[Die Fiction ist kurz nach der Wiedereröffnung vom Jackpoint angesiedelt]
„Hey hey hey, beschissen wird hier nicht.” Denix sah Marcus, einen ihrer Aufpasser, vorwurfsvoll an. Nach den ganzen Wochen hatte sie sich nun doch endlich mit ihnen arrangiert und mittlerweile verstanden sie sich auch ganz gut. Vor allem da sie zwar für Ares arbeiteten, sie aber keine hirnlosen Konzerngetreuen waren. Für sie war es einfach nur ein Job und hier mal etwas Abstand zu bekommen war eine nette Abwechslung für sie. Mittlerweile gehörten die Abende, die sie beim Kartenspielen verbrachten, schon zu einer gewissen Routine. „Wovon redest du? Ich hab doch gar nichts gemacht“, grinste er sie über den Tisch hinweg an. „Das kannst du deiner Großmutter erzählen. Glaubst du wir haben deine Drohne nicht bemerkt?” mischte sich jetzt auch noch Ilya mit ein. „Siehst du, ich bin nicht die Einzige hier, die mitbekommen hat, wie schlecht du im Betrügen bist“, lachte Denix nun und alle um den Tisch versammelten stimmten mit ein. „Schon gut, schon gut, aber ich bin hier definitiv nicht der einzige Betrüger“, verteidigte sich der Mensch nun. „Ja, du bist aber der Einzige, der jedes Mal dabei erwischt wird“, zwinkerte Denix ihm zu
Das alles hatte diese Abgeschiedenheit und ihre Einsamkeit etwas erträglicher gemacht, aber sie vermisste ihre Arbeit und vor allem vermisste sie ihre Freunde. Sie war froh, dass vor ein paar Tagen endlich wieder Leben auf den Jackpoint eingekehrt war und das sie scheinbar eine Spur zu Broker und Joker gefunden hatten. Denix war zwar nicht sonderlich begeistert, dass es ausgerechnet Seattle sein musste. Sie verband eindeutig zu viele schlechte Erinnerungen mit dieser Stadt und eigentlich wollte sie nicht wieder dorthin zurück, aber sie wollte die anderen auch nicht im Stich lassen.
Es gab nur eine Möglichkeit, wie sie eine Rückkehr in dieses Höllenloch überstehen würde und da fing das Problem schon an. Ohne ihren besten Freund an ihrer Seite würde sie das nicht überstehen. Ihren besten Freund, dem sie bei ihrem Abschied vor Wochen das Herz gebrochen hatte und mit dem sie seit diesem Zeitpunkt kein einziges Wort mehr gewechselt hatte. Leider gab es auch noch immer keine neue Spur zu ihrer Schwester. Was auch immer SK mit ihr angestellt hatte, niemand wusste etwas und niemand hatte sie gesehn. Ein paar ihrer Kontakte hatten sich umgehört aber keiner konnte ihr einen Anhaltspunkt geben. Auch wenn sie es nicht wahrhaben wollte, sie sollte sich wohl langsam damit abfinden, dass sie möglicherweise bereits tot war.
„Hey Kleines, was beschäftigt dich?“ Mit diesen Worten wurde sie von Nick aus ihren Gedanken gerissen. „Gar nichts, was soll denn schon los sein?“ log sie. „Wir haben dich in den letzten Wochen zu oft über Dinge nachgrübeln gesehen, um zu wissen wie du dabei aussiehst und gerade grübelst du eindeutig“, hörte man vom Durchgang zur Küche, wo Will gerade mit einer neuen Ladung Snacks zurückkehrte. Denix seufzte: „Gut, ihr habt mich erwischt, ich habe gerade an Zuhause gedacht und an die, die ich zurückgelassen habe. Ach es ist einfach kompliziert.“ „Na dann schieß mal los Kleines.“ Seufzend erwiderte sie: „Ich will gerade echt nicht darüber reden…“ „Zumindest nicht mit uns, hab ich recht? Du traust uns nicht genug, wir sind ja nur die dummen Konzernaufpasser“, erwiderte Ilya etwas verletzt und verließ den Raum. „So war das doch gar nicht gemeint, es ist nur sehr persönlich und mir fällt es sehr schwer darüber zu sprechen.“ „Ach, lass ihm etwas Zeit, der kriegt sich schon wieder ein, unser Großer ist ab und zu ein richtiges Sensibelchen, aber er hat das Herz am rechten Fleck“, mischte sich Will ein. „Ich geh mal und seh nach ihm“, mit diesen Worten stand auch Nick auf. „Ich zieh mich besser zurück, bevor ich noch etwas falsches sage. Gute Nacht”, damit stand auch Denix auf und verschwand in ihr Zimmer.
Denix begab sich auf direktem Weg in ihr Badezimmer, um eine Dusche zu nehmen. Als sie unter dem heißen Wasserstrahl stand, wanderten ihre Gedanken wieder zu Rhage und den Jungs. Sie hatte ein paar Mal mit Qhuinn gesprochen, ihm aber nichts von ihrem Abschied erzählt. Seit sie weg war, hatte sich Rhage verändert, er wurde noch verschlossener als ohnehin schon und immer häufiger war er gereizt und aggressiv. Dies klang gar nicht nach ihrem besten Freund, sie hatte ihn wohl wirklich sehr verletzt, auch wenn sie das nie wollte. Die letzten Wochen hatte sie so oft über ihre Gefühle für ihn nachgedacht. Er war seit Jahren ihr bester Freund, der immer an ihrer Seite war. Sie konnte sich noch nicht einmal daran erinnern, dass sie jemals so lange getrennt waren. Er hatte ihr gestanden, dass er sie liebt, aber fühlte sie auch das Selbe für ihn? Seit sie hier war zerbrach sie sich darüber den Kopf, aber immer wieder kam ihr das schlechte Gewissen wegen Connor in den Sinn. Sie konnte ihn nicht vergessen, für sie war es trotz allem irgendwie ein Betrug an ihm. Selbst wenn sie ihm versprochen hatte, dass sie auch ohne ihn glücklich wird konnte sie seitdem ihr Herz nicht mehr für jemand anderen öffnen. Ihre Gedanken, die sich immer wieder im Kreis drehten, machten Denix wütend, sie hasste sich dafür.
Wütend und traurig zugleich, wollte sie gerade ins Bett gehen, als es an ihrer Türe klopfte. Leicht genervt ging sie zur Türe, um sie zu öffnen. Dabei war sie eher von sich selbst genervt, als von dem Anklopfenden. Draußen vor der Türe stand Ilya: „Hey Kleines, ich wollte mich wegen vorhin entschuldigen, ich weiß, dass du es nicht so gemeint hast. Darf ich reinkommen?“ Trotz ihrer innerlichen Wut trat Denix einen Schritt zur Seite und bedeutete dem Ork einzutreten. „Ist schon gut, du musst dich nicht bei mir entschuldigen.“ „Doch, das muss ich. Ich hätte meinen Frust nicht an dir auslassen dürfen, ich versteh schon, dass du nicht darüber reden willst.“ „Danke Ilya. Es macht mich einfach nur wütend und traurig zugleich. Ich weiß gerade einfach nicht was ich denken und fühlen soll“, mit diesen Worten ließ sie sich auf ihr Bett fallen. „Willst du mir vielleicht nicht doch davon erzählen, vielleicht kann ich dir ja helfen.“ Denix war irgendwie dankbar, mit jemandem darüber reden zu können, der die Dinge von außen betrachten konnte. Mit ihren Jungs war dies schlicht und ergreifend nicht möglich. Deshalb gab sie sich geschlagen und erzählte dem Ork, der sich ihr gegenüber niedergelassen hatte, was passiert war und was sie beschäftigte.
Sie hatte noch nicht mal bemerkt, dass sie angefangen hatte zu weinen, als Ilya ihr ein Taschentuch reichte. „Danke und entschuldigung“, schniefte sie. „Manchmal tut es gut einfach alles raus zu lassen. Die ganze Situation ist wirklich etwas kompliziert, aber ich denke der einzige Weg es zu lösen, ist mit ihm zu reden. Ich kann verstehen das du Angst hast ihn zu verlieren, aber wenn er dich wirklich liebt, dann lässt er dich deshalb nicht fallen. Es bringt nichts, wenn du noch weitere Wochen mit Grübeln verbringst. Auch wenn ich Connor nicht kannte, er würde bestimmt nicht wollen, dass es dir deshalb schlecht geht und wie du sagtest, er wollte das du glücklich wirst, du stehst dir gerade nur selbst im Weg.“ Denix wusste, dass Ilya recht hatte, sie sträubte sich dagegen es zuzugeben, aber es blieb ihr nichts anderes übrig, als das Gespräch zu suchen, auch wenn sie Angst davor hatte. „Danke, Ilya du hast ja recht.“ „Ich weiß, dass hab ich doch immer,“ grinste er und versuchte damit die Stimmung ein wenig zu lockern. Denix fing an zu lachen. „Näh, da wär ich mir jetzt nicht so sicher, ich erinnere dich gerne an den kleinen Umweg letztens.“ „Das war alles Absicht, ich wollte dir nur die Stadt zeigen.“ „Mhm genau, das war der Grund.“ Damit fingen sie beide an zu lachen. Sie redeten noch eine Weile weiter bis sie irgendwann zu müde wurden und sich ins Bett verabschiedeten.
Am nächsten Morgen wurde Denix vom Geruch nach Soykaf geweckt. Sie zog sich schnell an und gesellte sich dann zu den anderen ins Esszimmer. „Guten Morgen Jungs.“ „Guten Morgen Kleines“, kam es zumindest von Dreien zeitgleich, Marcus grummelte wie jeden Morgen einfach vor sich hin, er war eindeutig kein Morgenmensch. „Was steht für dich außer Training heute auf dem Plan?“ fragte Will während er sein Frühstück verdrückte. „Ich habe ein, zwei Dinge zu klären,“ erwiderte sie und lächelte dabei Ilya an. „Dann hat unser Gespräch gestern wohl geholfen“, gab er erfreut von sich. Denix nickte nur und trank ihren Soykaf. Beim Frühstück herrschte eine recht ausgelassene Stimmung und alle alberten herum. Danach verabschiedeten sich Marcus und Nick in die Stadt, um ihre Vorräte aufzufüllen. Will und Denix wiederum starteten in ihr tägliches Training, das fest zu ihrem Tagesablauf gehörte. Nach ihrer vollkommenen Genesung hatte er ihr angeboten sie zu trainieren und mit Will hatte sie einen sehr guten Trainingspartner gefunden. Er hatte eindeutig Ahnung davon, was er tat. Nach dem Workout gönnte sie sich eine schnelle Dusche und wollte das Gespräch, das sie zu führen hatte nicht mehr hinausschieben.
Sie setzte sich auf ihr Bett und versuchte Verbindung zu ihrem Freund aufzunehmen. Es dauerte eine Weile, bis ihr Anruf angenommen wurde. Sie hörte nur ein verschlafenes und genervtes Brummen am anderen Ende der Leitung. „Ich habe dich wohl geweckt, das tut mir leid,“ sagte sie leise und bedauernd. „Amelia“ klang er plötzlich hellwach. Beim Klang seiner Stimme gab es ihr einen Stich, sie hatte diese Stimme so sehr vermisst und auch wenn sie es hasste, wenn er sie bei ihrem richtigen Namen nannte, so konnte sie ihm deshalb nicht böse sein. Es herrschte auf beiden Seiten Stille, keiner wusste so recht, was er sagen sollte. Denix meinte ein leichtes Schniefen wahrzunehmen und als er sprach klang seine Stimme etwas belegt: „Ich hätte dich nicht…du weißt doch…ach verdammter Mist, ich kann das nicht.“ Sie musste unwillkürlich lächeln, als sie ihn in seiner typischen Art reden hörte, er war kein Mann der großen Worte, aber trotzdem wusste sie immer genau was er sagen wollte. „Ich weiß. Ich weiß alles, auch, dass ich mit nichts auf der Welt wieder gutmachen kann, was ich dir mit diesem Abschied angetan habe.“ Er atmete einmal tief durch: „Die letzten Wochen waren der Horror für mich, ich wusste nicht wo du bist, ob es dir gut geht, ob ich dich wiedersehen würde und schon gar nicht, ob du jemals wieder mit mir sprechen würdest. Ich war nicht mehr ich selbst.“ „Ich weiß.“ „Du hast mit den Jungs geredet, nur nicht mit mir, oder?“ Er klang eher verständnisvoll als verletzt. „Ja, ich konnte nicht mit dir sprechen, es wäre nur noch schwerer für dich geworden“, sie machte eine kurze Pause um durchzuatmen: „und auch für mich, ich hätte es nicht ertragen, deine Stimme zu hören, ohne dich in meiner Nähe zu haben.“ Sie spürte, wie die Gefühle sie zu übermannen drohten und wusste, dass es auch auf seiner Seite nicht anders war. Ihre Verbindung war trotz der Entfernung noch genauso stark, als ob er direkt vor ihr stehen würde, sie wusste, was in ihm vorging, ohne ihn zu sehen. „Ich war dumm, ich hätte dir niemals sagen dürfen was ich fühle. Ich weiß, dass du nicht dieselben Gefühle hast, aber ich musste es loswerden, es hätte mich sonst zerrissen. Ich kann Connor nicht das Wasser reichen, ich bin nicht er. Ich weiß, dass du immer ihn lieben wirst und das ich für immer dein bester Freund bleiben werde. Wie könntest du mich auch lieben, ich meine du kennst meiner Vergangenheit, was ich getan hab. Ich kann es verst…“ „Jaime!“ beim Klang seines Namens verstummte er mitten im Satz. „Ich liebe dich doch auch, du großer Holzkopf“, kam es wie automatisch aus ihrem Mund und als sie es ausgesprochen hatte spürte sie, wie eine große Last von ihr fiel. Sie musste sich eingestehen, dass sie die Gefühle zu lange von sich weg geschoben hatte und das sie es eigentlich schon zu lange wusste. „Ist das…“ hörte sie ihn mit belegter Stimme sagen. „Hab ich dich jemals belogen?“ „Ich wünschte ich könnte bei dir sein, dich in den Arm nehmen, dich…“ „Glaub mir Großer, ich wünsche mir gerade nichts anderes.“ „Sag mir wo du bist, ich halte es nicht länger ohne dich aus.“ Sie lächelte: „Ich werde nicht mehr lange hier sein, es gibt eine Spur zu Broker und Joker in Seattle.“ „Du willst wieder zurück nach Seattle? Das ist eine wirklich beschissene Idee Süße, aber ich lass dich da definitiv nicht alleine hin. Ausreden kann ich es dir ohnehin nicht, mein kleiner Sturkopf.“ Denix lachte: „Ich habe nichts anderes erwartet.“ Rhage lachte ebenfalls: „Dann weißt du ja auch, dass ich nicht allein dorthin kommen werde“ Sie sah die Diskussion die Rhage mit Qhuinn und Blay führte schon vor sich. „Als ob ich auch nur einen von euch Sturköpfen davon abhalten könnte.”