auf einmal sieht sie, dass sie nicht die Erste ist. Tiefe Spuren im schlammigen Boden verraten ihr, dass hier schon öfter Leute ihren Renn-Instinkt gefunden haben. Zu ihrer linken Seite sieht sie eine fahle Leiche mit weit aufgerissenen Augen. “Weiter, Nayad. NA LOS.” schreit sie sich selbst zu. Alle Spuren verfolgen denselben Pfad. Hinter ihr bricht etwas durch die Gebüsche, etwas was schneller sein sollte. Es jagt sie. Ohne zu zögern drängt sie sich noch etwas weiter, noch etwas schneller zu sein. Der Weg führt durch einen kleinen Canyon, eng, bedrängend, hohe Wände. Wieder raschelt es. Eine Leiche liegt an einer der Wände gelehnt, jemand der aufgegeben hat. Sie kann selbst im vorbeirennen die Panik auf dem Gesicht erkennen. Ein weiteres lautes Kreischen durchbricht das einzige was sie sonst hört, ihr Herzrasen. Direkt vor ihr liegt ein lebloser Körper in dem Gang. Ohne zu zögern springt sie darüber weg, und sprintet weiter durch den Tunnel.

Wenn der Tunnel zu einem Ende kommt… Nayad weiß, dass sie hier raus muss. Irgendwie. Dann sieht sie es plötzlich, eine Einkerbung in der Wand. Jemand muss verzweifelt versucht haben irgendwie heraus zu kommen. Die Wände sind zu glatt zum Klettern, aber da… Sie macht einen Satz, drückt ihren Fuß an die Einkerbung, greift nach der oberen Kante und stößt sich hoch. So schnell sie kann zieht sie sich hoch, dann rennt sie weiter. Sie wagt einen kurzen Blick hinter sich. Die Aktion hat ihr nur eine Sekunde gekauft, aber das reicht. Bitter bemerkt sie, dass sie mal wieder ohne ihre Waffe unterwegs ist. Sie beißt sich auf die Lippe und sprintet los. Sie muss aus dem normalen Jagdgrund ausbrechen, nur dann hat sie eine Chance. Nur wenn sie den Ausgang findet. Ihre Beine brennen von der Anstrengung, aber aufgeben gibt es nicht. Das Krachen hinter ihr scheint weniger zu werden. Aber das könnte ein Trick sein.

Auf einmal sieht sie etwas was ihr bekannt vorkommt. Hier ist sie vorhin vorbei gegangen. Sie kann die Blumen erkennen. Schnell schlägt sie einen Haken, verändert die Richtung und folgt dem Weg den sie gekommen ist aus dem Wald. Das Krachen und Heulen hinter ihr wird leiser, aber das heißt nicht, dass es ihr nicht auf den Fersen ist. Plötzlich vernimmt sie dieses Gefühl zu springen. Ihre Nackenhaare stellen sich auf. So schnell sie kann, tritt sie sich ab, über einen umgefallenen Baumstamm und dann vernimmt sie ein lautes Krachen und Splittern. An der Stelle wo sie gerade war, sitzt verdattert eine hagere Kreatur. Mit viel Fantasie könnte man denken, dass das früher ein Elf war. Sofort sprintet sie weiter, raus aus dem Wald und die Straße herunter. Sie kann kaum einschätzen wie lange sie rennt bis ihr das Townhouse schon wieder in den Blick fällt.

Erst hinter dem Zaun, dem hohen Tor, lässt sie los. Ihre Beine und Lungen brennen. Sie schnappt nach Luft. Panik. Terror. Ihr Magen dreht sich. … Und es ist still. Schlaff und müde hängen ihre Schlangen von ihrem Kopf. Aber sie hört nichts. Die Panik in ihr breitet sich aus und sie stürzt in das erste Badezimmer auf ihrem Weg. Sauer. Kalt. Sie zittert immernoch als sie sich kaltes Wasser ins Gesicht wirft und ihren Mund umspült. Langsam verlässt sie das Badezimmer, und als sie am Wohnzimmer vorbei geht kann sie die fragenden Blicke der Anderen sehen. In ihrem Zimmer angekommen, nimmt sie ihre Waffe und verschwindet in der kuscheligen Höhle, die sie und Daisy gestern gebaut hatten. Sie macht sich klein, legt den einen Arm um ihren Kopf damit ihre Schlangen so nah wie möglich bei ihr sind. Damit sie sie sehen kann. Beruhigend reiben sich die kleinen schuppigen Köpfe an ihre Gesicht. In der anderen Hand umklammert hält sie ihre Waffe an sich. Nirgendwo. Sie geht nirgendwo mehr unbewaffnet hin. Die Waffe unter dem Kopfkissen… Es war kein Spaß, auch wenn sie alle darüber Witze machten. Es ist nichts positives. Es ist Angst. Angst, die sie alle haben. Angst nirgendwo sicher zu sein.

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[Die unterbrochene Verbindung zu ihren Schlangen ist sehr temporär und nur Fluff für ein Stündchen.]

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Meeeeeega gut :heart_eyes: Und so spannend!
Bin sehr gespannt auf die Langzeitauswirkungen.
Aber sie hat recht, irgendwie sind wir nirgends mehr sicher.

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Nah sind sie nicht. :smiley: Ich mein John Seed um die Ecke, Monster unter dem Bett, Drachen Pipi, generell KFS. Was noch? :smiley: ich glaub wir haben diese Season zu sehr „hier“ geschrien :joy:

Und es wird eher Langzeitauswirkungen haben, yes :smirk:

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Oh mein Gott ist das gut! Der Horror ist richtig gut geschrieben. Arme Nayad, gebt der armen Frau doch eine Umarmung obwohl sie vermutlich keine haben will :sob:

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