Die Suche nach Dr. Percival - Jazz und Holliday

[Erklärung zum Blogdown folgt am Ende der Fiction]

Cambridge 13.9.2076: 5.36 Uhr

Knarrend fällt die schwere Holztür hinter Jazz und Holliday ins Schloss und sie hören wiederholtes wildes klicken und piepen, als Reginald hinter ihnen wieder verschließt.

Sie halten jeder einen Thermobecher des stark rationierten Kaffees in der Hand. Sie wollten beide nicht die Gruppe erleben wenn Kaffee oder Alkohol begannen knapp zu werden.

Jazz hat tiefe Ringe unter den Augen. Holliday und sie hatten die halbe Nacht, nachdem sie spät von den Batistas zurückgekommen war, mit streiten verbracht.

Der Streit hatte Jazz viel Kraft gekostet, es war nicht das übliche 10 Minuten schreien und dann war alles wieder gut, wie sie es von Kuba gewöhnt war. Es war leise, langsam und zehrend.

Sie nimmt einen Schluck Kaffee und schlurft neben Holliday her. Die Sonne geht gerade langsam über Boston auf und sie hatten ihr Ziel vor Augen: Dr. Percival suchen und hoffen er weiß was zur Hölle hier eigentlich los ist. Oder kann es zumindest eingrenzen.

“Was meinst du wann unsere Wohnung fertig wird?” Sie war bereit nachzugeben um diesen Streit hinter sich zu lassen.

“Donnerstag.” Sagt Holliday knapp und späht in eine Seitengasse, die Hand an seinem Revolver.

“Liam ich…”

Holliday bleibt ruckartig stehen und sieht sie an. Er sieht perfekt ausgeruht aus. Und wütend. Scheiß Elfen.

“Jess weißt du eigentlich was ich mir für Sorgen gemacht habe?! Kein Meta weiß was hier los ist und du springst alleine raus in eine Containment Zone in der ich dich noch nicht mal erreichen kann um zu wissen ob du noch lebst.”
Jazz schließt die Augen und atmet tief durch. “Ich war in keinem Krisengebiet. Ich hab…”

“Wenn du nicht langsam einsiehst, dass du nicht Kugelsicher bist… Ich kann das nicht so. Ich kann dir nicht dabei zusehen wie du dich wieder und wieder in die schlimmstmögliche Situation bringst weil du hoffst das es klappt und gut geht, bis es das irgendwann nicht mehr tut!”

Er geht weiter. Mit schnellen großen Elfenschritten ist er schneller an der nächsten Häuserecke als Jazz realisiert, dass er weiterläuft.
Sie joggt ihm nach.

Sie kramt ihr Komlink aus der Tasche und drückt ihm ein Bild in die Hand wie sie zwei sehr erschöpft aussehende maximal dreijährige Kinder in ein Auto setzt.
“Liam ich war nicht im Kriegsgebiet! Ich habe Kinder zurück zu ihren Eltern gebracht. Oder zur Polizei. 45 kleine Kinder die dachten sie sehen ihre Eltern nie wieder. Ich… Ich kann nicht in diesem Marmorpalast sitzen und darauf warten dass irgendwann alles gut wird.”

“Jess. Du bist nur wegen mir überhaupt hier! Wenn du hier…” Er schluckt. “Dann kann ich nicht… Dann wäre ich Schuld.”

“Ich wäre jetzt sowieso hier. Wegen Ricky. Und auch wenn wir kein Paar wären, wäre ich hergekommen um bei dir zu sein. Ich will doch bei dir sein. Liam ich…” Ihre Stimme bricht ab weil Holliday sie umarmt und sie schließt die Augen.
“Nimm mich nächstes Mal einfach mit. Ich hab auch Pflaster mit bunten Crittern drauf im Rucksack.”
Holliday gilt offiziell vor den Batistas als tot, also stellt das keine Option da. Das weiß er genauso gut wie sie. Denkt sie zumindest.
Jazz lächelt und drückt ihn etwas fester. “Pass auf, dass die Weazel nicht in die Hände fallen.”

Sie laufen ein gutes Stück weiter. Die Straßen sind leer und es ist ruhig. Im privilegierten Viertel Cambridge wirkt es nicht als sei die Ausnahmesituation so richtig angekommen. Ab und zu passieren die beiden eine Knight Errant Patrouille, die ihnen raten in ihre Wohnhäuser zurückzukehren. Sie hätten alles im Griff.

“Hm. Meine Verbindung zu Bossy und dem Jackpoint ist abgerissen. Sieht aus als wären wir jetzt auf uns gestellt.”
Sie passieren den Davis Square und South Medford. Als sie einen Fluss namens “Mystic River” passieren wollen, deutet Holliday Richtung Osten.

Jazz kramt in ihrer Umhängetasche.
“Der eine Dad gestern hat mal in Fenway gearbeitet und meinte wir dürften was haben, dafür dass wir sein Kind zurück bringen. Ich… Hab dir was mitgebracht.”

Sie zieht einen alt aussehenden abgewetzten Lederball aus der Tasche und hält ihn ihm wenig zeremoniell hin. “Ich glaube den Namen hatte ich schon mal bei dir gele…Oh nein da steht ja Dodgers drauf. Das ist doch das falsche Te…”

“DU HAST EINEN SIGNIERTEN BALL VON HARRY IRONJAW BARTLETT?!”

Jess sieht ihn verwirrt an. “Sieht so aus…”

“Jess das war 2043 der erste goblinisierte Profispieler! Das Ding muss ein Vermögen… Man das ist sooo COOL! Kurz darauf gab es die ersten sehr seicht vercyberten Leute um die Goblinisierung im Sport ein bisschen auszugleichen. Da muss ich so 6 gewesen sein und fand so cool was Technik und Kybernetik alles kann.”

Holliday kommt ein bisschen ins Schwärmen und Jazz wird von einem wohlig warmen Gefühl der Rührung ergriffen. Er steckt den Ball ein, zieht sie mit einer schnellen Bewegung an sich und küsst sie. Jazz spürt die letzten Sturmwolken zwischen ihnen sich langsam verziehen.
“Du weißt, dass ich einfach nur will, dass dir nichts passiert oder?” Fragt er zögerlich.
“Claro. Ich will nicht wissen was ich mit dir gemacht hätte, wenn du gemacht hättest, was ich gemacht hätte.” Sie zieht die Augenbrauen zusammen. Dieser Satzbau macht sie immernoch fertig.

Er zuckt mit den Schultern. “Du wärst da gewesen. Irgendwie bist du immer da. Wenn irgendwas ist oder ich mit irgendwem Probleme habe, weiß ich immer dass es keine 30 Sekunden dauert bis du dich dazwischen wirfst. Egal was das für dich heißen mag.”

Jazz schaut auf das Datum. “Hey, vor ungefähr einem Jahr hab ich Ben bestochen mich bei sich wohnen zu lassen. Ich werde nie deinen doofen Blick vergessen als du aus dem Aufzug gestiegen bist und mich gesehen hast.” Sie lacht.

“Jaaaaaa… Ich hatte sehr Angst. Hauptsächlich weil ich dachte Javier schickt dich um mich zu ermorden. Aber… Ich hab mich auch sehr gefreut dich zu sehen, weil ich wusste, dass das meine Chance ist, abseits von Javier, alles wieder gut zu machen. Hatte ja noch nicht mit Yong gerechnet.” Er hält inne. “Tut mir übrigens leid, dass ich wenn andere um uns sind nur Witze über deine Brüste mache… Ich hätte dich Jake eigentlich vorstellen können. Ich… Kann das irgendwie nicht so gut vor anderen. Und wusste nicht, wie ein neuer Fixer ein Runnerteam findet, in dem die Runner herumfraternisieren.” Er deutet ihren Blick. “… in dem Runner in einer Beziehung sind. Aber ich will, dass du fester Bestandteil meines Lebens bist. Und dann werde ich damit auch offener umgehen. Wenn keine 50.000 Nuyen davon abhängen.”

Jazz zuckt mit der einen Schulter deutlich auffälliger als mit der verletzten. “Hey, was glaubst du denn wieso ich frage wann unsere Wohnung endlich fertig ist? Und ich mach auch gerne Witze über meine Brüste. Also… passt schon.”

Die beiden Laufen noch ein großes Stück nebeneinander her. Die Bäume entlang des Mystic River verfärben sich der Jahreszeit geschuldet langsam gelblich.
Sie passieren Medford und einen Teil von Malden.
Dann biegen sie in die Straße von Dr. Percival ein.

Das Gebäude schien in vollständigen Verteidigungsmodus gegangen zu sein. “Dr. James May und Partner - Fachpraxis für Kieferorthopädie und Kieferchirurgie” steht auf dem kleinen Schild vor dem Komplex. Holliday versichert Jazz jedoch über DNI: “Das hier ist das richtige. Er wollte vermutlich Lieferungen rechtfertigen. Aber komplett verbarrikadiert. Entweder er hatte Hilfe oder der Mann ist verflucht schnell.”

Hinter ihnen schlägt etwas laut zu und sie zucken zusammen. Holliday hat schneller seine Ruger gezogen als Jazz schauen kann.

“Na Sie werden doch nicht ihren neuen Boss erschießen Mr. Holliday?” Der mitte 50 Jährige Mensch sieht müde aus. Er steht an einem gepanzerten Geländewagen dessen Kofferraum er wohl gerade zugeschlagen hat. Er gähnt herzhaft und setzt dann erneut an: “Meine Tochter schickt Sie oder? Ich bin sehr froh Sie beiden zu sehen. Gibt es Verletzte? Kommen Sie mit.”

Sie folgen Dr. Percival in seine Forschungsanlage. Vom typischen Arztpraxen-Geruch wird Jazz auf leeren Magen etwas übel. Sie schildern Percival die Situation. Dass es Verletzte gäbe, aber zumindest seine Tochter unverletzt ist.

“Jessica hat noch eine Kugel in der Schulter die so tief steckt, dass ich sie mit keiner Zange erwischt habe. Eine Kollegin hat eine böse Verletzung am Bauch.”
Percival nickt und holt eine lange schmale medizinische Zange aus der Schublade. “Ihr mechanischer Arm sieht schon übel genug aus hm? Darf ich?”
Jazz zuckt zurück. Die Zange erinnert sie an etwas womit ihr Arm als Kind befestigt wurde. Ihr wird übler.

Percival lächelt. “Muss ja nicht sofort sein. Ich habe auch noch Betäubungsmittel, aber mit denen sollten wir sparsam umgehen. Ich kann Sie auch leider nicht an mein Nervenenden-Spektrometer hängen um die Schmerzen unter dem Eingriff zu mildern. Das verbraucht zu viel Strom. Mein Plan ist zu Hause einen kleinen OP einzurichten, dafür brauchen wir aber noch eine Menge Material. Da wäre sehr hilfreich wenn ihre Schultern funktionieren Miss Diaz-Ruiz. Ich habe das im Einsatz ungefähr 5000 mal gemacht.”

Jazz blickt Holliday hilfesuchend an der ihr dem Arm auf den Oberschenkel legt. “Deine Entscheidung. Aber das kann sich übel Entzünden und das Gelenk schädigen. Und hier ist es steriler als in der Runner-Hochburg”
Jazz nickt nachdenklich. “Erzählen Sie uns doch dabei was Sie die letzten 48 Stunden so erlebt haben und dann erzählen wir Ihnen vom 18 Jährigen Technomancer der ihre Tochter anstarrt.”
Percival zieht eine Kopflampe hervor und warnt Jazz nochmal, dass es weh tun könnte und sie ihn bitte nicht aus Reflex mit dem Cyberarm verprügeln solle.

“Gut, dass Mr. Holliday da schon mal gereinigt hat, sieht nicht hübsch aus. Während des Ausbruchs war ich hier im Labor und habe an Simulationen gearbeitet. Der Boden hat gebebt und als ich die Frontkamera sich meldete war der Drache schon auf Flug Richtung Hub. Das System hat bei seismischen Aktivitäten sofort alles runtergefahren und gesichert, damit die Probanden nicht abhandenkommen. Wird kurz weh tun.”
Ein gleißender Schmerz zieht sich trotz der Unterdrückung ihrer Schmerzinhibitoren durch Jazz Arm und sie beginnt mit ihrem Cyberarm Hollidays Hand zu drücken, der kurz etwas unmutig guckt.

“Ich habe geschaut, dass hier alles in Ordnung ist und bin zu den klaren Teilnehmern also den KFS Patienten, denen noch ein freies Leben möglich ist oder die ihre neue Persönlichkeit akzeptieren gefahren. Ich weiß, dass meine Tochter sehr gut versorgt ist und diese Leute sind es nicht. Als ich gestern Abend in Malden am Oat Grove angekommen bin, sah ich wie ein Flugzeug eine Versorgungslieferung abgeworfen hat. Die Leute sind vorsichtig rausgeschlichen und haben sich das angeschaut. Es waren 4 große Paletten: Nahrung, Klopapier, Windeln, was man eben so gebrauchen kann. Es war alles friedlich. Eine Person meinte man solle abzählen was es alles gibt und dann in Ruhe katalogisieren und verteilen. Dann nahm der erste unautorisiert ein Paket. Der Kampf dauerte eine Viertel Stunde und forderte 3 Tote und unzählige Verletzte.”
Er sieht Jazz und Holliday kurz an, dann macht er eine vorsichtige Armbewegung.

“Da ist der Übeltäter. Sie können stolz auf ihre Schmerzinhibitoren sein Miss Diaz-Ruiz. Ohne hätten sie den Arm nicht bewegen können. Ich habe dann einen der Verletzten der mich nicht nur angeschrien und mit seinem Versorgungspaket weggerannt ist, medizinisch etwas versorgt. Er schenkte mir diesen 5 Liter Eimer Suppe.” Er schüttelt langsam mit dem Kopf. “Die Gier bringt immer das schlimmste im Menschen zum Vorschein.”

“Das sagt sich leicht wenn man in so einem Haus lebt wie Sie es tun.” Erwidert Jazz schmerzverzerrt als Percival erneut die Wunde desinfizierte.
Er lächelt. “Das stimmt natürlich. Ausbrennen oder nähen und aufs beste hoffen? Ich habe auch noch Wundheilungsgele und andere spannendere Späßchen, aber auch mit denen würde ich etwas sparsam umgehen.”
“Ähm… Eh…” Sie sieht sich zu Holliday um der etwas leidend seine gedrückte Hand mustert.
“Ich habe frühzeitig desinfiziert. Ich denke nähen reicht aus.”

Percival greift Nähbesteck. “Sie können wirklich froh sein, dass so ein begnadeter Mediziner zu ihrem Team gehört. Sich nicht erst zu einem verdreckten Streetdoc schleppen zu müssen hat seine Vorteile. Dank ihrer Schmerzinhibitoren dürfte das Nähen jetzt gar nicht mehr weh tun.”
Er setzt geschickt ein paar Stiche um die leicht ausgefranste Wunde.

“So und nun… Mein Auto ist gepackt. Ich kenne eine Tankstelle die noch nicht so furchtbar von den Raidern überrannt wurde. Machen wir uns auf den Weg.”
“Wissen sie eigentlich was das hier sein könnte? Der Drache? Die gelbe glitzernde Flüssigkeit? Die ausrastenden Leute?”
“Nicht mehr oder weniger als Sie Beiden fürchte ich. Mit der Blutprobe kann ich vielleicht etwas rausfinden. Beten Sie einfach mit mir dass es nicht KFS ist.”

[Paul hatte mir folgende Info gegeben: eine Versorgungs Palette kommt an. Die Nachbarn gehen vorsichtig nachsehen: 4 große Paletten. Alles friedlich, bis der erste sich eine Box schnappt und rennt. Der Kampf um Vorräte fordert 3 tote und unzählige verletzte unter ganz normalen Leuten. Daraus habe ich dann die Fiction rundum gebastelt. Es folgt nun ein Post im In Character BlogDown.]

6 „Gefällt mir“

Der Dazugehörige Blogdown Post :slight_smile: Versorgungspakete - Chelsea

6 „Gefällt mir“

Ahhhh die Fiction ist super! :heart_eyes:Sehr schöner Einstieg in die BlogDowns aber auch das Gespräch zwischen den Zwei :3

6 „Gefällt mir“

Genau so stelle ich mir die Blogdowns vor :slight_smile:
Hat Lissy super umgesetzt!
Wenn ihr jemals eine Idee braucht, meldet euch einfach! Wir haben eine Liste mit Themen

6 „Gefällt mir“

Ich mag die ruhige, vorausschauende und umsichtige Art von Sunnys Vater. ^^
Und auch im Gesamten ist die Fiction sehr schön geworden, gibt einen guten Blick auf den Lockdown.

5 „Gefällt mir“