Rekapitulation - Jazz, Holliday

15.11.2076 - Chelsea
Mara dreht sich kurz vor der Wohnungstür noch einmal um. “Also Daisy ist jetzt unten und wartet, wir sind dann weg!”

Jazz springt vom Sofa auf und schließt die Elfe in die Arme. “Pass auf dich auf ja?”
“Ja klar!” antwortet diese und drückt Jazz kurz und fest.
Jazz lässt sie los und öffnet die Tür. “Ich hab dich lieb. Mach dir einen schönen Tag!”
“Ich dich auch Jazz! Und ihr euch auch! Hoffentlich kommt Mary nicht vorbei!” flötet Mara noch, dann verlässt sie die Wohnung.

Jazz dreht sich um. Ihr Blick fällt auf Holliday der mit hochgezogenen Brauen oben auf der Galerie steht.
Jazz begibt sich zu ihm nach oben. “Was denn? Was guckst du so?”
“Du solltest wirklich aufhören Ricky in sie hinein zu projizieren Jazz. Das tut euch beiden nicht gut.” Der Elf mustert sie.

Seit ihrem Run in dem sie Mara gerettet haben, schien sie regelrecht besessen von der kleinen Elfe. In den ersten Tagen war es besonders schlimm. Mara konnte quasi keinen Schritt gehen, ohne dass Jazz ihr hinterher gerannt war, ihr Essen gemacht oder sich anderweitig gekümmert hatte.

Jazz schüttelt den Kopf. “Ich proji… ich denke nicht sie ist Ricky.”
Holliday streicht ihr behutsam über den Arm. “Es ist total ok Jess. Du hattest Angst um sie. Aber sie ist in Sicherheit. Ihr geht es gut. Sie ist glücklich und eine mündige Erwachsene. Wenn du sie so verhätschelst… Jess, dann ist es viel schwerer für sie wenn wir hier irgendwann rauskommen und unser eigenes Ding machen.”
“Ich denke nicht sie ist Ricky.” Jazz macht eine ausladende Geste mit den Armen.
Holliday legt fragend den Kopf schief und Jazz schnappt sich eine Jacke.
“Komm bitte mit mi amor. Ich kann hier drinnen nicht denken.”

Jazz stürmt auf das Dach. Holliday folgt ihr. Hier oben herrscht immer noch die Verwüstung. Das letzte Mal waren sie hier, als Holliday wegen Dr. Alcoval gewütet hatte.

Jazz lehnt sich an einen der Schächte der Aircondition-Anlage.
Es ist kalt. Sehr kalt. Aber sie steckt die Nase in den Wind. Leicht kann sie den Duft von Küstenwind wahrnehmen, der hier deutlich ätzender riecht als in der Karibik. Aber die leichte Salznote hilft. Sie hört ein paar Möwen, die sich augenscheinlich mal wieder in Ruhe vermehren konnten. Es werden zumindest immer mehr. Und sie sieht den Mystic River sich durch das Land schlängeln. Ein Patrouillen-Boot tuckert fast schon friedlich darüber.

“Jess was ist denn los?” Ihr Blick fällt auf seine Hände, in denen sich 2 Tassen Kaffee befinden. Er sieht sie beruhigend an. Auf den ersten Blick. Wenn man ihn genauer kennt fällt einem die Verunsicherung in seinem Blick auf, die er versucht zu überspielen. Sie atmet tief durch und nimmt ihm eine Tasse ab. Die warme Tasse fühlt sich gut an, in ihren Händen.

“Ich pro-ji…”

“Projizieren.” Wiederholt er ruhig und lächelnd. Er freut sich, dass sie ihr bestes gibt zu lernen. Diese Sprache zu lernen um irgendwann mit wichtigen Kunden sprechen zu können, ohne die Hälfte auf Spanisch zu wiederholen.
“Ich pro-ji-ziere nicht Ricky in sie. Ricky ist da wo er ist sehr glücklich. Solange Ben ihm wirklich gesagt hat, dass ich hier festsitze. Er wird versorgt. Und er hat Freunde.” Sie nimmt einen Schluck Kaffee.
“Aber was denn dann?” Hollidays feine Nasenspitze und die Spitzen seiner Ohren verfärben sich aufgrund der Kälte langsam rötlich. Unter normalen Bedingungen würde sie jetzt lächeln.

“Ich… Mara ist wie ich.” Sie dreht sich um und starrt auf die Stadt. Holliday stützt sich mit dem Oberkörper auf das Rohr an dem sie lehnt auf.
“Was? Mara ist… Trottelig. Und verstrahlt. Und lustig. Sie ist ein… naja, die Sache mit dem Fallbär trifft es ganz gut. Und du bist ein… Afanc? Oder ein Puma? Sowas.” Er mustert von der Seite ihr Gesicht. Ihre grasgrünen Augen scannen die Landschaft. Ihre Creolen-Ohrringe schwingen langsam im Wind.

“Mara ist eine junge unbedarfte Frau, die von einer mächtigen Person festgehalten wird. Nicht eingesperrt-festgehalten. Aber weg kann sie nicht. Und sie mag diese Person aber wirkt manchmal schon als würde sie sich ein bisschen unterdrückt fühlen. Sie steht bei dieser Person in der Schuld. Diese Person ermöglicht ihr ihr Leben wie es ist… Mara ist… wie ich. Wie ich war. Und ich… Ich will… Ich habe immer Metas gebraucht die da mit mir drin hängen. Die mit mir reden, die nicht Javier sind. Die mir helfen zu überdenken was ich da für diese Person tue. Ich hatte immer… Ozzy und Bert und… dich.”
Sie streichelt ihm über die kalte Ohrenspitze und lächelt.
“Und ohne euch wäre ich vermutlich verrückt geworden. Oder deutlich stärker von Javier verdorben. Ich will nur… Dass sie eine Alternative hat wenn sie eine braucht. Und ich mag sie wirklich gern. Sie ist immer irgendwie gut drauf und happy und ja, ich habe gerne etwas worum ich mich kümmern kann. Das hilft mir mal 10 Minuten nicht darüber nachzudenken…” Sie stockt. Sie will Dinge sagen, für die es noch nicht an der Zeit ist. “… dass wir hier eingesperrt sind.” sagt sie stattdessen.
“Das macht… So habe ich da noch nicht drüber nachgedacht. Wie geht es dir damit? Und so generell mit einer Flucht?” Er stockt. “Du wärst lieber auf Kuba hm?”

Jazz stellt sich wieder aufrecht hin. Da sich Holliday recht tief über das Rohr beugen muss kann sie ihm in die Augen sehen. Sie küsst ihn flüchtig. “Ich habe keinen einzigen Tag daran gedacht nach Kuba zurück zu wollen.”

Holliday zieht sie an sich und hebt sie vor sich mit dem Po auf den Schacht, damit er sie einfacher ansehen kann.

Jazz’ Blick schweift über das Dach. Über die eingedellten kleinen Rohre auf der anderen Seite.
Als sie Holliday nach geeilt war; als er erfahren hatte, dass sie Alcoval exfiltireren mussten, hatte sie ihn hier oben gefunden. Schreiend hatte er auf die Rohre eingeschlagen. Kleine Tränen der Wut, der Enttäuschung, aber auch der Angst was ihn da wieder einholte, hatten seine Augen gefüllt.
Holliday folgt ihrem Blick und streicht ihr über den Rücken. “Da bin ich ganz schön ausgerastet hm?”

“Absolut gerechtfertigt.” murmelt Jazz. “Was dieser Typ dir hat antun lassen…” Ihr geistiges Auge fährt die großen und kleinen Narben auf seinem Körper ab. “Als du deinen LongHaul Schlaf hattest… Habe ich 6 Stunden auf dir gelegen und dich umklammert. Um dich irgendwie ruhig zu halten. Du hast im Schlaf von der Folter gesprochen. Und seinen Namen gesagt…”
Holliday nickt. “Ja… Du hast mir vorgesummt. Das habe ich gehört. Und mit mir geredet. Das hat alles einfacher gemacht.” Er drückt seinen Kopf gegen ihr Schlüsselbein. “Du machst immer alles einfacher.”
“Dafür bin ich doch da.” Gedankenverloren krault sie mit ihren Fingernägeln über seinen kalten Nacken.

Plötzlich riecht sie wieder den modrigen Geruch aus dem Keller in Brookline. Sieht Dr. Alcoval wieder an diesen Stuhl gefesselt. Der Mann hatte sich tatsächlich an Holliday erinnert, auch wenn es einige Anläufe gebraucht hatte, die Holliday fast wahnsinnig gemacht haben. Sogar in seinen letzten Momenten hat Alcoval durchgehend versucht sich bestmöglich herauszuwieseln. ‘Ich habe Ihnen doch nur geholfen rauszukommen. Sehen Sie! Ihnen geht es doch gut! Sie sollten mir dankbar sein.

Jazz wusste, dass das ganze ein hoch emotionales Thema war. Sie weiß, dass Holliday in diesem Moment nicht ganz bei sich war. Aber das ‘Du hast mein Leben zerstört, für deinen eigenen Profit und erinnerst dich nicht mal dran Arschloch.’ das er zwischendurch herausgepresst hat… Das kam von Herzen. Als hätte er die ganzen 10 Jahre darauf gewartet ihm genau das sagen zu können.

Seitdem gehen Jazz Gedanken nicht aus dem Kopf: Ist sie genau das? Das Resultat eines zerstörten Lebens? Ein Pflaster um irgendwie einen Riss zu kitten, den er am liebsten nie gehabt hätte?

“Jess?”
Sie schüttelt den Kopf um wieder ins Hier und Jetzt zurück zu kommen.
“Woran hast du gedacht?” Er nimmt einen Schluck aus seiner Kaffeetasse und mustert sie.

“Wieso hast du mir nie erzählt, dass du und Mary verlobt waren? Der Ring war wirklich sehr hübsch.” Sie schaut sich auf die blauer werdenden Fingerspitzen und dreht an dem Ring ihrer Mutter herum, den sie trägt seit sie ein Teenager ist.
Die kleinen roten Steinchen funkeln sogar unter den Wolken.
Ihr Blick fällt auf den verwüsteten Balkon der letzten Nacht.

“Weil wir es nie waren Jess. Naja doch. Für 30 Minuten. Ich hatte den Ring und den Antrag und das Filmteam und ein Fotoshooting… Alles von ihr vorgeplant. Außer der Ring und den fand sie kacke. Total unromantisch und steif und ich hab mich eigentlich ziemlich unwohl gefühlt. Als der Trubel verflogen war, hat sie den Anstand besessen, mir zu sagen, dass sie mich betrogen hat. Dass ihr das zwar nie was bedeutet hat und so… Blabla. Ich hab sie stehen lassen. Ich hätte mich vor mir selbst zu sehr geschämt. Geschweige denn vor Mina… “ Er schlingt seine Lederjacke etwas dichter um seinen Körper. Er denkt kurz nach.

“Jessica. Weißt du was der elementare Unterschied zwischen dir und Mary ist? Das mit Mary… ja ich habe sie geliebt. Zumindest das, was ich damals dafür gehalten habe. Aber sie war immer das… von dem ich einfach dachte, dass man es macht. Dass das Leben eben genauso zu laufen hat. Dass alles in fest vorgelegten Schienen läuft. Aber…”
Er greift die Hand an der sie immer noch den Ring dreht. “Du weißt doch, dass ich all das gar nicht bin. Dieses Getue im Anzug auf irgendwelchen Opernbällen oder steif zu lächeln auf Fotos im Jahrbuch. Ja ich war happy… Aber ich bin mit dir viel mehr Ich selbst. Das sieht natürlich niemand der Witze drüber macht wie perfekt Mary ist. Aber…” Er greift ihre Hand etwas fester “Selbst an unseren schlechtesten Tagen fühle ich mich mit dir freier und mehr wie ich selbst, als an den besten Tagen mit Mary. Wirklich. Das Ganze muss wirklich schwer und kompliziert sein für dich…”

“Ich sehe eben, dass du mit ihr diese ganzen aufgeplusterten Sachen gemacht hast und mit mir… nicht.” Sie kaut unbeholfen auf ihrer unteren Lippe rum.
“Würdest du das denn wollen? So was kitschiges?” Er legt den Kopf schief.
“Vielleicht? So mal zum probieren? Keine Ahnung. Wenn du das nicht magst dann…”
Holliday zieht Jazz an sich und küsst sie. “Es gibt ja demnächst einen Tag an dem man so etwas machen könnte. Ganz unbefangen und gesellschaftlich akzeptiert.”
“Du meinst meinen Geburtstag? Du weißt doch, ich hasse den. Ich hole dieses Jahr Ozzy ein Liam… “ sie seufzt.
“Ich werde nicht aussprechen welcher Tag. Aber es wird bestimmt schön. Ich lasse mir etwas einfallen. Du hast das verdient.”

Jazz lehnt sich erneut nach vorne und küsst ihn sanft. Seine kalte Nasenspitze drückt leicht gegen ihre Wange. Als der Kuss endet legt sie seine Stirn an seine. “Ich liebe dich Liam.” Er grinst. Ihr fällt auf, dass er sie anschaut, aber irgendwie durch sie durch zu schauen scheint. “Was machst du da?”
Sein Blick schwingt auf sie zurück. “Ich schaue mir sehr gerne deine Astralpräsenz an wenn wir uns küssen. Du… Sie wird dann immer etwas greller und leuchtender wenn du aufgeregt bist. Das… Ist sehr schön.”

Sie lacht und schüttelt den Kopf. “Ich beneide dich um dieses direkte Feedback.”
“Du weißt doch… dass…” Er stammelt etwas, wie er es immer tut, wenn er ihr ‘Ich liebe dich’ nicht erwiderte. Sie hatte sich daran gewöhnt.
“Ist ok Liam. Du musst nicht… Ich weiß schon.” Sie lächelt etwas zurückhaltend.
Er nickt. Sie will sich von dem Lüftungsschacht stoßen, aber er hält sie noch fest.

“Jazz? Ich kenne dich schon lange genug… Es gibt noch eine düstere größere Sache über die du nicht reden willst oder?”
Jazz nickt langsam. Alles zu seiner Zeit.
“Okay…Respektiere ich. Aber du kannst immer mit mir über alles reden ja? Sag es mir bitte einfach sobald du dich danach fühlst!” Er streichelt ihr noch einmal über die Wange, dann gibt er ihr den Weg frei.

“Deine Finger werden immer blauer. Wir sollten uns mal in die Sauna kuscheln hm?” Er lächelt sie an. Dann machen die beiden sich wieder auf den Weg nach drinnen.
„Was machen wir jetzt eigentlich mit Marys Verlobungsring?“

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Ist wieder sehr schön geworden! Auch die Anknüpfung an gestern.
Außerdem schön intim und mit Tiefgang, aber nicht kitschig oder abgedroschen :3

Wobei ich ja will dass er ihr endlich sagt dass er sie liebt, aber Lissy hat perfidere Pläne!!!

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Ich will es auch!
Mal gucken wie Lissy es macht. Auf jeden Fall wieder schön geschrieben :blush:

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Dankeschön :relaxed:

Jaaaaa es wird ja langsam Zeit :smiley:

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Immer diese Leute mit Plänen, hehehe. :smirk:

Ahh ich bin froh, dass ich sie mir aufgehoben habe! Super schöne Fiction! Das zeigt so schön ihre Beziehung. Sehr sehr nice! :innocent: :green_heart:

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