Shuttleservie nach Hogwarts - Jazz & Ben Kendall

26.3.2076 - Küste vor Florida - 1.37 Uhr

“Hier schau mal. Ich hab dir eine Mango mitgebracht. Ich wusste nicht ob Mango, oder Papaya. Aber Mango mag doch jeder.” Der junge Mann mit wuscheligem schwarzen Haar, wirkt nervös als der sich dem auf dem Boot sitzenden Mädchen nähert. Ihre Augen sind stark verquollen vom weinen der letzten Tage. Ihr Cyberarm schmerzt wegen einer Entzündung. Und ihr Magen knurrt.
Zögerlich nimmt sie die geschnittene Mango entgegen. Den jungen Mann hatte sie schon ein paar Mal gesehen, aber er hat noch nie mit ihr geredet.
Er lächelt vorsichtig. “Du bist Jessica oder? Du musst ja furchtbaren Hunger haben.” Jazz nickt als sie sich gierig ein paar Stücke Mango in den Mund stopft.
“Ich bin Javier. Freut mich dich kennenzulernen Jessica.” Im Hintergrund hört man einige Stimmen rufen, die Jazz damals nicht kannte aber heute als Gefolgsleute der Mafia identifizieren kann. “Hier.” Er reicht Jazz einen Credstick. “Das reicht für ein bisschen Essen. Und mit dem Arm…Melde dich bei Armando in der Calle Caruso, sag Javier Batista schickt dich. In 2 Tagen komme ich wieder ok? Und bitte nichts mehr klauen, ich will nicht dass du Ärger bekommst.” Mit einem sanften lächeln hatte er sich schnell von der Tibidabo entfernt.


Jazz schüttelt den Kopf um die hochgekochte Erinnerung loszuwerden. Die Tibidabo schaukelt sanft auf dem seichten Seegang der Nacht. In der Ferne strahlen die Lichter Miamis ihr entgegen, als sie ein kleines Motorboot entdeckt, die Refugio de jugadores. Das musste es sein. Sie ändert den Kurs, dockt an das Boot an und springt auf das andere Deck.

“Ja, leck mir den Samen und wachse! Benito Kendallio! Ich freue mich so dich zu sehen. Ich schulde dir wirklich was.” Sie umarmt Ben, der entspannt auf dem Deck des kleinen Motorbootes eine alte Serie geschaut hatte.
“Woah, ruhig, ich dachte es ist ein Kind anwesend! Tut gut, mal zu hören, dass mich jemand sehen will.” Er grinst als er Jazz umarmt. “Gut siehst du aus, wenn du nicht frierst!”
“Das Kind schläft. Und gracias! Ich muss ja Holliday nicht mehr die Süßigkeiten wegessen.”

Ben lächelt, dann schaut er sich um. “Also: Zwei Paletten CheezePuffs, 2 Staffeln Greys Anatomy, die Marvel Ultra Deluxe Sammelausgabe mit allen Filmen, Serien und dazugehörigem Akku-Player, eine Flasche Klavierwachs für Trollo, die guten Tuc-Salzcracker…” (Im Hintergrund ist eifriges Zwitschern zu hören.)
“Sag mal fürs Schmuggeln ist doch das Langohr eigentlich zuständig. Hast du ihn gar nicht mitgebracht? Ich hab extra 2 Flaschen seines Conditioners dabei, nicht dass sein Haar platt wird bei der Luftfeuchtigkeit!”

“No. War gar nicht so einfach ihn abzuschütteln. Er wohnt noch bis morgen bei mir. Aber unser Verhältnis ist etwas angespannt… Naja irgendwie auch nicht. Also nur von meiner Seite. Also er weiß nichts davon. Beziehungsweise, ich denke schon er merkt was aber…” Jazz lässt sich auf die Sitzbank auf dem Deck fallen.
“Okay, ich dachte ich bin hier um dein Kind nach Hogwarts zu schaffen, aber dann hör ich mir eben auch noch deine Lebensgeschichte an.” Er nimmt einen Schluck aus einer umherstehenden Whisky Flasche.

Da Ricardo sowieso schläft, beginnt Jazz auszuholen. Über ihre Freundschaft mit Javier, wie sich Holliday in dieses Bild eingefügt hat, die Zeit die sie mit Holliday in der Red Street verbracht hat und schlussendlich die neuen Konflikte.
Dass Javier Holliday von der Insel geschmissen hat, weil er Jazz zu nahe kam und Javiers Argumente, Holliday würde Jazz nur als praktische Informationsquelle nutzen.

“Jetzt weiß ich nicht mehr was ich noch glauben soll.” Jazz starrt vor sich auf das Trideo mit Bens Serie, die noch läuft. Über das Bild huscht eine Elfe sie sehr an Sunny erinnert, aber dafür ist die Serie zu alt.

“Also, zuallererst: Das ist das langweiligste Finale der Bachelorette, von dem ich je gehört habe, und das obwohl die Teilnehmer ein erfahrener Shadowrunner und der lokale Capo der Mafia sind. Und ich reise im Moment viel zwischen Broker und Sunny hin und her und kenne daher einige.”

Jazz lächelt geknickt, als Ben weiterspricht:
“Weißt du Jazz, Freundschaften in den Schatten sind nicht leicht. Immer wenn du denkst, du kennst jemanden und kannst ihm vertrauen, wird er entweder erschossen, oder gerät an einen Deal, durch den er jemanden erschießt, der dir nahe steht. Oder sie, natürlich. Die Meisten von uns geraten früher oder später an einen schlechten Job, der alles ändert. Ein Job für die falschen Leute, oder gegen die falschen Leute, oder mit den falschen Leuten. Aber ein Job ist eben das, und manchmal kann man ihn sich nicht aussuchen. Oder denkst du, Shadex und Lex sind super wild drauf, mit einer Fußfessel für Javier zu arbeiten?”

“Worauf willst du hinaus, Vaquero?”

“Das Leben in den Schatten ist ein Leben voller Kompromisse, und man muss versuchen, das Beste draus zu machen. Und wenn die Jobs schon oft nicht die Besten sind, dann zählt das, was wir dazwischen tun. Die Freunde die unseren echten Namen kennen, die Art wie wir unsere Paydata weiterverwerten, die Leute mit denen wir arbeiten wenn uns niemand bezahlt.”
“Ich kenne seinen echten Namen nicht. Selbst seine Schwester hält dicht.”

“Ach Jazz, du weißt was ich meine. Du kennst ihn. Er wohnt seit einem Monat auf deinem Boot, hört dir zu, kümmert sich um das Kind. Ich habe genug Arschlöcher da draußen gesehen, die den Kleinen nur so lange beachtet hätten, wie er ihnen hilft in dein Höschen zu kommen! Insbesondere, wenn das letzte Treffen mit einem Kuss endete!”

Jazz’ Augen werden groß, und sie hebt den Kopf.

“Yepp, er erinnert sich, wie du ihn beim StreetDoc geküsst hast, nachdem er Butch den Arm abgeschossen hat. Er lag ja nicht im Koma, auch wenn du es danach versucht hast. Und ich kann dir eins sagen: Wenn ein Mann nicht aufrichtig an dieser Freundschaft interessiert wäre, sondern dich nur ausnutzen wollte, würde er das gegen dich verwenden.”

“Und wieso will er dann immer mehr Informationen und Hilfe und verwickelt mich in Schießereien mit Piraten?”

“Schätzchen, ich fühle mich jetzt nicht unbedingt als wäre ich hier, weil du Sehnsucht danach hattest, mit mir zu Trinken, sondern weil du etwas von mir willst. Und weißt du was? Hier bin ich, und entführe ein Kind. Weil wir Freunde sind. Hast du gezögert, mich zu fragen, ob ich ein Kind entführen will? Nein. Und zwar weil du genau weißt, dass wir Freunde sind und dass ich keinen sehr starken moralischen Kompass habe!” Ben grinst und rückt seinen Cowboyhut zurecht.

Jazz nickt langsam.
“Hilft dir das irgendwie?”
Jazz zuckt mit den Schultern.

“Ok. Wenn dir alles zu viel wird, nimm ne Auszeit. Schnapp dir dieses Boot-Ding und mach Urlaub. Dagegen kann der Mafiaboss ja wohl nichts haben. Geh Broker und mich besuchen. Oder Sunny. Oder fahr dahin zurück wo dieses spanisch, dass sich anhört als hättest du einen nassen Lappen im Mund, herkommt und besuch die Familie. Man kommt als Runner auch gut allein klar auf Überfahrt. Ich hätte auch noch einen schlecht bezahlten Job als Barkeeperin. ” Er lacht, hebt die Arme und ein bisschen Glitzer nieselt auf die beiden nieder.

Jazz verzieht das Gesicht. “Wie macht sich Sunny als nicht Runnerin?”
“Langweilt sich zu Tode. Also studiert und hat Stress wie noch was. Aber langweiligen Stress. Lebt allein mit ihrem Butler in einem gewaltigen Townhouse mit einer Armada an Sicherheitspersonal und Selbstschussanlagen, bis das mit Brackhaven…”

“Jess?” Hört man es leise von unter Deck der Tibidabo.
Sie springt auf und läuft unter Deck.


“Javier ‘Ron’ Batista!” - “Javier ‘Bubblegum’ Batista” - “Javier… Ach scheiß doch auf diesen Spitznamen Mist. Du wirst bestimmt auch ohne Spitzname ein großartiger Chef.”
Die beiden Menschen sitzen auf dem Dach der Villa Batista. 2 Tage ist der überraschende Tod von Javiers Vater Raul ‘Sugarcane’ Batista nun her.
Der 23 Jährige Javier reibt sich die Schläfe. “Ich habe keine Ahnung wie ich das schaffen soll Jessica. Noch dazu radikalisiert sich Miguel gerade zusammen mit diesen Männern die Vater gehasst hat.” Lächelnd greift die vor kurzem 17 gewordene Jazz seine Hand und drückt sie. “Du schaffst das. Du brauchst nur ein gutes Team.”
“Weißt du was?” Holt Javier aus. “Ich mache dich als erste Amtshandlung zu meiner rechten Hand! Wir kriegen das schon irgendwie hin! Muss ja.”


Jazz schüttelt erneut den Kopf als sie unter Deck der Tibidabo tritt.
Ricardo sitzt in seinem Bett. “Wir sind da oder?”
Jazz nickt und setzt sich neben ihm aufs Bett. Sie umarmt ihn.
“Du hast verstanden warum wir das machen oder? Ich will nicht das du gehst, aber du bist da sicherer ja?”

Ricardo nickt und lehnt sich gegen ihre Brust. Jazz zieht eine gerahmte Bildercollage aus einer Schublade. Jazz und Ricky beim Babysitten und später zusammen auf der Tibidabo. Auf einem Bild ist er ca. 5 Jahre und er, Jazz und Holliday stehen komplett mit Mehl eingesaut in der Wohnung seiner Mutter.
Er lächelt und schaut kurz auf das Bild und dann zurück zu Jazz.

“Vertrag dich bitte wieder mit Vaca ja Jess? Du bist viel glücklicher und netter wenn er da ist. Ich will nicht das du alleine bist.”
Er holt das kleine rote Modell-Musclecar, das noch auf seinem Nachttisch steht und packt es weg.
Jazz steigen kurz ein paar Tränen in die Augen. Dann steht Ricardo auf.
Jazz packt seine Koffer und geht mit ihm aufs Deck zurück.

“Das ist Ben. Ben passt auf dich auf bis du in deiner neuen Schule bist ja? Ben ich schwöre wenn ihm nur ein Haar…”
“Jajaja. Spar dir die Drohungen mit Mord, Totschlag und Grad 5 Folter. Immer dieses ‘Ich wurde hinten bei den Mülltonnen von Wölfen aufgezogen’-Gehabe. Ihm wird nichts passieren. Hi Ricardo! Weißt du wie man Poker spielt?”
Jazz und Ricky wechseln das Deck, während der Junge eifrig nickt.

“Zeig mal was zu so kannst! Meine Güte, hast du eine astrale Signatur. Da bin ich ja fast blass dagegen.“
Ricky stellt sich lächelnd vor ihn, zieht eine Spielkarte aus seinem Mantel und nimmt sie zwischen zwei Finger. Dann macht er eine schnelle Handbewegung und die Karte verwandelt sich in eine Rose.

Ben lacht. “Und das ganz ohne Lehrer? Du gefällst mir! Vielleicht behalte ich ihn einfach selbst!” Ben klopft ihm auf die Schulter, bis er Jazz bösen Blick bemerkt, und schüttelt dann heftig den Kopf. “Natürlich behalte ich ihn nicht! Ich hab viel auf mich genommen um ihn da hin zu kriegen wo er hin kommt. Vielleicht müssen wir ihm vorher noch ne Eule besorgen. Spaß bei Seite. Du kannst ihn auch besuchen. Nicht sofort, aber irgendwann. Ich schick dir die Daten die nächsten Tage. Und jetzt sollten wir los, unser Flug geht bald.”

“In einem richtigen Flugzeug? Boah!” Die Augen des kleinen Jungen leuchten auf.
“Drück mich nochmal Ricky.” Jazz schließt ihn fest in ihre Arme.
“Pass auf dich auf Jess ok? Und wir telefonieren ja.”
Jazz reibt sich eine Träne aus dem Auge als Ricky ihr seine herbeigezauberte Rose in die Hand drückt. Dann betritt sie wieder das Deck der Tibidabo.
Sie winkt den beiden Männern kurz hinterher.

“Grüß mir das Langohr! Und besorg ihm gefälligst einen Blutmagier!”
“Ich kann auch Titania von dir grüßen!”
“Oh Gott nein, bitte nicht!” Hört sie Ben noch rufen.
Dann dreht sie ab, zurück Richtung Havanna. Mit Verwunderung fallen ihr 2 Kisten auf, die auf dem Deck stehen. „Ben Kendall Gamblers Whisky.“ Die Tibidabo schafft das meiste des Weges dank Autopilot selbst, daher öffnet sie eine Flasche und versinkt wieder in Gedanken.


Javier starrt auf das Dokument, das Jazz ihm zugeschickt hat.
“Wie lange weißt du es schon?”
Jazz sitzt neben ihm im Arbeitszimmer der Villa Batista.
“Circa 6 Jahre denke ich. Ich habs kurz vor der Zeit mit Luisa Mendoza erfahren.”
Sie starrt auf den kleinen Diamantring der vor ihnen auf dem Couchtisch steht.
“Dann wirst du niemals den Namen Batista tragen können.”
“Javier ich weiß gar nicht wie du… Für mich stand das nie zur Debatte. Wir sind doch nicht mal ein Paar.”
“Aber ich hatte mir es immer so ausgemalt.” Sagt er kühl.
“Weißt du was? Ich will dich erstmal nicht sehen. Morgen kommt ein neuer Schmuggler vom Festland hier an. Senior Vacaciones. Der Job bringt ihn erstmal 2 Tage aus der Stadt. Du gehst mit. Und jetzt geh bitte.”

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Dinge, die ich an dieser Fiction mag:

  • ich konnte Mal wieder Ben schreiben
  • sehr schön geschriebene Rückblicke auf Javier und Jazz
  • Ich konnte Mal wieder Ben schreiben :3
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Die Fiction ist so gut geschrieben ich liebe die Rückblicke.
Durch die Fictions habe ich das Gefühl unsere Shadowrunkampange wird zu einer coolen Soap

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So eine schöne Fiction :heart_eyes:

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Dankeschön :blush:

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Yay ich kam endlich zum Lesen! :3 Sehr sehr schön geschrieben, wie immer! :relaxed: Fand die Rückblicke und die Teaser auch super - macht viel Spannung ! :heart_eyes:

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