Villa Batista - Havanna Cerro - 11 Uhr
Jazz steht vor der großen alten Holztür im 2. Stock der Villa Batista die in Javiers Büro führt. Sie hält inne, atmet tief durch, umklammert einen kleinen Gegenstand in ihrer Hand und klopft dann an.
“Komm rein Jessica.” Die Stimme hinter der Tür klingt freundlich und offen. Sie betätigt die Türklinke und tritt ein. Javier sitzt am anderen Ende des Raumes, ein Glas Rum in der Hand und in einem großen Ledersessel zurückgelehnt.
“Du siehst wütend aus liebste. Was bringt dich her?” Er nippt an seinem Rum und dreht sich im Ledersessel etwas hin und her.
“Ein Batista meinte Benedict wäre gestorben weil er Geschäfte mit dir gebrochen hat. Was für Geschäfte treibst du denn mit einem frei arbeitenden Kinderarzt?” Sie ist aufgeregt, aufgewühlt, taxiert ihn fest mit dem Blick um Selbstsicherheit auszustrahlen.
“Hatte ich dich nicht gebeten dich nicht in Geschäfte einzumischen, über die ich dich nicht aufkläre?” er spannt sich etwas an, setzt sich mehr auf.
“Früher hattest du nie Geheimnisse vor mir Javier. Die Familie wendet sich gegen mich. Wenn auch du nicht mehr transparent mir gegenüber bist, weiß ich nicht wie wir zusammenarbeiten sollen.”
Er seufzt, steht auf und wendet sich der großen Glasfront, die die Stadt überblickt zu. “Was willst du wissen?”
“Hat Benedicts Tod irgendwas mit mir zu tun Javier?”
Er schweigt.
Jazz Hand verkrampft. Wut steigt in ihr auf. “Sag mir, dass du ihn nicht umgebracht hast weil er mich nicht mit nach Afrika genommen hat. Weil er der Einzige war, der mir eine SCHEISS WAHL LASSEN WOLLTE.” Nachdem der Satz ihren Mund verlassen hat erschrickt sie sich selbst über den schnellen Ausraster.
Javier schweigt weiterhin, nimmt einen weiteren Schluck Rum und starrt aus dem Fenster.
Jazz knallt den kleinen Gegenstand auf den Tisch. Ein beglaubigter Credstick einer ADL Bank. “Ich bin weg. Das auf dem Credstick reicht für die Tibidabo und die Tiere. Ich kann nicht mehr für dich arbeiten Javier wenn ich Angst haben muss, das jeder in meiner Umgebung sterben könnte weil du nicht willst, dass ich Kontakt zu anderen habe.”
Sie dreht sich um. Im gleichen Moment dreht er sich um und blickt sie an.
“Vacaciones meinte er geht an die Ostküste. Begleitest du ihn?”
“Nicht in nächster Zeit.” Sie macht einen weiteren Schritt auf die Tür zu.
“Warte Jessica. Nimm das Geld. Mach dir eine schöne Zeit. Bitte… Pass auf dich auf. Und wenn du es irgendwann brauchen solltest… Komm zurück ja?” Als sich Jessica umdreht entdeckt sie Besorgnis und Fürsorge in seinem Blick als er ihr den Credstick über den Schreibtisch hinhält. Sie macht ein paar Schritte, greift ihn und hält kurz inne.
“Ich habe eine Cousine in Boston” holt Javier aus. “Die Batistas sind an der Ostküste unterrepräsentiert. Sie freut sich sicherlich über deine Hilfe.” Javier schickt ihr per Airdrop einen Kontakt der vor ihr aufblinkt.
“Sag Vacaciones, er mag diese Schlacht gewinnen, aber ich gewinne den Krieg.”
Jazz wendet sich ab und geht zurück zur Tür. Bevor sie die Klinke runterdrückt atmet sie nochmal tief ein. “Ich entscheide mich nicht für dich oder ihn. Ich entscheide mich für mich.” Sie drückt die Klinke und öffnet die Tür.
“Verlass die Insel bitte noch heute. Lege das gleiche Vacaciones nah. Morgen wird ein toter blonder Elf im Hafen treiben damit die Familie Vacaciones in Ruhe lässt. Wenn die Familie erfährt, dass ich dich nach Boston versetze werden sie dir nicht freundlich gesinnt sein, auch wenn sie gegen dich sind. Fang an zu packen.”
Jazz dreht sich in der geöffneten Tür um, lächelt ihn an und nickt. Während sie die Villa verlässt wird ihr klar wie verschoben ihre Welt ist, dass sie sich freut, das Javier jemanden umbringen lässt, damit Holliday heil hier weg kommt. Dann schnappt sie sich ihr Komlink und macht ein paar Anrufe.
Havanna Hafenbucht - früher Nachmittag:
Holliday eilt den Steg zurück zur Tibidabo entlang. Jazz Nachricht war merkwürdig kryptisch gewesen. Er versucht sich momentan täglich mit Mina zu treffen bevor er abreist und jetzt hat Jazz ihm geschrieben er solle schnellstmöglich sein Zeug abholen.
Als er sich nähert sieht er wie Trollobert und Albinork grade einen großen Kasten unter Deck tragen. Auf der Brücke sieht er wie Jazz ein paar Dinge in einen Koffer oder Schränke stopft und nebenbei eine große AR Weltkarte geöffnet hat vor der sie immer wieder kurz inne hält.
„Was treibst du denn hier?“ - “Ich gehe.” - “Was?” - “Ich gehe. Jetzt. Naja gleich. Ich muss noch packen. Und die Tibidabo ist nicht ausgelegt um auf ihr wirklich zu wohnen. Sie braucht eine Waschmaschine, eine neue Küche…” Sie rauft sich die Haare und schnappt sich ihr Komlink das auf der Kommandobrücke liegt. “Ich werde auch noch jemanden anrufen, der das Bad, die Dusche vor allem, überarbeitet.”
Holliday sieht sie verunsichert an und blickt sich erneut im Raum um.
“Du gehst einfach so? Ohne nochmal mit mir zu reden?”
“Was genau gibt es denn zu reden?” Sie öffnet eine Mail und setzt dann einen Haken auf der AR Karte. “Du hast doch auf dem Forum geschrieben du verlegst die Fortune Hunter nach Miami und setzt dann nach Boston über. Ich werde reisen. Grade kam meine Durchfahrtserlaubnis für den Panama-Kanal. Eine für den Suez-Kanal habe ich auch schon.”
Sie zoomt auf der Karte heran. “Vietnam, Australien, Neuseeland, Madagaskar, Peru, Afrika, Europa, auf jeden Fall eine Zeit bei meiner Familie in Barcelona, Skandinavien… Ich hab viel vor in den nächsten Monaten.” Sie lächelt ihn an. “Genau das hab ich mir immer gewünscht. Frei zu sein hinzugehen wo auch immer ich will. Ricky ist in seiner Schule glücklich und die nächsten Monate kann ich gestalten wie ich möchte. Zwar mit ein paar wie Weazel sagte ‘furchtbar quäkenden’ Papageienküken, aber einen Tod muss man wohl sterben. Warum guckst du denn so?”
Holliday blickte sie weiter mit einer Mischung aus Überraschung und bitterer Traurigkeit an.
“Ich… Ich dachte irgendwie du kommst mit nach Boston. Du meintest du denkst drüber nach und dann wolltest du mit Sunny über Jobs reden.” Er streicht sich durch die wuscheligen blonden Haare.
“Das habe ich auch. Wir haben da ein paar Möglichkeiten. Ich könnte in ihrem Sozialcentre Drogensüchtigen helfen oder mich wirklich bei John Seed einschleusen aber… Als du meintest ich könnte mit nach Boston kommen klang das für mich eher nach einem ‘Hey Jazz, tut mir leid dass dein Typ dich abserviert hat, aber hey hier nimm mein Angebot um dich aufzumuntern.’ und danach hast du nicht mehr mit mir drüber geredet. Da dachte ich das Thema war vom Tisch.” Verstohlen blickt Jazz auf ihre Hände und durch den unordentlichen Raum in dem tausende Sachen noch erledigt werden mussten.
Holliday schüttelt zögerlich den Kopf, macht einen Schritt näher auf sie zu und bleibt dann aber mitten im Raum stehen.
“Nein so war das nicht gemeint… Es war eher ein: ‘Hey Jazz der Typ ist ein gewaltiger Idiot wenn er dich nicht mitnimmt. Wenn er zu blöd ist zu erkennen dass glückliche Frauen langweilig sind ist das sein Pech. Bitte komm stattdessen mit mir.” Er stockt. Sieht sie an. Versucht ihre Reaktion zu lesen.
Von draußen auf Deck hört man ein leises entzücktes Geräusch und eine tiefe Stimme mit “Sei leise du Idiot. Sie hören uns noch.”
Holliday und Jazz fahren in Richtung der Stimmen herum und sehen wie Trollobert und Albinork verstohlen durch ein Fenster der Tibidabo spähen.
„Hast du ein Studiopublikum eingeladen?“
Jazz dreht sich um und schließt die Jalousien und aktiviert an der Kommandobrücke ein White Noise Gerät, dass die Führungskabine abschirmt.
“Boston bleibt das Ziel. Irgendwann. September oder Dezember oder so… Je nachdem wann mir das Reisen stinkt und ich wieder an einem festen Ort sein will.”
Holliday nickt und wirkt als würde er erneut kurz inne halten und über etwas nachdenken.
Er wendet sich ab. “Also dann… bis in Boston ja?”
“Genau. Man sieht sich immer vier Mal im leben.” Sie zwinkert ihm zu und lächelt mit etwas Wehmut auf der Brust als er den Arm hebt. “Ich hol noch kurz unten meine Sachen und dann will ich nicht weiter stören.” Er wendet sich ab und verlässt die Kabine der Tibidabo.