[Ich entschuldige mich hiermit förmlich für Überlänge 
]
Montag,
7. 12. 2075
Die Sonne strahlt an einem wunderschönen Wintertag auf Hope Island herab. Auf dem Rasen vor der Baustelle versammeln sich Journalisten und viele der eigentlichen Arbeiter, welche eingeladen waren danach noch zusammen ein Festmahl zu essen als Danke für ihre harte körperliche Arbeit. Kleine Zelte mit Heizstrahlern und einem jeweils vollen Buffet füllen die Wiese.
James streicht Minoru noch einmal die Haare glatt. Er kniet vor seinem Sohn, der Schock vom Wochenende noch im Gesicht geschrieben.
“Du musst jetzt stark sein, Minoru… Nur zehn Minuten, ok? Danach kommen wir wieder hier hin und und du kannst dich wieder verkriechen.” Minoru schnieft leise, nickt leicht und klammert sich dann um den Hals seines Vaters. James seufzt leise, hebt ihn hoch und sieht noch einmal in den Spiegel. Seine Augen sind immer noch rot von den ganzen vergossenen Tränen des Wochenendes, vorsichtig streicht er sein schwarzes Hemd glatt, dann geht er hinaus zu dem Podium vor der Wiese. Leises Klicken von Kameras begleitet sie. James setzt Minoru neben sich ab, wo Minoru sich fallen lässt und seine Arme um James’ Bein klammert. Vereinzelte traurige “aww”s können in der Menge vernommen werden.
James räuspert sich. “Guten Tag. Vielen Dank, dass sie gekommen sind. Ich freue mich, trotz der schwierigen Lage einige von Ihnen zu sehen. Dieses Projekt ist das Herzensprojekt meiner Frau… war. Sie hatte viele Pläne dafür, welche aus unseren Erfahrungen stammen. Ich möchte nicht näher ins Detail gehen, sie hätte das sicher besser erzählt, aber nach Minorus Geburt litt sie schrecklich an Post-Partum Depressionen. Selbst als sich sein Zustand verbesserte war es für sie sehr schwierig mit ihm eine Verbindung aufzubauen. Nehmen sie das nicht falsch, sie hat ihn über alles geliebt, aber es fiel ihr nicht einfach zu wissen was er gerade braucht. Ein Kind mit MMVV hat viele Bedürfnisse, und sehr viele davon sind anders als die eines ‘gesunden’ Kindes. Dieses Projekt war ihr Weg mehr über MMVV zu lernen, um Minoru zu verstehen und zu unterstützen. Wir haben viele Pläne für die Zukunft. MMVV-Infizierte sollen sich hier wohlfühlen, sollen nicht einfach missbraucht werden für Forschung. Wir wollen aber auch den Familien helfen damit sie weiterhin eine Familie bleiben.”
“Wir sind vielen Leuten sehr dankbar für ihre Hilfe, für ihren Rat und für ihre Spenden. So, dann möchte ich hiermit die Venus Clinic for Ethical Research eröffnen.” James lächelt müde, dann nimmt er eine Schere und schneidet das einfache Band zum Eingang der Klinik durch. Die nächsten Minuten verfliegen wie im Wind, James beantwortet ein paar Fragen, aber verabschiedet sich genauso schnell wieder um alleine mit Minoru zu trauern.
James macht sich und Minoru schnell etwas zu essen, erschöpft klebt Minoru weiterhin an der Seite seines Vaters. James’ Blick fällt auf Charlotte’s Komlink den Sunny ihm noch Freitag Nacht gegeben hatte. Er war ihr sehr dankbar, dass sie ihm sofort den Ort geschickt hatte, sodass er sofort los konnte. Als er ankam war Sunny sich noch am Verabschieden, und er konnte sich nicht vorstellen wie schwierig es für sie sein musste. Er konnte ihr nur weiter versichern, dass es nicht ihre Schuld war. Unfreiwillig muss er an den Tag denken, an den Moment bevor sie ging.
Freitag,
4.12.2075 18:12
Charlotte richtet ihren Blazer und betrachtet sich im Spiegel. Nervosität brodelt in ihrem Magen. Arme winden sich um ihre Taille, dann legt James seinen Kopf auf ihre Schulter und sieht sie durch den Spiegel an. “Du willst wirklich so gehen?”
“Es ist passend für das Dantes. Stört es dich?” fragt sie unsicher.
“Dass du mit deinen Brüsten argumentierst? Nein, ich genieße die Aussicht, aber ich bin auch froh, wenn du so nur noch mit mir diskutierst.” sagt er grinsend.
“Es ist der letzte Run, James… Ich sag Broker nach dem Run, dass es das war.” Sie atmet tief durch, aber James kann sehen, dass sie noch nicht fertig ist. “ … Ich habe Angst, James. Saeder ist uns wieder auf den Fersen und irgendwie erscheint mir diese Rettungsaktion zu einfach. Wir laufen in eine Falle,” sie senkt den Blick, dann legt sie ihre Hände auf James’ Arme.
“Hast du mit Broker darüber gesprochen?” Sie schüttelt leicht den Kopf. “Hör zu, wenn irgendwas ist. Dann schreib mir und ich hol euch da raus. Ich werde immer deine Kavallerie sein. Und… Falls dir irgendwas passiert, dann hast du alles getan um Sunny zu helfen. Sunny ist Familie, ok?”
“Ok,” murmelt sie und dreht sich weg vom Spiegel um sich richtig umarmen zu lassen. Es ist selten, dass Charlotte zeigt verletzbar zu sein. James streicht ihr vorsichtig über den Rücken. “Schon gut… Du kommst nach Hause diese Nacht und dann hab ich dich nur noch für mich.” Ein kleines Lachen entweicht ihr, dann schüttelt sie den Kopf. “Na gut,” sie löst sich von ihm und küsst seine Wange. “Bis später.” Sie geht ein Stück, dann dreht sie sich in der Tür noch einmal um.
“Du weißt, dass ich dich liebe, James?” fragt sie zögerlich.
Ein kleines Lächeln schleicht sich auf sein Gesicht. Er hofft, dass es ihr Mut macht. “Natürlich.” Dann nickt sie und verschwindet zur Tür hinaus.
James seufzt schwer und zieht Mino etwas enger. Der kleine Vampir beschäftigt sich lustlos mit einem Spiel auf James’ Komlink während er Charlotte’s ansieht. Ein paar der Runner haben ihm geantwortet, dass sie an einem Abschied teilnehmen würden. Vor Jahren schon hatten James und Charlotte eine Entscheidung getroffen Nachrichten aufzunehmen für sich, falls etwas passierte. Sie hatten einen guten Hacker bezahlt etwas einzurichten im Falle eines Todes. Auf dem Display des Komlinks strahlt ihm entgegen “Good Night Protocol starten?” Zögerlich drückt er auf “Ja.” Ein Ordner öffnet sich mit verschiedenen Unterordnern adressiert an Minoru, an ihr Team, an Broker, an ihre Mutter. Den kurzen Gedanken, dass mal wieder alle anderen wichtiger waren konnte er nicht verdrängen. Wenigstens hatte er etwas womit er Mino an seine Mutter erinnern konnte.
Er öffnet den Mino Ordner, darin befinden sich viele Videos mit Titeln wie “Für Weihnachten”, “Für Schlafenszeit”, “Für den ersten Herzschmerz”, “Für den 16ten Geburtstag”.
Dienstag,
08.12.2075 20:17
Der Tag verging nur sehr sehr langsam für James. Mino hatte die Beerdigung nicht verstanden und mehrmals angefangen nach seiner Mummy zu rufen. James konnte es ihm nicht verübeln. Der Priester war sehr bemüht gewesen der komischen Gruppe etwas aufmunterndes zu sagen, aber es war eindeutig, dass er Charlotte nicht kannte. Dankbarkeit regte sich in ihm für alle die aufgetaucht waren. Er war dennoch froh, dass es nur ihr Team war. Er hatte schon mit anderen die sie kannten gesprochen, aber sie zeigten alle Verständnis dafür es klein zu halten. Sie sahen schon wie eine ulkige Gruppe aus. Nach der Bestattung hatte James die Runner ins Haus eingeladen, dort konnte Minoru auch frei umher laufen und sich zurückziehen wenn es zu viel wurde.
Gerade sitzen sie alle zusammen im Wohnzimmer mit vollen Gläsern und Tellern. Es herrscht immer noch eine etwas unangenehme Stille. James kann sich denken, dass niemand etwas sagen möchte um ihn zu bedrängen. Stinger und Tower sitzen beide jeweils etwas abseits der Gruppe in Stille. James kann dem Menschen ansehen, dass er Schwierigkeiten hat mit allem zurecht zu kommen. Ben, Holliday, Jazz und Waterloo sind eine Ansicht für die Götter, etwas verlegen und fehl am Platz, aber auf ihre Art und Weise alle einzigartig passend in dieser Gruppe. Leyla hatte ihm seit morgens mit Minoru geholfen, und scheint nun leise mit Denix zu sprechen. James sieht rüber zu Broker, welcher leise mit Ben spricht. Broker’s Angebot teil des Teams zu sein, hatte Charlotte unendlich glücklich gemacht. James würde es für nichts auf der Welt tauschen.
“Ich habe noch etwas für euch, Charlotte hat Videos aufgenommen als Abschied. Eins ist an euch adressiert,” sagt er und lächelt sie leicht an. Er hatte das Video morgens Sunny geschickt damit sie daran teilhaben konnte. Dann schaltet er das Video an. Das Video war datiert von vor ein paar Wochen.
“Hey Ihr,” lacht Charlotte in dem Video. “Wenn ihr das seht bin ich tot. Literally. Ich hoffe ihr seht dieses peinliche Video nicht. Wenn ihr es doch seht?” Sie pausiert, schluckt und spricht etwas bedachter weiter. “Wenn ihr es doch seht, dann tut es mir schrecklich leid. Was auch immer vorgefallen ist, wir haben sicher das Beste getan was wir konnten. Und jetzt reißt euch mal zusammen. Ich will niemanden weinen sehen an meiner Beerdigung. Wenn ihr weint, dann nur weil ihr eine coole Geschichte erzählt. Jemand soll bitte die Geschichte erzählen vom Brackhaven Investment Center mit dem epischen Drachen! Beste. Geschichte. Ever.” Sie pausiert nochmal. “Danke, dass ihr mit mir gearbeitet habt. Man konnte sich immer auf euch verlassen.” Dann grinst sie frech. “Shots auf mich! … Na dann. Bis zum hoffentlich nächsten Video, Freunde.”
James kann sehen, dass bei der Erwähnung von dem Drachen einige traurig lachen mussten und Tränen vergießen. Er selbst schüttelt den Kopf, wischt an seinen Augen, dann steht er auf. “Ihr habt die Dame gehört, es gibt Shots.” Danach bricht ein leichtes Chaos aus, alle fangen an sich großzügiger beim Alkohol zu bedienen und sie sitzen zusammen bis spät in die Nacht um Geschichten auszutauschen. James nutzt das Chaos um auch Stinger noch einmal zu versichern, dass er sicher sein möglichstes getan hatte und bei ihnen immer willkommen war. Als er die Gruppe nachts dann irgendwann doch rausschmeißt, kann er sich den Gedanken nicht verkneifen, dass sicher einer von ihnen trotz Fahrer ins Wasser fällt.
Während er leise das Wohnzimmer etwas aufräumt fällt ihm noch einmal Charlotte’s Komlink in die Hände. Enttäuscht sieht er noch einmal in das Good Night Protocol. Er muss sich erschöpft setzen als plötzlich dort doch ein Ordner auftaucht mit den Titel “Für James.” Wie in den anderen Ordnern sind dort auch alle alten Videos gespeichert, sogar noch Videos von der Zeit wo er sich sicher war, dass sie niemals wieder zusammen sitzen würden. Das letzte aufgenommene Video öffnet sich, es konnte keine Woche alt sein.
“Na du? Ich hab darum gebeten, dass dieser Ordner erst auftaucht wenn du mit dem Team gesprochen hast… das habe ich sicher schon zwanzig mal gesagt. Aber ich weiß, dass du erst deinen Platz brauchst und sicher geschockt und gestresst bist… Ich hoffe du konntest etwas lachen mit ihnen. Naja… Zu jetzt… James, ich glaub hier ist was falsch. Ich hab das Gefühl, dass unser Glück bald aufgebraucht ist. Wenn du das siehst, dann hatte ich Recht und ich wünschte das erste Mal, dass ich das nicht hätte…” James laufen Tränen über die Wangen, als er sehen kann wie sie versucht nicht zu weinen. “Ich kann dir nicht viel sagen, ich weiß einfach nicht was. Es tut mir leid… Nach dem Run am Freitag werde ich Broker sagen, dass ich aussteige. Für uns. Ich will mich mehr auf uns konzentrieren. Wenn ich es bis Sonntag schaffe buch ich uns einen Urlaub. Nur wir beide. Mindestens ein Wochenende. Irgendwo wo es schneit,” sie seufzt schwer, er kann sich selbst im Hintergrund rufen hören, dass das Essen fertig ist. “Gute Nacht, James.” Sie lächelt traurig, dann schließt sich das Video.
