Telefonat nach Hogwarts - Jazz & Holliday

30.4.2076 - Nachmittag - Hafen Habana Vieja - Fortune Hunter - Kapitäns-Kajüte

Tuuut Tuuut Tuuut

Jazz zuckt kurz vom aus dem Komlink klingenden Durchwahl-Geräusch auf, schnappt sich schnell auf Hollidays Schreibtisch liegende Kopfhörer und koppelt sie mit dem Gerät.

In die geräumige Kapitänskajüte der Fortune Hunter fällt durch die halb heruntergelassene Abdunklung sanftes Licht der langsam herab sinkenden wolkenverhangenen Sonne. Leise spielt auf einem Fernseher beim Bett eine alte Karl Kombatmage Folge.

Sie dreht vorsichtig den Kopf und sieht wie Holliday glücklicherweise ruhig weiterschläft. Neben ihm auf einem Nachttisch steht immer noch ein Burrito von dem er wieder nur ein paar Bissen geschafft hatte, bevor er weiterschlafen wollte.

Jazz fährt sich über die tiefe Wunde die das Schwert vom Gegner letzte Nacht in ihrem Schenkel hinterlassen hat und geht leise, etwas humpelnd in einen durch eine halbhohe Wand abgetrennten Bereich in dem ein kleines Sofa, ein Sofatisch und die Minibar steht. So hat sie Holliday weiter im Blick, aber stört ihn nicht.

Der Komlink signalisiert durch ein etwas anderes Piepen, dass der Anruf entgegengenommen wurde und öffnet die Frontkamera.

“Hola Papì!” Jazz lächelt. Und sieht nichts.
“Hola Jessi.” sagt die Kinderstimme von Ricardo, verzerrt durch ein paar Störgeräusche.
Jazz geht näher an eines der großen Fenster.
“Ricky mach doch die Kamera an! Ich will dich sehen! Ich hab dich so vermisst.” Sie lächelt erwartungsvoll doch erwidert bekommt sie nur ein leises seufzen.
Vor ihr ploppt das Bild von Ricardo auf. Er steht in einem kleinen Zimmer in dem sehr offensichtlich 3 kleine Jungs leben. Die Wände gepflastert mit AR-Postern von großen Sportlern und populären Magiern der UCAS.
“Ich wollte eigentlich grade mit den anderen spielen gehen Jess.”
“Wir machen schnell. Wie gefällt es dir denn Ricky? War Ben nett zu dir?”
“Ben war meeeega! Wenn ich hier fertig bin werde ich sein persönlicher Schüler! Er hat mir versprochen, dass ich dann nach Seattle ziehen kann und ganz viel von ihm lernen kann! Aber hier ist auch alles toll! Ich hab ganz viele andere Kinder zum spielen und alle können Zaubern! Manche können sogar die Wände hochlaufen! Wie Vaca! Ist das nicht cool?” Der kleine Junge sprudelt über vor Begeisterung.

Jazz öffnet im Hintergrund eine Notizen-App und notiert Ben Kendall auf Hochzeit den Hals umdrehen.

Ricardo plappert weiter munter über seinen Stundenplan, andere Kinder, Lehrer, erwachte Critter und Pflanzen die mit im Internat leben. Im Hintergrund hängt an der Tür des Kinderzimmers ein Poster der Draco Foundation: ‘Forming young responsible magicians.’

“Einer der Lehrer ist sogar ein Drake Jess! Und einer meinte er war mal Blutmagier bei Aztech-irgendwas und dass das ganz schlimm war und man da nie hin sollte! Und dann hab ich erzählt dass du ganz oft Magiern hilfst da weg zu kommen! Ich hab ihnen aber nicht deinen Namen gesagt, das musste ich Ben versprechen.”
Jazz versucht sich den kurzen Anflug von Panik nicht anmerken zu lassen. Schließlich übergibt sie ihre Blutmagier nicht den Dracos. Die schwachen nutzen sie anscheinend als Lehrer aber die stärkeren sollen häufig beseitigt werden. Ein Schicksal worauf diese nicht unbedingt scharf sind.
Sie nickt eifrig. “Si. Hast du gut gemacht Ricardo. Mich freut dass es dir so gut gefällt.”

“Wie geht es Vaca? Du bist doch auf seinem Boot!”
“Wir haben versucht ihn wieder gesund zu machen Ricky. Das war sehr sehr anstrengend für ihn. Er schläft viel.”
“Wie als ich damals Dschungelfieber hatte?”
Bilder von dem kleinen Ricardo mit Dengue Fieber schießen durch Jazz Kopf. Stechmücken waren damals wirklich eine Plage in dem feuchten Jahr.
“Genau so. Aber dir gehts ja auch wieder gut.”
“Du hast ja seine Kette an!” Ricky zeigt durchs Display auf das Lederband um Jazz Hals.
“Si. Guter Punkt. Das hilft ihm bestimmt. Das gebe ich ihn wieder wenn er das nächste Mal wach ist.”
“Weißt du… Das ist ein magischer Fokus! Genauer genommen ein Kraftfokus! Es gibt ganz viele verschiedene Arten von Foki. Das weiß ich jetzt.”

Hinter dem Jungen öffnet sich die Zimmertür und ein blondes strubbeliges Kind in seinem Alter streckt den Kopf herein.
“Ricky komm, wir gehen Football spielen. Boah ist das deine heiße große Schwester?” Der Junge kommt rein und starrt Jazz im Komlink an.
Ricky guckt das andere Kind böse an.
“Geh ruhig Fußball spielen!”
“Hier spielt man Football, nicht Fußball! Fußball finden hier alle langweilig.” tönt der blonde Junge auf sehr schlechtem spanisch.
Ricky schnappt sich einen herumliegenden Ball. “Sag Vaca bitte: Egal wie schlimm es dir geht, nichts ist schlimmer als Artischocken! Das hat er mir immer gesagt.”
“Mach ich Ricky. Machs gut! Pass auf dich auf! ich vermisse dich. Ich hab dich lieb.”
“Adios Jess!” Der Junge legt auf dem Weg aus dem Zimmer raus auf.

Jazz hört hinter sich das rascheln von leichter Bettwäsche und dreht sich um. Holliday hat sich blinzelnd auf den gesunden Unterarm aufgestützt und guckt sie an.
“War das Ricky?” Er fährt sich verschlafen durch die Haare. Er ist immer noch ein gutes Stück fahler als er sein sollte. Sogar die Vampire von gestern würden neben ihm farbig wirken.

Jazz steht auf und läuft zu einer Tasche neben dem Bett und zieht ein Taschentuch heraus und tupft sich die leicht tränenden Augen ab. Sie nickt und greift dann ein neben Holliday liegendes Kontakt-Thermometer und hält es ihm an die Stirn.
“Immer noch kein Fieber. Sehr gut.” Sie lächelt mit einem kleinen Rest Trauer im Blick und legt ihm eine kleine Blutdruckmanschette um. Sie wartet kurz während das Gerät seinen Job macht.

Holliday mustert Jazz die am ganzen Körper blaue Flecke, genähte Wunden und Verbände aufweist. “Was zur Hölle ist denn mit dir…?” Er denkt kurz nach. “Tower war hier oder? Du warst arbeiten! Was war denn…? Warte ich hab hier irgendwo mein Medi…” Als er versucht sich zur Seite zu lehnen, drückt sie ihn mit wenig Kraft zurück ins Bett.
“Sicher, dass du keine Schmerzmittel willst?” Sie hält eine kleine Ampulle fest.
Er schüttelt so energisch er kann den Kopf und starrt weiter auf das Blutdruckgerät an seinem Arm.
“Geht das eigentlich auch im sexy Krankenschwestern Kostüm?” Holliday grinst schwach.
“Hey, du kannst schon wieder Unsinn reden, es geht aufwärts!”
Das Gerät schickt den Wert automatisch an eine dafür im Netzwerk der Fortune Hunter angelegte Tabelle.
“Wird besser.” Jazz lächelt ihn an und streicht über die Bettwäsche.
“Aber nur seeeehr langsam. Das muss doch irgendwie…” Holliday schüttelt langsam den Kopf.
“Du musst dir Zeit geben Vaca. Ich soll dir ausrichten: Nichts ist schlimmer als Artischocken.”
Über Hollidays blasses Gesicht zieht sich ein lächeln. “Ich vermisse den Kleinen. Der war immer gut drauf.”
Jazz nickt und starrt runter auf ihre Hände. “Ich ihn auch. Aber… Ich glaube er mich nicht. Er ist so happy mit allem. Er hat nicht mal gesagt dass er mich lieb hat.”

Sie geht wieder etwas humpelnd zum Kühlschrank, greift eine Flasche Saft, gießt etwas in einen Becher mit Strohhalm und hält ihn Holliday hin der sich im Bett aufgesetzt hat. Langsam trinkt er ein paar Schlucke und blickt auf den Becher in seiner Hand.
“Klar vermisst er dich. Er wird halt groß. Männer rennen nicht rum und sagen ihrer weirden Adoptiv…Schwester oder so… Dass sie sie lieben. Ich hab meiner Mom mit 19 das erste Mal nachdem ich klein war wieder gesagt dass ich sie lieb hab. Und das weil sie mich beim College abgesetzt hat und meinte, dass sie mich erwürgt wenn ichs nicht sage.” Er grinst. “Minnie hab ichs nie gesagt. Das ist einfach nicht so unser Ding. Er ist jetzt UCASler. Die sind nicht so emotional wie hier.” Er steckt ihr die blasse Zunge raus.

Sie setzt sich neben ihn an dem Bettrand. “Du warst auf dem College? Wie in den amerikanischen Filmen?”
“Jess ich bin… Ich war Kybernetiker. Klar war ich auf dem College. Bei uns lässt man Leute nicht einfach so von jedem Metzger aufschneiden. Da käme ja sowas heraus.” Er zeigt auf ihren nach wie vor schlecht verankerten Cyberarm.

Jazz nickt gedankenverloren. “Ich war nachdem wir umgezogen sind nie wieder in der Schule. Wir konnten uns die Schule hier auf Kuba nicht leisten und so weit ging Javiers Güte dann doch nicht, dass er mich in die Schule schickt. Was ich weiß, weiß ich von Bert oder irgendwelchen Leuten mit oder für die ich arbeite.” Jazz blickt ihn an. Er wirkt als würde ein bisschen erzählen ihm gerade gut tun. “Also was heißt das? Was hast du alles gemacht?”

“Das heißt mehrere Jahre College, dann Uni, dann promovieren und dann gehts erst dran Kindern in kleinen Räumen unter Friseuren verseuchte Tech einzusetzen.”
“Ey mein erster Arm war super. Extra für Kinder und man konnte bunte Magneten dran klicken.” Sie lacht und runzelt dann die Stirn. “Moment… Dann… Bist du eigentlich gar nicht Senior Vacaciones sondern Doktor Vacaciones!”
Er grinst. In seine Augen, die in den letzten Tagen hauptsächlich müde aussehen kehrt ein bisschen Glitzern zurück. “Ja ganz richtig. Eigentlich wäre es Doc Holliday.”
Jazz grinst mit. “Und da sagt Benedict immer Kybernetiker können nichts.”
“Charmanter Typ, die Konkurrenz schlecht zu machen. Ich besteche einfach nur mit Charm, Fahlheit und Todesmut.” Er lacht und greift zögerlich wieder nach dem Burrito auf seinem Nachttisch.
“Also bitte. Du bindest mich an dich indem du über diese Insel stolperst wie ein lebensmüder Lemming auf der Suche nach der nächsten Klippe.” Sie rutscht mit dem Po mehr aufs Bett und streckt die Füße hoch.
“Na und? Bist du hier oder nicht? Funktioniert also.” Tatsächlich entfährt ihm ein Lachen und er beißt beherzt in den Burrito. Wenn es ihm hilft sich überlegen zu fühlen um wieder zu Kräften zu kommen sollte das Jazz erstmal recht sein. Sie nimmt an er kann sich denken wer ihr die Verbände angelegt hat.

“So gut, dass ich noch zwei Überraschungen besorgt habe bevor ich angeschossen her getorkelt bin!” Sie greift erneut in die Tasche die neben dem Bett und zieht eine kleine Plastiktüte heraus. Sie ist knallbunt und in dicken Lettern steht darauf “¡Vitaminas Dino! ¡Un fortalecimiento de un país antes de nuestro tiempo!”. Sie legt sie auf Hollidays Oberschenkeln ab.
“Was ist das?” Er nimmt die Packung auf und dreht sie in den Händen.
“Dino Vitamine. Die mochte Ricky immer wenn er krank war.” Etwas wehmütig denkt sie zurück.
“Jess das Zeug ist fast nur Synth-Zucker. Uh guck mal ein Triceratops mit Zitronengeschmack!” Er steckt sich eine der kleinen Tabletten in den Mund.
“Ein bisschen Burrito, das Zuckerzeug, Saft. Du wirst wirklich stärker. Wie schläfst du eigentlich?” Zögerlich, aber dann lächelnd tätschelt Jazz ihm über das unter der Decke liegende Bein.

“Gar nicht schlecht muss ich sagen. Vereinzelt schlechte Träume, aber die hat man als Runner immer. Und ich träume erstaunlich oft von dieser Rollschuh-Show von FiFi. Und bei dir? Ich kann dir ja leider nicht mehr helfen.” Er redet von einem kleinen meditativen Ritual, dass die beiden nach FiFis Befreiung gefunden haben damit Jazz wenigstens vereinzelt zur Ruhe kommt.
[Gibts ne kleine unspektakuläre Fiction zu die ich nie hochgeladen hab, Paul kennt sie aber]

“Es geht schon. Da ich 98% der Zeit hier rumhänge komme ich genug zur Ruhe.” Sie lächelt. Da bei Holliday laut FiFi immer noch komische Nebenwirkungen auftreten könnten, war an mehr als Dösen eh nicht zu denken.

“Wie war denn jetzt der Run? Wurde jemand… Ist jemand noch mehr Hackfleisch als du?”
Jazz schüttelt den Kopf. “Ein 13 Jähriger der uns bestohlen hat wollte meine Tatas sehen und ich hatte so wenig Bock zu diskutieren dass ich einfach mitgespielt habe.”
Holliday zieht eine Augenbraue hoch. “Glücklicher Junge. Weißt du ob er Fotos…” Jazz nimmt ein Kissen und wamst es ihm sehr vorsichtig aber bestimmt ins Gesicht. Er lacht.
“Sonst noch etwas?”

Klar Holliday. Natürlich sonst noch etwas. Es gibt immer sonst noch etwas. Der gruselige Vampirkult will über meine Ex an die Zobop. Und Javiers Bruder hängt vermutlich mit drin. Und das ganze Umspannt die ganze Welt. Aber mit dir kann ich nicht drüber reden weil du dann auf springst und dich in Gefahr bringst.
Sie bleibt stumm und lächelt nur etwas gequält. Holliday versteht zum Glück. Oder ist zu erschöpft für weitere Diskurse.
“Lex nennt dich schon DocRöschen. Ich dachte das heitert dich auf.”

Holliday lacht und schüttelt vorsichtig den Kopf.
“Also, was ist meine 2. Überraschung?” Er klatscht leise in die Hände.
Jazz koppelt ihr Komlink mit dem Fernseher und sucht etwas in der Medienbibliothek heraus.
“Ich hab vorhin mit FiFi und Doyle telefoniert und zu deinem Glück hat Doyle auch einen Hang für alte Zeichentrickfilme. Die beiden haben sich verlobt, hast du das mitbekommen? Wir sind alle eingeladen. Wir müssen nur schauen, dass wir dich bis dahin wieder fit kriegen.” Sie öffnet eine kleine Datei namens Toy Story 1.
Holliday runzelt die Stirn “Woher wusstest du…?”
“Du hast Ricky von dem Film erzählt und er hat 3 Wochen genervt, dass er ihn sehen will. Mir Details über andere einzuprägen und im passenden Moment zu nutzen hab ich auf meinem ‘College’ gelernt.” Sie grinst ihn an.

Wie die letzten Tage als sie ansetzen irgendwas zu gucken setzt sich Jazz neben ihm auf die freie Seite des Betts und lehnt mit dem Rücken an die Bootswand und startet den Film. Holliday lächelt glücklich und kuschelt sich wieder etwas mehr ins Bett ein. Es dauert keine fünf Minuten, da schläft er wieder schwer atmend ein und lehnt die Stirn gegen Jazz Hüfte.
Jazz pausiert den Film und betrachtet ihn kurz. Dann streift sie den um ihren Hals hängenden Fokus ab und platziert ihn so dass er auf Hollidays Oberarm aufliegt.
Der Fokus leuchtet bei Kontakt mit Hollidays Haut auf. Und tatsächlich wirkt die Haut unter ihm direkt ein bisschen rosiger. Zeitgleich spürt sie wie sie müder wird. Ihre Kraft sie verlässt und das Atmen schwerer fällt.

Sie starrt auf ihr Komlink auf dem eine Nachricht geöffnet ist:
06:42 Uhr: An Lulu - “Bitte melde dich wenn du Hilfe brauchst. Ich weiß, dass du bedrängt wirst. Jessi.”

Sie presst die Lippen kurz und fest aufeinander.
Jazz öffnet auf dem Fernseher wieder ihre Ärzteserie. Sie hofft, dass bald wieder eine Folge über Kybernetik kommt um ein bisschen besser zu verstehen was das alles bedeutet.
Ihr Komlink vibriert und sie zuckt zusammen.

17.32: “Hola mi amor. Dr. Wright meinte du seist schwer verwundet und meine Jungs meinten sie hätten dich seit einer Weile nicht auf der Tibidabo gesehen. Alles in Ordnung bei dir? Kann ich helfen? Ich hoffe dich bei der Runnerhochzeit in Wrights Begleitung zu sehen. - JB”

Sie denkt kurz nach.

17.33: “Hola Javier, alles gut. Ich bin bei Kiara in Centro. Hier erholt es sich leichter. Ich frage ihn. Jessica.”

17.35: “Oh nimm dir ruhig Zeit für sie! Ich weiß ja dann wo ich dich finde. Bezüglich Miguel habe ich weitere Schritte eingeleitet die wir besprechen müssen. Bis Sonntag! Besos - JB”

Holliday dreht sich im Schlaf grummelnd zur Seite und legt den Arm um ihre Hüfte. Jazz blickt ihn kurz an und seufzt. Dann überweist sie sowohl Javiers Männern am Hafen als auch Kiara einige ihrer angesparten Dublonen und hofft, dass alle dicht halten.

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Ach je :relaxed:

Hätte ich auch gewählt.

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