The Day Before - Holliday

Kleine Insel außerhalb Kubas - 12.4.2076 - 20.00 Uhr

Jazz und Holliday sitzen am Steg einer winzigen, unbesiedelten Privatinsel. Ihre Beine hängen in das warme Wasser der Karibik, neben ihnen steht eine kleine Kühlbox mit Getränken.
“Hast du Angst?” Jazz schaut Holliday etwas besorgt an.
“Vor morgen? Nee… eher nervös. Man spaziert ja nicht jeden Tag bei Aztec rein und mit heißer Ware wieder raus. Heißer Ware, die nichts von ihrem Glück weiß. Aber meine Güte, der Job bringt mir vielleicht mehr als dem Johnson! Ich muss nochmal checken wann wir uns am Flughafen…”
“Er wirkte nicht als würde es dir mehr bringen als ihm.” Sie lacht. “11.30 Uhr. Euer Flug geht um 12, ihr landet 15.03 Uhr in Valencia und fahrt von da mit dem organisierten Sammeltaxi…”

“Meine Güte, du hast deine Hausaufgaben gemacht.” Holliday lacht und plätschert mit der Hand im warmen Wasser herum. “Wo sind wir hier eigentlich? Hierher hast du mich noch nie mitgenommen. Ist ja ekelhaft malerisch hier. Kein einziges Boot am Horizont.”
Jazz grinst ihn an. “Das ist die…” Sie macht eine ausladende Armbewegung “Isla Batista.
Holliday verschluckt sich und hustet kurz etwas.
Sie klopft ihm mit der Cyberhand auf den Rücken. “Ganz ruhig. Er ist beim BBQ, um wichtige Gäste zu seiner Geburtstagsparty einzuladen. Und wie dir schon auffällt, habe ich allen kreuzenden Schiffsverkehr umgeleitet.”
“Sowas kannst du?”
Jazz zuckt mit den Schultern und lächelt ihn an. “Scheint so, hm? Ach ich liebe diese Insel. Ich werde das alles hier wirklich vermissen.” Sie legt sich auf den Steg.
“Du willst die Liga wirklich verlassen?”
“Ich denke schon, ja. Beziehungsweise… wollte ich. Ohne meine Lebensschuld fehlt mir die Grundlage mich von Javier loszusagen. Ich brauche erstmal einen neuen Plan.”
“Wenn ich gewusst hätte…”
“Nein Holliday, das war meine Entscheidung. Javier hat dir sein Wort gegeben, und das soll er halten.”
Holliday streicht sich durch das von salziger Luft gekräuselte Haar. “Danke trotzdem… Ich weiß nicht wie das ganze ausgegangen wäre, wenn du nicht… Na gut, ich weiß es. Wahrscheinlich blutig und mit Explosionen.”

“Ohne mich gäbe es das Problem doch gar nicht Holliday. Ich weiß nicht was mit Javier los ist… Außerdem habe ich keine Lust, dich die nächsten Jahre nur in einem Erdloch zu besuchen.” Sie grinst. “Da ist mir sogar lieber wenn du die Insel einfach wieder verlässt und weitermachst wie bisher und wir uns nicht wiedersehen.” Bei den letzten Worten friert ihr Grinsen sichtbar etwas ein.
“Hmm… “ Er starrt nachdenklich auf die sich dem Horizont zuneigende Sonne.

“Ich hab noch was für dich, was morgen vermutlich praktisch wird!” Sie zieht einen Basiliskenzahn an einem Lederband aus der Tasche ihrer Hotpants. “Eigentlich gehört es ja sowieso dir.” Sie legt die Kette in seiner Hand ab.
“Mein Fokus! Du bist eine furchtbare Elster, Jess.” Er grinst und legt sich die Kette um, schließt die Augen und spürt wie die Energie aus dem Fokus zurück in seinen Körper strömt. Er fühlt sich fitter, wacher und in den ersten Sekunden kribbelt die Haut, die den Fokus berührt, leicht.

“Tja, eine Frau wird ihre Kleptomanenphase wohl nie ganz los.” Sie schmunzelt ihn an und wendet dann den Kopf wieder dem Horizont zu.
Er mustert Jazz von der Seite. Sein Blick verharrt ein paar Sekunden auf ihr. “Du Jess?”
“Was denn?” Sie wendet sich ihm zu, dann leuchtet ihr auf dem Steg liegendes Kommlink auf. Eine Nachricht des Kinderarztes, so viel erkennt Holliday. Sie schaut kurz darauf, legt es aber sofort wieder weg.

“Ach… Falls mir morgen was…”
Jazz legt ihm die Hand auf den Arm.
“Dir wird nichts passieren. Dann wäre ja meine Lebensschuld vollkommen verschwendet. Und dann müsste ich Tower, Weazel und Nayad erstechen. Und ich mag die drei wirklich gern. Also wird dir nichts passieren.” Sie lacht. Ihren Worten liegt aber ein gewisser ernster Nachklang inne.
“Mhm. Mir wäre trotzdem wohler wenn du mitkommen würdest. Du hast ja schon viel Erfahrung mit Blutmagier-Exfiltrationen aus Aztlan.”
“Mir auch… Das ist der erste Job den ich selbst abgesagt habe. Ich bin körperlich nicht in der Verfassung, das muss ich mir eingestehen. Und bei eurem Haufen gutherziger Metas wirft sich dann nur einer vor mich und stirbt.”
“Das… Könnte tatsächlich passieren. Weazel wirkt mir besonders anfällig. Oh, Tower auch!”
“Siehst du? Ruf mich an wenn ihr auf dem Rückweg seid, ja? Ich komme euch abholen.”

Holliday nickt nachdenklich. Er kann gar nicht so genau benennen woran er denkt, tausend Gedanken schießen in ihm umher.
Jazz legt die Arme seitlich um ihn und knuddelt ihn kurz.
“Das wird schon. Du hast gute Leute dabei. Und wer sich aus dem einen Kon rausbomben kann, kann sich bestimmt auch in einen weiteren reinbomben.”

Sie scheint irgendwas auf dem Wasser zu entdecken und springt auf. Holliday schaut sie fragend an: “Was ist los Lassie? Wo ist Timmy in den Brunnen gefallen?”
“Was? Wovon zur Hölle…” Sie seufzt. “Siehst du das nicht?”
Kleine graue Hügel erheben sich springend aus dem Wasser.
“Sind das?” - “Delfine! Es gibt sie nur noch hier! Und so nah an der Isla Batista…”
Sie setzt sich wieder hin und schließt die Augen.
“Ist ja wirklich ekelhaft malerisch. Was tust du da?” Holliday nimmt einen Schluck Bier.

Er zuckt zusammen als direkt vor ihnen aus dem Wasser der Kopf eines Delfins schießt, der den Kopf auf Jazz Schoß ablegt und sich an ihr reibt.
Jazz beginnt den Delfin zu streicheln. “Das ist Flipper. Ja ich war nicht so kreativ. Aber er mag den Namen. Ich bin vor einigen Jahren mal hier her gekommen, da lag er gestrandet an der kleinen Bucht da unten. Ich hab ihn nass gehalten und mit steigender Flut zurück ins Wasser geschubst. Er kann mit mir reden wie Charly.”
Holliday schüttelt den Kopf. “Du redest mit Delfinen. Immer wenn ich denke ich weiß mal alles über dich… Taucht ein Delfin auf deinem Schoß auf.” Holliday streckt zögerlich die Hand nach dem Tier aus. “Na, sie hat dir das Leben gerettet hm? Kenne ich.” Er grinst.

“Tja, ich bin eine Frau mit vielen Geheimnissen.” Sie lacht, dann verfinstert sich ihre Mine.
“Ich gehe morgen mit Luisa Mendoza reden. Das lenkt mich ab solange ich nichts von euch höre. Sonst reiße ich nur die Wände der Tibidabo ein.”

“Bin gespannt was sie zu sagen hat. Hast du was rausgefunden, ob die Gerüchte von diesem DJ.JT stimmen? Wirkt wie ne ziemlich durchgebrannte Nulpe, aber manchmal hatte er recht.” Er tätschelt den glitschigen Kopf des Tieres, und Jazz zuckt mit den Schultern.

“Sind tatsächlich ein paar Leute verschwunden. Und Segel vor der Stadt gesichtet worden. Keine Ahnung, warum die Piraten sie nicht auf Sicht versenkt haben. Morgen weiß ich hoffentlich mehr…. Was macht Mina?”

“Wir waren vor zwei Tagen in einer Tiki-Bar am Boca Ciega in Este. War ihre Mittagspause, sie dreht unter der Hand einen Stimmungsfilm für Horizon. Die sind wohl immernoch stolz auf ihre ausgemusterte Nanosand-Technik. Und mich schimpft sie Verbrecher.” Als Jazz darüber zu lachen beginnt fährt er fort: “Ja, Mina fand das nicht so richtig zum Lachen. Hätte das vielleicht nicht laut sagen sollen.”
“Reden kannst du doch sonst! Woran liegt es, dass du bei deiner Schwester dauernd alles falsch machst?”
“Vielleicht ist Mina meinen Charme langsam satt. Oder sie kann hinter die Kulissen gucken. Sie darf ja seit 33 Jahren mit ansehen, wie er sich entwickelt hat. Und Ist ja nicht so, als wäre sie sonderlich gut auf mich zu sprechen… Ich mache bei ihr alles falsch, weil ich bei Mina nicht viel richtig machen kann. Schon lange… Als Kinder ging es noch, aber seit wir erwachsen sind wirft sie mir vor, dass ich mir herausnehmen würde zu tun und zu lassen was ich will.” Er wirft gedankenverloren einen Stein ins Wasser.

“Naja… du bist Schmuggler, gesuchter Schwerverbrecher, und suchst dir mit deinen Fake-SINs nur wahllos Dinge aus, auf die du Lust hast, Anwalt und so. Mierda Holliday, ich kenne noch nichtmal deinen richtigen Vornamen, und deinen Nachnamen nur weil ich mit deiner Schwester Salsa tanzen gehe!”

Holliday seufzt. “Tut wenig zur Sache. Egal was ich mir ausgesucht habe, es war falsch. Glaube nicht, dass meine Eltern viele meiner Entscheidungen gut fanden. Auch vor der Schwerverbrecher-Sache. Ist bei Mina anders. Sie hat immer alles richtig gemacht, bis ihr das Lob zum Hals raushing und sie das Land gewechselt hat.”

“Ich glaube du hast schon auch viel richtig gemacht Holliday. Du lebst und führst ein Leben dass du magst… Und hey! Du arbeitest nicht mal für den Mörder deines Vaters!” Sie grinst ihn erneut an.
Der Delfin reibt sich noch einmal und zieht sich dann ins Wasser zurück. Es beginnt dunkel zu werden.

“Wir sollten zurück, oder? Ich glaube du solltest so viel schlafen wie Yong und die Zobop dich lassen.” Jazz rappelt sich auf und streicht über ihre etwas nass gewordene Hose.
“Also gar nicht?”, lacht Holliday. “Naja, eigentlich schläft Yong gerne und gut. Vielleicht geb ich ihm den Rest des Abends das Steuer, dann gibt er in Aztlan etwas Ruhe… In meiner Crew herrscht ganz schön Weltuntergangsstimmung, obwohl ein Blutmagier wahrscheinlich mit meine beste Chance ist, wieder ich zu sein. Ich glaube ich bleibe heute im Hub. Für irgendwas haben wir schließlich diese Herbergen ausgeräumt. Setzt du mich da ab?”

“Ich glaub du solltest nicht alleine mit diesen Militärtypen sein. Die sind immer so grimmig. Wir legen die Tibidabo irgendwo vor die Stadt, bestellen uns per Wassertaxi eine Pizza und schauen… irgendwas. Mir tuts auch gut nicht so allein zu sein.”
“Nur wenn du versprichst, mich mit einem Schlag ins Gesicht ins Bett zu schicken.”

Jazz hält ihm den Cyberarm hin und hilft ihm auf. Sie begeben sich über ein Stück Strand zurück zur Tibidabo. Jazz pfeift und Antonì und Antonia flattern zurück an Bord.

Holliday schnuppert. “Riechst du immer noch nach diesem Vanille-Zeug?”
“Riecht auf jeden Fall besser als dieses Conditioner Gordon Kinderhaarwaschmittel das du benutzt.”
“Das ist dermatologisch getestet!”

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Heh. Gute Jazz!

Ahh wieder so eine schöne feels fiction! :heart_eyes:

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Ja wird hier langsam bisschen weichgespült :smiley: Mittwoch in meiner gibts zum Glück wieder bisschen Geschrei :smiley:

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