Denix drehte eine Kontrollrunde durch ihren fast fertigen Club. Sie war ein wenig stolz darauf, was sie in der kurzen Zeit geschafft hatten. Sie war froh, dass sie ihre Freunde an ihrer Seite hatte, ohne sie hätte sie das nicht so gut hinbekommen. Das Elysium war mit seiner Einrichtung, in blau und weiß gehalten, das komplette Gegenteil vom Inferno. Und als sie so durch die Räume schritt, kamen viele ihrer Erinnerungen hoch. Wo sie früher gelebt hatte und was sie jetzt hatte. Sie war ihrer Hölle entkommen und irgendwie stand das Elysium genau dafür. Endlich gelang es ihr, mit einem Kapitel ihrer Vergangenheit abzuschließen. Sie dachte an ihre Schwester, sie hoffte einfach, dass die Vermutungen die sie auf dem Jackpoint angestellt hatten, nicht zu trafen. Sollte doch etwas dran sein, wusste sie definitiv nicht, wie sie reagieren sollte. Einerseits hatte sie das Team in ihr Herz geschlossen, aber andererseits war Aurelia ihre einzige Familie. Sie waren zwar nicht zusammen aufgewachsen, aber trotzdem war sie ihr wichtig. Das was ihre Eltern ihr angetan hatten konnte sie ihnen niemals verzeihen. Denix wusste nicht so recht, was sie tun würde, wenn sie sich zwischen ihrem Team und ihrer Schwester entscheiden müsste. Sie hoffte einfach, dass sie niemals in diese Situation kommen würde.
Sie kam am Büro von Rhage vorbei, der zusammen mit seinem Team gerade die letzten Details von ihrem Sicherheitskonzept besprach. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht, sie war froh ihn an ihrer Seite zu wissen. Als sie ihn so sprechen sah, erinnerte sie sich an ihre erste Begegnung mit ihm. Das war jetzt schon über 10 Jahre her, wie die Zeit vergeht. Damals war sie gerade mal 13 Jahre alt gewesen und lebte noch bei den Monstern, die sich ihre Eltern nannten. In dieser Nacht schüttete es, wie in Seattle üblich, wieder mal wie aus Kübeln. Sie war bis auf die Haut, die von dem sauren Regen leicht brannte, durchnässt. Der dumme Bus war ihr vor der Nase davongefahren. Für ein Taxi hatte sie leider kein Geld und deshalb lief sie jetzt mitten in der Nacht durch den strömenden Regen. Sich über ihre Misere ärgernd, bemerkte sie nicht das ihr zwei Gestalten folgten. Als sie um die nächste Straßenecke bog hatten die beiden Kerle sie eingeholt.
“Hey Püppchen was machst du hier so ganz alleine um diese Uhrzeit?” sprach sie einer der beiden an. “Ich glaube nicht, dass euch das etwas angeht”, antwortete sie mit etwas zitternder Stimme. Sie wohnte zwar nicht in den Barrens, aber Bellevue war das hier auch nicht gerade. “Ach komm schon, wir sind sind doch zwei ganz nette Jungs”, erwiderte der Zweite in einem süffisanten Tonfall. Denix ging weiter, ohne sich zu den beiden umzudrehen, sie durfte ihnen nicht zeigen, dass sie Angst hatte. “Jetzt bleib doch mal stehen Püppchen.” Einer der Kerle packte sie am Arm, aber sie konnte seine Hand abschütteln. Jedoch hatte sie auch der zweite Kerl eingeholt und packte sie jetzt am anderen Arm. “Wir wollen dir doch nur etwas Gesellschaft leisten.” Sie nahm alle ihre Kraft zusammen und konnte sich noch einmal losreißen. Mit voller Wucht rammte sie dem einen ihren Ellenbogen ins Gesicht. Dabei hörte sie ein leises Knacken, was wohl bedeutete, dass sie ihm die Nase gebrochen hatte. Der Kerl jaulte auf und hielt sich mit beiden Händen seine blutenden Nase. Dem zweiten verpasste sie einen Tritt in die Magengrube, woraufhin dieser stöhnend zu Boden ging. Ohne sich ein weiteres Mal umzusehen, lief Denix die Gasse entlang und als sie um die Ecke bog, fand sie sich auf dem Boden sitzend wieder.
“Aua. Was zur….”, sich den Hintern reibend stand sie auf und blickte in ein paar eisblaue Augen über ihr. Vor ihr stand ein blonder Mensch, in den Gang-Farben der Blood Mountain Boys. Denix wollte sich gerade umdrehen und in die andere Richtung davon rennen, als auch er sie am Handgelenk packte. “Hey, hey, nicht so schnell. Hast du dir weh getan?” fragte er sie sanft. Ihr Fluchtinstinkt war wie weggeblasen, sie wehrte sich nicht gegen seine Hand und drehte sich wieder in seine Richtung. “Nnnee…nein, ich hab mich nur erschrocken. Gibt vielleicht nen blauen Fleck auf meinem Hintern aber sonst ist alles ok”, antwortete sie ihm. Er lächelt sie an: “Das ist gut.” Der Mensch musterte sie von oben bis unten und zog seine Lederjacke aus: “Du bist ja vollkommen durchnässt, hier nimm meine Jacke.” Denix war vollkommen perplex und konnte ihn nur vollkommen dämlich anstarren. Niemals hätte sie damit gerechnet, nachts in einer dunklen Gasse jemanden wie diesen Kerl zu treffen. Da sie keine Anstalten machte, die Jacke zu nehmen, hängte er sie einfach um ihre Schultern. “Wovor bist du eigentlich davon gerannt?” Aus ihren Gedanken gerissen antwortete sie stotternd: “Ähm, äh da hinten in der Gasse waren zwei Kerle die mich belästigt haben. Hab dem einen die Nase gebrochen und dem anderen einen Tritt in die Magengrube verpasst.” “Du hast…?” Er fing schallend an zu lachen. “Du gefällst mir, da haben die beiden Idioten endlich mal bekommen was sie verdienen.” Nun verstand Denix gar nichts mehr. Scheinbar hatte er ihre Verwirrung bemerkt, wischte sich eine Lachträne aus dem Auge und erklärte ihr: “Die beiden Idioten, die dich belästigt haben, gehören zur selben Gang wie ich. Ich habe hier auf sie gewartet. Die beiden wissen einfach nicht, wie man sich Frauen gegenüber benimmt und endlich haben sie mal einen kleinen Dämpfer bekommen.”
An diesem Abend war der Grundstein zu ihrer Freundschaft gelegt worden. Schnell wurden die beiden unzertrennlich und wichen dem anderen nicht mehr von der Seite. Rhage war es auch, der für sie da war, als sie das Geheimnis um ihre Schwester herausgefunden hatte und ihren Eltern den Rücken gekehrt hatte. Sie hatten zusammen schon ziemlich viel Mist durchgestanden und sich gegenseitig mehr als nur einmal den Arsch gerettet.