Heavy Hands - Ben Kendall

Maine, Mai 2078

1 Jahr nachdem Anshee auf ihre Heimatebene verbannt worden war.

1 Jahr, seitdem Ben einen Teil seiner Macht geopfert hatte, um seine toxische Nukleargeisterexfreundin (er hatte wirklich ein Händchen für Frauen) von der materiellen Ebene zu verbannen. Ein Jahr, in dem Ben keinen Zugriff mehr auf den Teil seiner Magie, den er jahrelang von Anshee geliehen hatte, gehabt hatte. Ein Jahr, seit sein magisches Potential in Flammen aufgegangen war.

Ben seufzte, wandte den Blick vom hellen Feuer in der dunklen Nacht ab, streckte die Hand und ballte die Faust, um einem Krampf entgegen zu wirken. Er atmete tief ein, schmeckte die kühle, salzige Luft des Atlantik, spürte den Kontrast zur Hitze auf seinem Gesicht. Kostete den Moment in der nahezu ruhigen Natur, den Moment am Lagerfeuer aus. Dann griff er langsam wieder zur Gitarre. Legte die Hände an die Saiten. Ließ die tauben Finger über den Hals des Instruments gleiten.

In diesem Jahr haben alle Magier (und meistens: Magierinnen) in Bens Leben ihr Möglichstes unternommen, um den Prozess umzukehren. Um ihm wieder zu alter Macht zu verhelfen und seine astrale Präsenz zu stärken. Um den Teil, den er ohne sie nicht mehr hatte, auszugleichen und ihm den Teil wieder zu verschaffen, den er hatte opfern müssen, um sie zurück auf ihre eigene Ebene zu senden.

Jazz hatte zunächst Ruhe angeordnet, ihn in Barcelona in eine Strandbude gesetzt und ihn machen lassen… Jedoch mit eindeutigen Auflagen bezüglich seines Alkoholkonsums: Sucht und Toxineinnahme können Magier ausbrennen lassen… kein gutes Klima.

Parallel dazu hatte sich Keziah zur Aufgabe gemacht, die halbe Welt nach Telesma umzugraben, die irgendwie mit Glücksspiel zu tun hatten. Das machte auch durchaus Sinn, es war immerhin Keziah, und magischer Kram ihr Job. Naja… Keziahs Plan Nummer 1 - ein Deal mit ihrem persönlichen Dämon Crowley - stand nicht zur Debatte, da der infernale Händler nicht unbedingt gut auf Ben zu sprechen war. (Auch das machte durchaus Sinn: Vermutlich hatte Keziahs Dämon Angst, bei einem Deal mit Ben über den Tisch gezogen zu werden. Ben schmunzelte, während seine Finger über die Gitarre glitten.) Also hatte Keziah Dinge eingekauft: Die originalen Pokerkarten der Dead Man’s Hand, die Wild Bill Hickock 1876 das Leben gekostet hatten. Chips vom ersten trimagischen Turnier im Bellagio. Hasenpfoten, Hufeisen, vielblättrige Kleeblätter aus Tír na nÓg, pflanzliche Glückselixiere von Nayad, …

Bens Cousine Blair war gegen Keziahs Plan, da Bens Glücksspiel und Weltenbummelei ja überhaupt erst an dem ganzen Schlamassel schuld war. Die Hexe hatte schon mehrfach versucht, ihn zu diversen Festen des neuen Coven in Maine einzuladen, um seine Magie mithilfe der Wicca-Traditionen zu festigen. „Vielleicht endlich ein Grund für dich, deine dämliche Tradition hinter dir zu lassen.“ Tatsächlich hatte Ben sich breitschlagen lassen, Beltane zu besuchen und mit den ehemaligen Salem-Hexen und den Wicca-Anhängerinnen die sich ihnen seitdem angeschlossen hatten, zu feiern. War fast wie früher gewesen, mit den ganzen halbnackten Tänzen und den berauschenden Kräutermixturen aus dem Wald.

Bens Mutter, gerade im Prozess des Wiederaufbaus ihres Covens, hatte eigentlich andere Sorgen, und war im Wesentlichen… genervt? Genervt traf es ganz gut. Bens Mom war genervt, dass ihr Sohn so nachlässig mit seiner Gabe und den Geschenken eines Geistes umgegangen war. Jetzt machte sie ihm Druck, schlug allerlei astrale Questen zu Schutzgeistern vor um einen neuen Verbündeten zu finden. Das hatte Beltane fast ruiniert. Zum Glück war sie so sehr damit beschäftigt gewesen, nackt durch den Wald zu rennen und Fifis Baby mit magischer Paste einzureiben, dass Ben ihr nie hatte antworten müssen.

Ja, die neue Hoffnung des Covens: Fifis Nachwuchs, der die Frauen auf der Nebeninsel mehr als beschäftigt hielt. Mit ein bisschen Glück und zielgerichteter Zuwendung würde das Kind sogar noch mächtiger werden, als Ben es gewesen war. Und dass die Mutter jetzt selbst wieder Magierin war - eine besorgniserregend mächtige Feuermagierin, gemessen an den Erfahrungen des letzten Jahres und der alles verschlingenden Tendenz, die sie sich mit dem Feuer teilte - machte es nicht unbedingt leichter: Plötzlich hatte sie ein Wörtchen mitzureden. Sie konnte Bens Lage nach dem teilweisen Ausbrennen vermutlich am Besten verstehen, aber… Fifi tickte eindeutig anders als Ben. Sie war zwar überzeugt, dass sie und Ben magisch gesehen nicht unähnlich waren, aber Ben wusste, dass es tief in der Voodoo-Straßenhexe ein unstillbares Verlangen nach immer mehr Macht gab. War schon einmal schief gegangen. Ging hoffentlich nicht noch einmal schief.

Shadex hatte einfach etwas empfohlen wie „Tja mein lieber Ben, was dir JETZT hilft kannst du nur selbst wissen. Aber lass bitte die Finger von Geistern. Und Vampiren. Und Frauen.“ Ja… das hatte er so oder so ähnlich auch vor.

Von Nayad hatte Ben die vehemente Empfehlung bekommen, sich einen Ort zu suchen, der in Sachen Hintergrundstrahlung mit ihm harmonierte. Das grün leuchtende, astrale Glühwürmchen hatte ihm früher nie viel ausgemacht, aber jetzt, da sein eigenes Feuer nicht mehr so hell brannte wie noch vor einem Jahr, bemerkte er den Effekt ihrer grünen, pflanzlichen Magie, und wie sie den Astralraum um sich herum färbte. Seine eigene Magie hingegen wurde in ihrer Nähe noch schwächer, und das ließ ihren Tipp, sich ein Pokerturnier oder eine Western-Stadt zu suchen, in der er zu sich selbst finden konnte, nicht so blöd wirken. Außer, dass Ben nicht an einem solchen Ort festsitzen wollte.

Selbstfindung hatte er auch von Holliday empfohlen bekommen. Was auch sonst? „Weißt du, Ben, es ist eigentlich verfraggt egal, was ich dir rate. Das Magietheoretische Forschungsinstitut von der University of Tir Tairngire hat letzten Monat ein Paper veröffentlicht, in dem sie Stellung beziehen zur „Whatever“-Theorie die dieser Freudianer von der Atlantean-Foundation vor seinem Rauswurf aufgestellt hat. Der wissenschaftliche Diskurs geht davon aus, dass es eigentlich keine Magietraditionen gibt, und auch kaum metaphysische Phänomene, die eine Auswirkung auf unsere Magie haben. Abgesehen von der Hintergrundstrahlung gibt es nur uns selbst, und das, woran wir glauben wollen. Du wirst schon wieder zu deiner Magie finden, wenn du an dich selbst glaubst. Und ich habe das Gefühl, das ist in eurer Familie nicht unbedingt ein Problem.“ Schwachsinn. Für Holliday als Adept der einem Weg des selbstherrlichen Matcha-New-Age-Influencer-Spiritisten folgte, mochten Selbstfindung und Glaube an die eigenen Fähigkeiten vielleicht funktionieren, aber er übersah dabei den Makel in seiner eigenen Theorie: Freudianer, Nihilisten, Schwarzmagier und Atheisten hatten alle gemein, dass es Teil ihrer Magietradition war, Tradition als „irgendwie egal“ und abstrakt zu sehen. Kein Wunder, dass sie stärker wurden, indem sie daran festhielten und versuchten, andere zu überzeugen - das war wortwörtlich die magische Tradition, an die sie sich selbst hielten. Bedeutete im Umkehrschluss: Auch diese leeren Worthülsen waren nicht viel mehr als Tradition und passende Hintergrundstrahlung.

Was die kleine Ares-Erbin an ging… Er war heilfroh, dass sie nicht auf dem Planeten war, sonst hätte sie vermutlich mehrere Millionen Dollar in seine „Heilung“ investiert und 3 Stiftungen dafür gegründet - alles von der Steuer absetzbar. Im Moment hatte sie zum Glück mit Doyle zu tun.

Jetzt gerade war er bei der „Musiktherapie“, die die wahnsinnige Mörderin ihm ans Herz gelegt hatte. „Mir hilft das super! Oder Holzhacken! Oder Leute hacken! :blush: Ben hatte nicht wirklich daran geglaubt, aber andererseits eine Gelegenheit gesucht, um etwas Abstand zu Blair zu gewinnen, und wenn alle dachten dass er sich wirklich Mühe gäbe, würden sie ihn einen Moment in Ruhe lassen. Und mit einer geliehenen Gitarre am üppig mit gewaltigen Mengen Feuerholz aufgebauten Lagerfeuer auf der kleinen Insel in Maine zu sitzen und zu trinken… da gab es Schlimmeres.

Auf der anderen Seite des Lagerfeuers gab es eine Regung auf dem massiven selbstgefällten Baumstamm, der von jemandem mit filigranem handwerklichen Gespür in eine gemütliche Sitzbank verwandelt worden war. Die Elfe konnte sich katzenhaft bewegen, wenn sie wollte, und konnte sich unter der leise schnarchenden Riggerin herauswinden, ohne diese zu wecken. Sie strich ihr vorsichtig die Haare aus dem Gesicht, und deckte sie zu, bevor sie ums Feuer herum zu Ben ging, und sich neben ihn setzte. „Spielen wir eins zusammen?“

Ben musste lächeln. Würde Keziah sicher nicht gefallen, dass er mit ihrer Ziehtochter musizierte, während die beiden so verkracht waren. Oder… es würde ihr gefallen, weil sie die Kleine wirklich mochte? Ach keine Ahnung. Er rutschte ein Stück, und bot ihr den Platz neben sich an. „Heavy Hands?“

Sie spielten einige leise Akkorde und er eröffnete den Song. Kurz darauf, als sei einstimmte, fühlte er wie sich der Astralraum wandelte, wie die Atmosphäre um ihn herum von leuchtenden Wellen umspielt und langsam hinfortgespült wurde. Ein bisschen Melancholie blieb und regte zum Reflektieren an, aber die Gedanken an andere und die unmittelbare Vergangenheit gingen.

Die metaphorische schwere Hand, die sich im Song um das Leben eines Wanderers gelegt hatte, hatte ihn in letzter Zeit viel beschäftigt. Sie hatte jahrelang den festen Griff beschrieben, in dem Bens Schicksal sich befunden hatte. Eine schwere Hand, die seine Magie, die Erwartung an ihn und den Druck, sein Potential nicht zu verschwenden, symbolisierte. Und jetzt war all das weg, weil er nicht mehr mächtig genug war, um sein Schicksal zu erfüllen - was auch immer es war.

Was sie alle nicht wussten, war, dass… es ihm eigentlich ganz gut damit ging, einen Teil seines magischen Potentials hinter sich gelassen zu haben.

Die meiste Zeit seines Lebens hatte man Benjamin Kendall immer als etwas Besonderes behandelt. Nicht alle Kinder eines Covens kommen Erwacht zur Welt, viele junge Wicca ohne magisches Potential sind einfache Ausübende der Religion ohne wirklichen Zugang zu den Vorteilen, den die rituell verankerte Naturmagietradition mit sich bringt. Alleine die Geburt als Erwachter ist ein Privileg. Selbst, wenn die eigene Mutter die Oberste des Hexenzirkels ist, und vielleicht nicht ganz von dieser Meta-Ebene… Ben war mit einer Gabe geboren und einer der wenigen Söhne unter den Kindern des Kendall-Coven. Die Religion ist zwar weiblich geprägt, aber auch für Männer grundlegend offen. Als Magier, Sohn der Obersten und Mann hätte ihm vieles offen gestanden. Er hätte Witcher werden können, eine wichtige Rolle im Coven einnehmen. Die Magie, die ihm in die Wiege gelegt worden war, entwickeln. Die vielen Riten, Feste und magischen Erzeugnisse, die Nähe zu anderen Ausübenden und insbesondere seiner Mutter, all das hätte Ben zu einem der mächtigsten Magier seiner Zeit machen können. Und sollen, wenn man nach den anderen ging. Aber das war nie seine Welt gewesen. Deswegen war er gegangen, und seinem eigenen Weg gefolgt.

Auf seinen Reisen durch die sechste Welt hatte er andere Sichtweisen auf die Magie kennengelernt. Einige hätten ihn als Schwarz- oder Chaosmagier bezeichnet, weil er sich Wissen und Machtquellen aus allerlei verschiedenen Quellen angeeignet hatte. Aber das war nie das Ziel gewesen. Ben hatte seine Berufung als Huckster gefunden, als Angehöriger einer Magietradition in der es um kreativen Trickbetrug, mentalen Wettstreit und auch ein bisschen Glück ging. Eigentlich ging es Ben darum, herauszufinden ob er die Welt nach seinem Willen formen konnte. Nicht durch Macht - die war dabei sekundär - sondern durch Kreativität, eine merkwürdig indirekt-direkte Herangehensweise an Problemlösungen und während er im Allgemeinen eine ziemlich gute Zeit hatte.

Vielleicht war er auch nie Huckster gewesen. Vielleicht war es alles schon immer einfach Glück gewesen. Anders hätte man sich die vielen glücklichen Zufälle die zu Bens astralem Wachstum führten, kaum erklären können. Abstammung von einer der originalen Salem-Hexen die zum freien Geist geworden war, eine Liebesbeziehung mit einem persönlichen Verbündetengeist, seltene magische Telesma die er und Keziah internationalen Geschäftsleuten abgeluchst hatten, unzählige Abenteuer die ihn an die gefährlichsten Orte der Welt mit den gefährlichsten Leuten der Welt gebracht hatten - und auch wieder von dort weg. Dieser letzte Punkt war das, was Ben lange als das Salz in der Suppe betrachtet hatte… nicht ahnend, dass er sie sich langsam versalzte.

Drek, mit Harlequin, Drachen und Geistern zu verkehren musste ja irgendwann schief gehen. Dass Ben und Keziah das überlebt hatten, grenzte an ein Wunder - oder an Glücksmagie. Aber man kann nur eine begrenzte Menge wahnsinniger Doomsday-Kultisten, korrumpierter toxischer Magier und Bedrohungen von anderen Existenzebenen aufhalten, bevor irgendetwas schief geht.

Er hatte nicht sein Leben verloren, sondern lediglich eine alte Freundin und einen Teil seiner Macht. Einen Teil der Macht, die sein Schicksal schon so lange bestimmt hatte. Eine schwere Hand hatte sich von Bens Leben gelöst… und es war an ihm, herauszufinden, was er mit der neu gewonnenen Freiheit anstellen wollte.

Der bisherige Weg hatte sich irgendwann nicht mehr so richtig richtig angefühlt. War etwas in Ben zerbrochen? Oder der Nervenkitzel weggefallen? Lag es an den Bindungsängsten gegenüber Keziah? Oder daran, dass er schon damals hatte fühlen können, dass das Töten der Fae-Rebellin sich anfühlte, als würde hier etwas nicht richtig laufen?

Den letzten Akkord schlagend ließen der Cowboy und die Schnitterin ihre Gitarrenseiten ausklingen, während das Lagerfeuer vor ihnen knisterte und knackte. Ein Holzscheit brannte durch, brach entzwei und schickte eine Wolke tanzender Funken in den Himmel. Ben konnte aus dem Augenwinkel sehen wie sich das goldene Leuchten in den Augen der Elfe brach. Er wusste nur zu gut, dass man ein Leuchten in dieser Farbe nicht ansehen konnte, ohne an Keziah denken zu müssen. Er öffnete kurz den Mund, aber was hätte er sagen sollen? „Sorry, dass wir deine Mom umgebracht haben, Kleine. Aber sie hatte es drauf angelegt.“? Er konnte sie gut leiden, aber schon auf der Höhe seiner Magie hätte er ungern eine wütende Schnitterin bekämpft.

Stattdessen reichte er ihr die Flasche mit seinem Bourbon, aber sie lehnte sie mit dem Handrücken ab. „Nee, danke. Den hat Kez- … Ich mag grad nich.“ Gut gemacht, Ben. Gefahr abgewendet.

Stattdessen starrte sie weiter ins Feuer, und rang mit ihren biomechanischen Fingern. Keine Musik mehr. Keine Musiktherapie.

Er öffnete erneut den Mund, aber es hatte sich nichts geändert - was hätte er sagen sollen? Es war natürlich immer ein gutes Gefühl gewesen, sich mit den anderen in den Schatten für diese Welt einzusetzen. Aber es hatte einfach so viele Richtungen gegeben, aus denen man an Ben gezerrt hatte. So viele Ansprüche, Wünsche, Forderungen. Vorstellungen, was Ben mit seiner begrenzten menschlichen Lebenszeit und seinem unglaublichen Potential hätte anstellen sollen.

Harlequin und Ghostwalker mussten die meistbeschäftigten Wesen (uneindeutige Definition des genauen biologischen Kennzeichens beabsichtigt) auf dem Planeten sein. Wenn man sie ließ, und sie einem erst einmal vertrauten, schickten sie einen alle zwei Wochen auf irgendeine weltumspannende Mission um ein altes aztekisches Artefakt aus einer Blutpyramide im unberührten Dschungel zu retten bevor Blutmagier es in den Griff bekommen konnten, oder um ein altes Weingut zu erhalten indem man einen Haufen SK-Equipment sabotiert. (Warum DAS jetzt so wichtig für die Zukunft der Metamenschheit gewesen sein sollte, hatte Harlequin ihm nie erklären können.)

Keziah und Ben hatten nach und nach ihre junge Liebe immer ernster werden lassen. Mehr zueinander gefunden, standen davor, sich niederzulassen. Gemeinsam eine Art Super-Taliskrämer-Unternehmen aufzubauen, oder unglaublich mächtige Kinder zu zeugen oder… irgendwie so etwas.

Und dann hatte es da noch den Coven gegeben. Bens Mutter, die anderen Hexen, seine Cousine Blair. „Komm zurück nach Hause Benjamin. Nimm deine Rolle an. Die Prophezeiungen berichten, dass jemand der im Bund mit… „Drachen“ steht, nach Salem kommen soll.“ Ben lächelte, schüttelte den Kopf und nahm einen Schluck Bourbon. Dämliche Hexen.

Eigentlich war das alles nicht wirklich fair. Mara war die letzte, die etwas für all das konnte, und sie hatte jahrelang im Dunkeln tappen und mit einer der schrecklichsten Krankheiten der Metamenschheit ringen müssen. Er konnte es ihr ansehen, vorn über gebeugt mit feuchten Augen ins Feuer blickend. Ungewissheit über die Vergangenheit, Angst vor der Zukunft. Selbst sie musste wissen, dass Fae nie etwas Gutes bedeuteten, und dass alles noch viel komplizierter werden würde. Die Art wie sie ihre Hände rieb und wie ihre Aura flackerte sagte ihm, dass sie das Blut nie ganz von ihnen waschen konnte… und dass sie den Geschmack nie ganz aus dem Mund bekam. Obwohl sie dank Daisy nie alleine war, vermutete er, dass sie sich oft so fühlte. Eine Last mit sich trug, die ihr Schicksal lenkte. Das arme Mädchen hatte mehr als eine schwere Hand die auf ihrem Leben lag, und mindestens eine davon gehörte Ben.

Er öffnete noch einmal den Mund, seufzte, und legte zögerlich den Arm um sie, drückte sie an sich. Das Mädchen schmiegte sich etwas zurück, und er tätschelte ihr sanft die Schulter. Und dann fand er einige wenige Worte: „Wenn der Weg vor dir unklar ist, ist es manchmal am besten, das Schicksal seine Geschichte erzählen zu lassen. Zerbrich dir nicht den Kopf über all deine Moms, über dich, über dein Seelie-Erbe. Am Ende wird immer alles gut. Und wenn es das nicht ist, sind wir da.“ Er spürte wie sie leise schluchzte; erleichtert. Und so saßen sie ein paar Minuten da.

Die Elfe raffte sich schließlich auf, und wischte sich Tränen von den Wangen. Das tat ihrem Mascara zwar nicht unbedingt gut, aber in dieser Hinsicht war bei ihr sowieso bereits alles verloren. „Die Mücken lieben Daisy. Und sie hat schon genug Blutsauger im Leben.“ Sie lächelte müde und mit spitzen Zähnen, zwinkerte ihm zu, und ging dann rüber zu ihrer schlafenden Freundin. Mit einer Zuneigung und Liebe, die Ben an seine eigenen Worte glauben ließ, dass alles gut werden würde, hob sie die schlafende Menschin mit müheloser Stärke an. Dann sah sie noch einmal zurück zu Ben Kendall. Er konnte ihr ansehen, dass sie auch nach Worten suchte. Dass ihr bewusst war, dass er genau so sehr am Tod ihrer leiblichen Mutter beteiligt gewesen war, wie Keziah. Aber dass Keziahs Verrat der Elfe auch so viel mehr weh tat, als Bens Taten. Dass sie irgendwo vermutlich wusste, dass es Gründe für den Tod ihrer Mutter gegeben haben muss. Und dass sie wusste, dass am Ende alles gut werden würde.

Er nickte ihr zu, und sie wandte sich ab, lief mit starken langen Schritten zurück zum kleinen Haus am See.

Er schaute zurück in die glimmende Glut vor sich. So war es los gegangen: Glut, und ein ungutes Gefühl. Gefolgt waren Runner, toxische Atombomben, eine Jagd durch eine feindliche Nation, ein magieloses Supergefängnis, der von den Geistern verdammte Seelie-Hof und ein nuklearer Supervulkan. Natürlich war es keine Option gewesen, die Sache nicht zu verhindern. Natürlich war Ben sofort bereit gewesen, seine eigene Magie zu verwenden um Ashe zu bannen.

Das Feuer war inzwischen fast gänzlich heruntergebrannt, wenig mehr als Glut und einige kleine Flammen. Neigte sich seinem Ende zu. Fast ausgebrannt.

Eigentlich war er so viel glücklicher. Er war einfach langsam zu alt für diesen Scheiß. Zu alt für den konstanten Druck, die Verantwortung, einzuspringen, wenn jemand einen Deus Ex Machina brauchte. Zu alt, um sich mit den Zukunftsplänen seiner Mutter herumzuschlagen. Und zu alt, um vor der Beziehung mit Keziah wegzulaufen, weil es noch so viel in der Welt zu erledigen gab, weil es irgendwo noch jemanden gab, der ihn brauchte, weil es irgendwo noch einen Zwischenstopp auf einer nicht abgeschlossenen astralen Reise gab.

Ben war froh, geschwächt zu sein, weil das bedeutete, dass er endlich einfach tun konnte, was er wollte… und nicht, was er tun wollen sollte. Weil die schwere Hand sich von ihm erhoben hatte.

Er stand auf. Es war an der Zeit, Keziah zu einem Glücksspiel herauszufordern. Er wusste schon, was er setzen würde. Und er wusste schon, wer gewinnen würde.

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Um Sunny zu zitieren:

Awww, ich liebe wie reflektiert es ist. Sehr schön geschrieben Paul! :heart_eyes: :smiling_face:

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Hihi, danke euch! :open_mouth:

Ich dachte, nach allem und auf seine alten Tage kann er - gezwungen durch die Umstände - ruhig Mal den Arsch hoch kriegen

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Das war wirklich sehr schön geschrieben :pleading_face: :blue_heart:

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