Klärende Gespräche - Daisy und Mara

3.11.2076 - Chelsea - Wohnung von Jazz und Holliday

Daisy sitzt auf Hollidays absurd großem Sofa. Mara hat sich in ihr Zimmer zurückgezogen. Langsam beginnt das nach Koks Tief zu verschwinden. Sie steht auf.

Verrückt, das letzte Mal, als sie in dieser Wohnung war, hatte sie noch freudig und sehr betrunken Pflanziska abgeleckt. Sie seufzt. Aber das was jetzt vor ihr liegt, ist notwendig.

Sie klopft zögerlich an die Tür des Gästezimmers.

Ein leises “Ja?” kommt von innen.

Sie öffnet die Tür hinter der ein abgedunkeltes Zimmer zum Vorschein kommt. Es riecht nach dem Moschus-Deo des Vampiren. Daisys menschliche Augen brauchen einen Augenblick sich an die Dunkelheit zu gewöhnen. Es war genauso dunkel wie in ihrer Wohnung, nur hatte Daisy damals den tieferen Sinn der Dunkelheit nicht verstanden. In der Ecke des Raumes steht eine Akustikgitarre. Und auf der Kante des Bettes sitzt Mara selbst. Daisy mit ihren großen blauen schönen Kulleraugen fixierend.

Ihr Deal “Wir reden irgendwann darüber, wenn wir so weit sind.” musste ein Ende finden. Daisy hat Fragen. Sie betritt den Raum und lächelt Mara etwas unsicher an. “Hey, Na? Alles gut bei dir? Was machen deine Silber-Wunden?”

Mara greift sich unwillkürlich an den Rücken. “Die…Die werden schon wieder. Danke, dass du hier bist.”

Sie steht auf und macht zwei Schritte auf Daisy zu um sie zu umarmen. Daisy erwidert die Umarmung, wenn auch etwas distanziert. Was Mara zu ihrer Überraschung direkt zu merken scheint. Sie setzt sich zurück auf ihren Platz an der Bettkante und knibbelt nervös an einer Tagesdecke rum, die ein Quilt aus Gorilla Red Merch verschiedener Touren ist.

“Na los… Fang an.” Das verspielte und lustige verschwindet für den Augenblick aus Maras Stimme als Daisy sich ihr Gegenüber stellt.

“Warum hast du es mir denn nicht einfach gesagt? Damals in dem Auto? Als… Als einfach die Zeit dafür war?” Daisy mustert Mara. Mit dieser Frage muss sie gerechnet haben.

“Ich kann nicht darüber reden. Ich verplappere mich so oft… Keziah verbietet mir mit einem Zauber darüber zu sprechen. Schon lange. Ich hätte dich mit zu Keziah nehmen können um drüber zu reden aber… “ Maras Augen füllen sich mit Tränen und sie beginnt zu schluchzen. Erst nur leise, dann beginnt ihr Körper im Takte des Schluchzens mitzubeben. Daisy eilt nach vorne, setzt sich neben sie und drückt sie an sich.

“Ich wollte mich doch nur ein Mal für ein paar Tage ein bisschen normal fühlen.” wimmert die Schnitterin an Daisys Hals. Die Worte brechen Daisy das Herz. Man spürt, dass sie tief aus der Seele von Mara kommen. Dass das wirklich ihr aufrichtiger und ehrlicher Wunsch gewesen war.

Daisy beginnt ihr zart über das blonde Haar zu streicheln.

“Und ich will nicht, dass du Angst vor mir hast. Alle haben immer Angst vor mir.”

In Daisys Gedächtnis blitzt das Bild von Mara auf wie sie sie von einer Sekunde auf die andere bösartig angeblickt hatte, nachdem sie aus dem Long Haul Schlaf erwachte.

“Jazz hat keine Angst vor dir. Das hast du doch gemerkt oder?”

Mara wischt sich eine dicke Träne mit ihrer Sweatjacke von der Wange.

“Ja das stimmt. Sie hatte keine Angst. Warum auch immer. Und Keziah auch nicht. Aber du oder?” Ihre durch das weinen geröteten Augen verunsichern Daisy ein wenig.

Sie atmet tief ein und aus. “Okay… Ich… Die einzigen Infizierten mit denen ich zutun hatte waren eine Ghul Gang in Seattle, Pierce und dieser aufgeblasene Gigolo Vampir den Jazz hier beheimatet. Ich muss einfach mehr wissen und… Ich muss es einfach verstehen.”

Mara nickt. “Aber… also… hast du noch… bist du noch… ehm…”

Daisy küsst ihre Stirn. “Ja. Aber ich muss wissen worauf ich mich einlasse Mara. Ich fände es echt maximal kacke ein Werwolf zu sein. Außer den Leuten im Hub und ein paar Gangern hab ich echt wenig kontakte, deshalb… die können auf sich selbst aufpassen… Aber…”

Mara unterbricht sie indem sie sie mit ihren kraftvollen Cyberarmen umreißt und sich ihr gegenüber auf die Seite legt, so dass sie sie ansieht.

“Also. Ich muss im besten Fall täglich richtig essen. Ungefähr ein… großes Steak. Wenn ich Mal mehr esse komme ich 1-2 Tage ohne aus, aber spätestens dann muss ich wieder irgendetwas essen. Sonst gehts mir echt übel. Ich brauche… Es muss frisch sein. Und roh. Es darf tot sein. Aber kein Aas. Keziah hat auch immer was in ner Tiefkühltruhe, als Notfall-Lösung. Das geht auch schon. Es schmeckt mir nicht besonders gut, deswegen trinke ich immer so viel Eistee und so. Keine Sorge, ich putze gut Zähne… Ich kann dich mit MMVV2 anstecken. Aber nur wenn wir Körperflüssigkeiten tauschen. Speichel zählt nicht. Das ist wie mit…”

“Wir könnten nur sehr vorsichtig Sex haben.” unterbricht Daisy sie vorsichtig.

“Dabei ist noch nie was passiert. Ich habe generell niemanden mehr angesteckt seit… Ziemlich lange. Das Gute ist, dass ich zwar in Schlägereien oft blute, aber solange du nicht auf ein paar WIRKLICH abgefuckte Dinge stehst, sind Schnitter wenigstens recht widerstandsfähig.”

“Und was, wenn du mich kratzt, oder beißt? Oder wir beide irgendwo offene Wunden haben? Wir sind Runner! Ich meine, du hast doch aktuell alleine 3 offene Wunden an dir! Und ich weiß nicht ob ich dich je ohne gesehen habe!”

“Ähm… Holliday hat da was gemacht! Als er mir die Kugeln herausgenommen hat, kam ihm die Idee.” Mara greift hinter sich unter das Bett, und holt eine kleine Schachtel, die sie lächelnd schüttelt.

Daisy zieht eine Augenbraue hoch: “Kondome? Ich glaube die sind ungefähr das Letzte, was wir brauchen. Achso, das war ja Oscuros Zimmer…”

“Was? Oh, nein!” Mara lacht. “Holliday ist nur ein Arsch!” Sie öffnet die Packung und schüttelt ein paar Slap-Patches aufs Bett.

“Was ist das?”

“Antidot-Patches gegen MMVV-2! Holliday sagte, mit den Dingern kann ich dir auch in deine Wunden bluten, und die Chance dass du dich ansteckst liegt nur bei etwa 30%!” Mara strahlt. “Die normalen Dinger helfen wohl nicht wirklich, aber er sagt er hat die richtigen Sachen zusammengemischt und jetzt helfen die Teile zwar sonst gegen nix, aber sind in dieser Hinsicht echt super! Außerhalb der QZ kann er welche herstellen, die ungefähr so gut sind wie… naja…” Sie hält die Packung hoch. “Er hat sie für sich selbst gemacht, aber auch Jazz ein paar gegeben, falls hier Mal ein Unfall in der Küche passiert oder so. Und er will sie auch Leuten geben, mit denen ich auf Runs bin.”

Daisy nickt langsam. Sie weiß nicht so recht, was sie von all dem halten soll. Bemerkt man eine MMVV-Infektion, sodass sie weiß wann sie das Patch aufkleben muss? Wie viel Zeit würde sie haben?

“Hey… Was denkst du?” Mara streicht Daisy ein paar Haare aus dem Gesicht und streichelt dabei ihre Wange. “Ich hätte das alles gar nicht zugelassen wenn… Ich mir nicht sicher wäre, dass ich dir nie was tun würde Daisy. Ich mach das jetzt drei Jahre und… Ich habs ja geschafft wegzugehen als ich Hunger hatte. Bis dahin war doch alles ganz normal… oder?”

“War es.” flüstert Daisy während Mara ihre Wange streichelt. Dann seufzt sie und wälzt sich ruckartig auf den Rücken. “Ich bin nur… Zum ersten Mal seit ewig wieder verliebt. Und ich hab mich so gut mit dir gefühlt. Und jetzt ist das alles… schwierig.”

“Es muss nicht schwierig sein! Es ist genau wie mit KFS oder AIDS oder AIPS oder irgendeiner Erkrankung. Man kann damit leben lernen… Wenn du willst.”

Daisy dreht den Kopf zu ihr und lacht leise auf. “Wenn du so guckst nehmen deine Augen gefühlt zwei drittel deines gesamten Kopfes in Anspruch.”

“Ist das gut?” Mara zieht die Augen gekünstelt noch etwas weiter auf. Zu ihrem Glück sieht es eher lustig als furchterregend aus.

Daisy lächelt. “Du hast eine nicht wirklich kleine Fanbase. Das weißt du schon oder? Und die alle finden dich toll! Nicht wenige tätowieren sich dein Gesicht irgendwo hin.”

“Du auch?!” Mara dreht sich auf den Bauch und stütz ihr Gesicht auf den Händen ab. Toll, so wirken ihre Augen noch größer und süßer und…

Daisy atmet durch. “Nein, das nicht direkt. Aber… Ich hab hier mal was ersteigert… Kam ich noch nie zu dir zu zeigen.” Sie friemelt eine Riggerkonsole aus einer in ihre Jacke eingelassene Innentasche. Sie pult die Hülle des Gerätes ab und hält sie Mara unter die Nase.

Darin finden sich bestimmt 100 Plektrons verschiedenen Alters, verschiedener Abnutzung und verschiedener Alben und Singles. Mara spiegelt sich selbst ein bisschen in der glänzenden Oberfläche.

“Ich hab sie in Epoxy gegossen und es auf meine Konsole angepasst.”

Mara hält die Hülle weiter taxiert. “Wow das ist… Die meisten meiner Fans zünden nur irgendwas an oder schicken mir Dickpicks!” Sie hält kurz inne. “Weißt du, Jazz sagt manchmal, dass es bestimmt nicht gesund ist jemanden… gern zu haben von dem man so ein Fan ist. Aber dann sagt Holliday meistens ‘Du bist doch auch mein größter Fan!’ und dann werfen sie sich mit Kissen ab oder knutschen. Mal so mal so… Aber… Ist das komisch für dich?”

“Ich hab dich ja zum Glück kennengelernt, als ich zu zugedröhnt war um zu verstehen wer du bist. Und als ich dann nur noch gestottert hab und drüber war, wurden wir von Joker und Tower gebabysittet. Ich… Es fällt mir noch schwer die Person die da auf der Bühne steht und immer so… anders ist als du… Und dich… wirklich übereinander zu bekommen.”

“Du kannst ja Mal mit auf die Bühne! Dann… weißt du wie das ist! Und dass man die gleiche Person ist, nur heller angestrahlt!” Sie denkt einen Moment nach. “Auf einer Show in Amazonien habe ich Mal zwei Mädels auf die Bühne geholt und sie dazu gebracht sich auszuziehen! Das machen wir aber nicht!”

Daisy lächelt, aber schüttelt leicht den Kopf. “Als Runnerin sollte man nicht unbedingt sein Gesicht überall zeigen…”

“Das stimmt nur, wenn du als Runnerin auf der Bühne stehst. Und nicht als Fan… oder Freundin. Und überhaupt: Wenn mich irgendwelche Leute wiedererkennen und das gegen mich verwenden wollen, sind sie danach meistens tot. Du glaubst doch nicht, dass Keziah zulässt, dass dir was passiert, wenn du mir wichtig bist. Also, außer du kritisierst ihren Modegeschmack. Das würde ich an deiner Stelle wirklich nicht tun.”

“Ich bin dir wichtig?” Daisy pult etwas nervös an der Hülle ihrer Konsole herum.

“Ich wollte den Dana Deal nur weil ich wusste, dass die ganze Sache noch schwer wird. Und ich dachte, so kommst du einfacher wieder raus, wenn du Angst hast oder einfach nicht willst. Aber ich war immer super happy wenn wir uns gesehen haben und was du mit meinem Van machst und das alles…” Sie zeigt auf die Hülle. “Das macht mich wirklich glücklich.”

Daisy rollt sich zu ihr hinüber und küsst Mara. “Ich bin auch gerne glücklich.” Sie lächelt. “Verpflichtender fänd ich schön. Und wenn wir hier rauskommen schauen wir einfach weiter.”

“Weißt du… Keziah meinte wenn wir wieder rumreisen brauchen wir bestimmt eine ausgezeichnete Technikerin. Da würdest du auch Geld für kriegen. Und Nayad meinte doch man kann auch aus der Ferne studieren.”

Daisy legt Mara eine Hand an die Wange. “Sachen die man nur wissen muss… Ja. Aber ich brauche Komponenten. Und Förderung. Eine Werkhalle und Praxis. Das ist alles sehr teuer und…”

Maras Augen füllen sich mit Tränen und Daisy wird davon eiskalt überrascht. Sie rückt näher heran und umarmt sie. “Hey. Mal schauen ok? Erstmal sind wir hier. Und du bist in Sicherheit. Du hast viele Leute um dich denen du sehr wichtig bist und die auf dich aufpassen.”

Mara schlingt die Arme um Daisy und drückt sie noch näher an sich. “Danke, dass du da bist. Du riechst gut.”

Daisy lächelt und küsst Mara erneut. Erst zaghaft, dann weniger zögerlich. Schmetterlinge flattern durch ihren Bauch und die beiden müssen grinsen.

Als sie absetzen und sich anschauen hören sie das zuknallen der Dachtür, durch die Jazz und Holliday nach ihrem Krisengespräch wohl wieder ins innere der Wohnung stürmen. Gefolgt von einem “Fuck Fuck Fuck Fuck.” von Jazz.

5 „Gefällt mir“

Wie immer sehr schön geschrieben! :innocent:
Ich find das MMVV Gespräch ganz interessant, weil es eine Perspektive darstellt dazu und, dass die Optionen halt immernoch recht fragwürdig sind :thinking:

4 „Gefällt mir“

Jaaaa so richtig rosig sind die Alternativen alle nicht. MMVV ist übel

4 „Gefällt mir“

„nur eine 30%ige Chance“
Kate so: :flushed:

Ja, ist definitiv nicht einfach - Naja, muss man schauen wie sich das entwickelt

4 „Gefällt mir“

30% bei direktem Wund auf wund Kontakt. Ist eher auf Runs relevant als in einer Beziehung hoffe ich :smiley:
Antodot Patches wollte Paul eh nochmal anfassen, da war das eine gute Gelegenheit für ihn

4 „Gefällt mir“

Who knows? :woman_shrugging:

3 „Gefällt mir“

Ich will eigentlich dass die beiden sorgenlos glücklich sein können, aber ich will es auch nicht zuuu leicht machen.
Vielleicht kann man perspektivisch einen weiteren Fokus erschaffen, der Maras Ansteckungsrate reduziert.

Ich bin einfach froh dass Daisy sie noch will :smiley:

4 „Gefällt mir“