[Die Fiction spielt ca. 2-3 Wochen nach den Ereignissen in NOLA]
“Läufer auf C4” dröhnt es aus Sunnys In Ear Kopfhörern.
Sie seufzt und drückt die Frontkamera des Komlinks gegen die Fensterscheibe.
“So, da schau alter Mann. Regen. Toll oder?” Sunny wischt sich ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht und blickt aus dem Fenster.
Außerhalb der astralen Kuppel welche sich über ihr Grundstück erstreckt, bietet sich ein atemberaubender Blick über den Seattler Sprawl welcher gerade wie meistens in dicke Wolken verhangen daliegt.
“Ben, wenn du schon wieder Schäfermatt versuchst wird das ganze so langsam etwas eintönig. Ich dachte dein Bunkerknecht hätte dir Dateien mit ausgefeilteren Spielzügen vorbei gebracht…”
“Dass du echt in ner verkackten Kuppel wohnst. Ist das nicht wie in ner Schneekugel?”
“Im Winter besorgt Regi manchmal ne Schneemaschine… Dann schon.”
Ben lacht und schüttelt verwundert den Kopf.
“Du wohnst also in einem Prinzessinnen-Zimmer in einer Schneekugel.”
“Ja… meine eigene Wohnung wird im Herbst vermutlich ein bisschen weniger pink. Wobei dieses blöde soziale Jahr dass das MIT&T will mir da vielleicht auch nen Strich durch die Rechnung macht und ich länger in Seattle bleibe als mir lieb ist.”
“Keine Lust mehr auf Daddys Elfenbeinturm?.”
“Bauer auf F7. Ach es wird eintönig. Ein Tapetenwechsel würde mir vermutlich gefallen. Neue Leute und so. Ich würd dir ja übrigens auch noch mehr vom Haus zeigen, aber…”
“… dann wären wir ja 3 Tagesritte lang unterwegs.” sagt Ben trocken und nippt an einem Glas mit Bourbon.
Im Hintergrund springt gerade Amadeus auf ein großes pinkes Katzenkissen mit goldener Einfassung und lässt ein lang gezogenes und herablassendes “maaaau.” von sich, bevor er sich einkringelt.
“Sunny bleib ganz ruhig, aber ich glaube eine fleischfressende Critterwolke ist grade hinter dir gelandet.” auf dem Facetime Display versucht Ben angestrengt an Sunny vorbei und hinter sie zu gucken.
Sie rutscht zur Seite und gibt den Blick auf eine gewaltige gebürstete und glänzende Perserkatze in reinstem weiß frei.
“Nein das ist Amadeus Chopin der 3.” sagt Sunny und deutet auf das schlafende Tier.
“Wat.” hustet Ben heraus, der sich wohl grade am nächsten Schluck Whisky verschluckt hatte.
“Er ist eine Perserkatze Ben. So überheblich wie er aussieht und leider verhältnismäßig rassistisch für eine Katze, aber geht auf Insta mega durch die Decke und ich weiß mehr über seine Herkunft als du vermutlich bei der Hälfte deiner Liebschaften.”
“Irgendwie dachte ich du wärst eher der Chihuahua Typ. Mit nem blonden Zwerghund in der Handtasche oder so.”
“Nein es war schwer genug den Schutzhunden auf dem Gelände beizubringen die Kinder der Gärtner in Ruhe zu lassen, dann hole ich mir keinen winzigen Hund der frei im Garten umher rennt. Amadeus bleibt einfach drinnen, hat wohl Angst sich im Garten dreckig zu machen.”
“Dame auf D5. Deine Rassistenkatze leckt sich übrigens grade den Arsch.”
“Ben, Matt in 3 Zügen. Ja, keiner von uns ist vollkommen oder?”
Man sieht Ben an dass er nicht schon wieder gegen Sunny verlieren möchte, so langsam fängt die Elfe an großkotzig zu werden.
Dann öffnet sich sein Gesicht wieder etwas und er kratzt sich am langsam länger werdenden Bunker-Bart.
“Sag mal, wieso eigentlich ‘Sunny’? Und wieso fängt jemand mit importierter kanadischer Luft an auf illegale Runs zu gehen?”
“Ach das ist ne lange Geschichte.” sagt Sunny und nimmt kurz an der Tür einen Chai Tee Latte an, den sie beim Personal geordert hatte.
Ben zieht derweil mit den Zähnen einen Korken aus einer weiteren Flasche Bourbon und meint nuschelnd: “Also ich hab Zeit.”
Sunny wirft sich bäuchlings mittig auf ihr riesiges Himmelbett mit weißem Holz und rosa Vorhängen und atmet tief ein.
“Also das war so… Ich bin auf einer Highschool mit lauter anderen aus ähnlichen familiären Situationen…”
“Oh Gott.”
“Ja, der Schuppen ist recht mamorlastig… Und da hingen wir so in der Pause beim Football Feld ab und Tobi meinte dann ihm wär langweilig und er hätte viel Karl Kombatmage geguckt und so schwer könne das ja gar nicht sein und da ließe sich ja gut ein Wettbewerb drüber machen. Traurige Sache mit Tobi, Nicolay hat ein paar Monate später auf unserem 2. gemeinsamen Job seine Leiche aus dem Hafen gezogen, hatte sich mit den Yakuza angelegt. Wir haben jetzt ne Sporthalle nach ihm benannt.”
“Aha. Karl Kombatmage?”
“Oh war der Fernseher noch nicht erfunden als du jung warst? Das ist ne kitschige Serie über Karl, der Runner wird und alle kaputt zaubert. Ist aus den ADL.
Und naja dann haben alle wie üblich rumgestichelt wer der beste wäre und dann haben wir uns ein Punktesystem ausgedacht und meine beste Freundin Jessica - ihrem Vater gehören diese Codsworth Haushaltsroboter - meinte sie besorgt uns beiden nen Job. Downtown bei Soybucks haben wir die Johnson dann getroffen. War ne ätzende Femi-Nazi-Tante. Redete die ganze Zeit von irgendwelchen ‘Häsinnen’ die wir befreien mussten. Aus nem kleinen Evo Labor im Kon-Distrikt.”
“Du warst bei deinem ersten Job mit ner anderen nicht-Runnerin bei Evo?!”
“Naja ich hab mich vorher schon etwas erkundigt wie Sicherheitssysteme so aufgebaut sind, wie da hacken am besten klappt und so. Und ich hatte Lagepläne von dem gesamten Büro.”
“Wo hattest du die denn her?”
Sunny zögert einen Moment und nippt an ihrem Chai Tee Latte und streicht sich eine weißblonde Strähne aus dem Gesicht.
“Ein weiser alter Mann meinte mal man solle seine Quellen nicht offen vor sich her tragen.”
Ben lacht und Sunny beruhigt sich dass Ben sich kurz auf das gemeinsame Schachspiel zu konzentrieren scheint. ‘Ich bin bei Pappi ins Büro eingebrochen und hab alles geklaut was ich finden konnte’ wäre nicht die chicste Antwort gewesen und alles muss Ben ja nicht wissen.
“Die Johnson hatte uns ne Nummer von nem Käfig gegeben und wir haben dank Jessicas Ex, der Pfandleiher im Kon-Distrikt ist, rausgefunden in welchem Stock die Tiere aufbewahrt werden.
Dafür musste ich dem ein Steak kaufen gehen und bin blöderweise in die Menschenfleisch-Metzgerei einer Ghul-Gang reingelaufen, die uns töten wollten, blöde Geschichte sag ich dir.”
Ben setzt an um etwas zu sagen, aber Sunny plappert munter weiter, gefesselt in ihrem Redefluss.
“Naja und dann sind wir nachts hin und am Gebäude hochgeklettert, für irgendwas müssen sich Ballett- und Cheerleaderstunden ja gelohnt haben. Dann sind wir da drin rumgeschlichen und haben uns durchgehackt und manövriert. Blöderweise hatte Jessica vorher ihre Diät nicht gut durchgehalten und eine Druckplatte am Boden betätigt die an einen Alarm gekoppelt war. Von da an mussten wir uns etwas beeilen aber Nachforschungen hatten ergeben dass vor Ort nachts keine Security ist, und die gut 17 Minuten brauchen bis sie da sind. Jessi und ich haben beide braune Haare deshalb konnten wir uns gut aufteilen und hoffen die Security denkt nur eine ist da. Mit den Kameras und so hätte das passen müssen.”
“Tut mir ja leid dir das sagen zu müssen aber du hast keine braunen Haare.”
“Jetzt. Bei meinem ersten Run mit dem großen Russen mussten wir durch so Chemie Zeug tauchen, das meine Haare stark gebleicht hat. Danach waren die mega im Eimer. Das Meisterwerk auf meinem Kopf ist 4 Monate arbeit von 3 unterschiedlichen Friseuren.
Wir sind dann durch das Gebäude durch und kamen an nem kleinen Büro vorbei, da lag ein wild blinkendes Komlink mir Runnernachrichten drauf die an eine ‘Sunny’ adressiert waren. So ein gut gesichertes Komlink hatte ich noch nie gesehen und da hab ichs eingesteckt.”
“Du hast das Komlink einer fremden Runnerin eingesteckt?!”
“Naja wo glaubst du denn hab ich meine Runnerjobs her? Bis jetzt hat sie es sich zumindest nicht zurück geholt.”
“Du weißt schon, dass das auf mehreren Ebenen eine super dumme Idee ist oder?” Ben steckt sich eine Hand voll SoyChips in den Mund und kaut laut hörbar.
“Naja ich hab die nötige Kompetenz, dass nicht zurückverfolgbar ist wo das Teil ist und einige Kontakte sind nun gesperrt. Bis jetzt läufts gut.
Naja und dann kamen wir in den Teil mit den Tierchen. Woran genau geforscht wurde haben wir leider nicht genau rausgefunden, wenn ich mich richtig erinnere irgendwas mit Nanobots. Aber das Gehege mit der Nummer von der Johnson war leer. Dran stand nur was von Wolpertinger. Ein Kaninchen mit Geweih dass sich nur schönen jungen Frauen offenbart. Wir sind also näher ran, da ploppt das Teil direkt vor der Scheibe auf, bisschen psycho. Aber wir haben das nachdem ich das Schloss aufgehackt habe dann eingepackt und wir sind über die Feuertreppe weg weil grade die Sicherheitsmänner im Aufzug standen. Mit Jessis knallgrünen Porsche auf zum Parkplatz zur Übergabe. Und was macht das blöde Karnickel als diese unfreundliche Femi-Nazi-Tante vor ihm steht? Sich unsichtbar! Die Trulla hat uns dann natürlich nicht geglaubt dass das Teil da wirklich drin ist. Also gabs kein Geld und deshalb auch kaum Punkte fürs Spiel.”
Ben wälzt sich vor lachen auf dem alten abgewetzten Bunkersofa.
“Ja war kacke. Das Kaninchen wohnt immer noch bei Jessica, ihre Eltern denken ein Lover hätte es ihr geschenkt. Und durch den Verlust angespornt haben wir eben weiter gemacht. Der nächste Run war dann schon mit Nicolay und durch die feste Gruppe bin ich eben immer mitgegangen wenns was zu tun gab. Man baut ja auch Top-Connections in der Stadt auf, ich meine, ich war sogar schon in der Wohnung des örtlichen Yakuza-Anführers.” Sunny dreht sich auf den Rücken und starrt an die Decke des Himmelbetts.
“Und warum bringt man sich freiwillig in Lebensgefahr wenn man auch einfach am Wochenende in Muttis Rosengarten spazieren gehen kann?”
“Naja, wie du vielleicht siehst, sitz ich hier allein in der mega Villa. Freunde beschäftigt mit irgendwelchen super langweiligen Lappalien, meine Mutter ist super nervig und meinen Vater seh ich vllt das nächste Mal zu Thanksgiving. Mit dem runnen hab ich das Gefühl irgendwas bewirken zu können, das sinnvoller ist als einfach bei irgendwelchen blöden Charity Events Hände zu schütteln. Und ich schule Fähigkeiten die mir später bei meiner Karriere vielleicht etwas aushelfen, ein langweiliges Konzernleben kann ich mir sowieso nicht vorstellen. Und als geliebte Community Mutti wie meine Mutter? Da krieche ich lieber durch den Dreck im Orkuntergrund und hab das Gefühl was zu bewirken.”
Sunny dreht sich wieder auf den Bauch und betrachtet das Schachspiel.
“Schachmatt.” sagt Ben, zieht provozierend die Brauen hoch und nippt an seinem Whisky.
“Okay. Du hast mich einfach nur nach mir gefragt um mich abzulenken hm? Hätte mich auch gewundert wenn du mal interesse an was anderem als Bourbon und Poker zeigst.”
“Ach jetzt hab dich nicht so. Revanche am Wochenende? Und vergiss nicht für das Vorsprechen beim MIT&T zu lernen!”
Sunny rollt mit den Augen. “Selbe Zeit, selber Ort alter Mann, dann erzähl ich dir die Geschichte wie ein anderer Runner sich auf einer Mafia Party als mein Onkel ausgegeben hat und meiner High School Erzfeindin mit einem Metall Jo-Jo das Bein gebrochen hat. Lass Tobi am Leben.” sagt sie, winkt nochmal zum Abschied und legt dann auf.