Montag 07. Dezember 2075
Denix war froh, endlich wieder Zuhause zu sein. Sie hatte länger im Haven gewohnt als sie geplant hatte. Die letzten Wochen und vor allem Tage waren nicht einfach. Wieder hatten sie jemanden verloren. Sie konnten Sunnys Vater zwar befreien, aber leider hat Venus dafür einen sehr hohen Preis bezahlen müssen. Denix dachte an Venus und konnte gerade so ihre Tränen unterdrücken. Es würde nicht einfach sein Abschied zu nehmen, sie mochte Venus und sie hatte ihr wirklich oft genug geholfen. Auf der Anderen Seite allerdings war Denix froh, dass es Shadex jetzt besser ging und sie scheinbar keine bleibenden Schäden von der ganzen Sache davon getragen hatte. Die ganze Gehirnwäsche usw. würde zwar wohl Spuren auf ihrer Seele hinterlassen, allerdings hatte sie einen starken Charakter und es war nicht das erste Mal, dass sie Folter erlebt hatte. Bei dem Gedanken an diese Vergangenheit kochte in ihr die Wut hoch, sie konnte es bis heute nicht verstehen. Bei ihren Nachforschungen hatte sie damals so einiges herausgefunden, was sie noch deutlicher in ihrer Entscheidung bestärkt hatte. Sie war allerdings froh, dass sie endlich mit ihrer Schwester geredet hatte und sich ihr zu erkennen gegeben hatte. Natürlich war ihr klar, dass sie ihr nicht sofort in die Arme fallen würde und sie noch Zeit brauchen würde, aber damit konnte Denix leben. In der letzten Zeit hatten sie lange und oft miteinander gesprochen und es war definitiv nicht alle Hoffnung verloren, dass sie irgendwann eine normale Geschwisterbeziehung haben würden. Shadex war zwar vorsichtig und etwas distanziert, aber immerhin stieß sie sie nicht von sich weg wie die meisten anderen. Gerade nach all diesem Mist der passiert war, war dies doch ein großer Schritt nach vorne. Ein weiterer Schritt war es, dass sie eingewilligt hatte bei ihr zu wohnen, das Haus war schließlich groß genug.
Nach einer ausgiebigen Dusche und nachdem sie sich umgezogen hatte, wollte sie endlich auch mal in ihrem Club nach dem Rechten sehen, auch wenn sie gerade von Clubs eigentlich genug hatte, sie brauchte Ablenkung und Normalität. Aber vor allem wollte sie auch endlich wieder Rhage in die Arme schließen, gerade nachdem was passiert war brauchte sie ihn dringend, sie hatte ihm bisher noch nicht einmal erzählen können, was passiert war. Sie hatten sich in den letzten Wochen so gut wie gar nicht gesehen und nur ab und an mal miteinander geredet, was ihr zusätzlich zu schaffen gemacht hatte. Auch die anderen Jungs vermisste sie schmerzlich. Die Vorfreude, die sie verspürte, ließ sie trotz allem lächeln, sie hätte nicht gedacht, dass sie sich in Seattle jemals wieder wohl und Zuhause fühlen würde.
Angekommen im Elysium begrüßte sie erstmal Qhuinn und Blay, die gerade dabei waren beim Verräumen der Lieferung zu helfen: “Na ihr zwei seid ja richtig fleißig.” Als sie ihre Stimme hörten, drehten sie sich sofort zu ihr um. Qhuinn lachte: “Na klar, irgendwer muss hier ja schließlich arbeiten”, kam auf sie zu und zog sie in eine Umarmung: “Wir haben dich echt vermisst.” Dann nahm auch Blay sie in den Arm: “Ohne dich fehlt halt etwas.” Diese Umarmungen taten ihr so gut, sie musste sich zusammenreißen um nicht in Tränen auszubrechen. Sie unterhielten sich noch ein wenig bevor Denix sich zu den Büros aufmachte. Wie erwartet fand sie Rhage in ihrem Büro über einigen Unterlagen brütend. Lächelnd lehnte sie sich in den Türrahmen und beobachtete ihn kurz. “Wie ich sehe braucht ihr mich hier ja gar nicht, da kann ich auch wieder gehen”, witzelte sie kurz. Rhage zuckte kurz erschrocken zusammen, hatte er doch nicht erwartet angesprochen zu werden. Er sah sie an und strahlte. “Untersteh dich irgendwo anders hin zu gehen”, kam er auf sie zu und schlang seine Arme um sie. Glücklich schloß Denix ihre Augen und ein paar Minuten lang atmete sie einfach seinen Duft ein und spürte seinen Herzschlag, alle Anspannung fiel mit einmal von ihr ab. “Ich bin so froh das ich dich habe, ich wüsste nicht was ich tun würde, wenn ich dich auch noch verlieren würde”, flüsterte sie. “Was ist passiert Süße?” Sie setzten sich zusammen auf das Sofa in ihrem Büro und Denix erzählte quälend, was in den letzten Tagen passiert war. Während sie erzählte und ihr die Tränen von den Wangen liefen, hielt er sie fest im Arm und strich beruhigend über ihren Rücken.
Denix hatte sich dazu entschlossen, heute Abend an einer der Bars zu arbeiten. Ab und zu machte es ihr einfach Spaß selbst an vorderster Front zu arbeiten und gerade jetzt war es für sie eine willkommene Ablenkung. Der Bereich, wo sie heute arbeitete, war etwas abseits und ruhiger, dort konnte man sich auch ohne zu schreien unterhalten. Gerade war sie dabei eines der Nachschubfächer wieder aufzufüllen, als sie ein Räuspern vernahm und sich aufrichtete um den vermeintlichen Gast zu bedienen. Klirrend fiel die Flasche mit Wodka, die sie in der Hand hatte, zu Boden.
“Du scheinst es weit gebracht zu haben, Amelia.” Vor ihr standen auf der anderen Seite der Bar niemand geringeres als ihre Eltern.
“Willst du uns denn gar nicht begrüßen?”
“Das Einzige, was ich will, ist dass ihr sofort verschwindet, sonst rufe ich meine Security und lasse euch raus bringen, sucht es euch aus. Ihr seid für mich vor langer Zeit gestorben, mehr habe ich euch nicht zu sagen”, spie sie ihnen abschätzig und kalt zu. Wut kochte in ihr hoch, war ihre Laune bis eben eigentlich wieder gut, so war jetzt jedes kleine Bisschen davon verschwunden.
“Jetzt komm schon, nimmst du uns diese Sache nach all den Jahren noch immer übel? Wir sind deine Eltern”
“Sagt mal was zur Hölle versteht ihr an ‘Ihr seid für mich gestorben’ nicht? Glaubt ihr ich habe mir einen Scherz erlaubt? Ihr habt echt Nerven hier aufzutauchen, aber ich kann mir schon vorstellen worum es euch geht. Da muss ich euch enttäuschen, Tote erhalten von mir kein Geld.”
“Uns geht es nicht um Geld, wir wollten einfach nach all den Jahren unsere geliebte Tochter wieder sehen.”
“Geliebte Tochter? So wie eure andere Tochter? Die, die ihr bereitwillig verkauft habt? Habt ihr überhaupt eine Ahnung, was ihr ihr damit angetan habt, was sie durchgemacht hat? Ihr könnt froh sein, wenn ich ihr nicht verrate, wo sie euch findet. Wenn euch euer Leben lieb ist, dann kommt ihr nie wieder in unsere Nähe. Aurelia hasst euch noch weitaus mehr als ich es tue.”
Hinter ihren Eltern standen nun Qhuinn, Blay und Rhage, welche sie per DNI zu sich gerufen hatte. “Ich würde Sie nun bitten zu gehen, sonst müssen meine Männer Sie leider mit Gewalt vor die Türe setzen.”
Denix’ Mutter drehte sich um und musterte Rhage von oben bis unten. “Du gibst dich also immer noch mit dieser drogenabhängigen Gossenratte ab?” fragte sie abschätzig.
Denix lachte bitter auf: “Diese Gossenratte, wie du ihn so schön nennst, war im Gegensatz zu euch, immer an meiner Seite und für mich da, als es mir mies ging. Er ist der Grund, warum ich überhaupt noch hier bin. Ihr habt kein Recht, ihn auch nur eine Sekunde zu verurteilen, nicht nachdem was ihr getan habt.” An die Männer gewandt: “Schafft sie mir aus den Augen.” Die beiden Securitymänner packten jeweils einen am Oberarm um sie nach draußen zu begleiten. Im Vorbeigehen beugte sich Rhage ganz nahe zu Denix Eltern, sah ihr dabei in die Augen und flüsterte in einem ruhigen aber eiskalten Tonfall: “Sollte ich Sie jemals wieder in der Nähe von Amelia sehn, dann ist Ihnen ihr Tod gewiss. Dafür sorge ich persönlich.”