06.06.2077 - Free Force Rock Club - Billings - 21.30Uhr
Der Free Force Rock Club am Rande von Billings war eindeutig in die Jahre gekommen und hatte seine besten Zeiten irgendwann in den 40ern erlebt. Die Besitzerin Ruby, eine mütterlich wirkende Anglo-Trollin mit Shotgun am Gürtel hatte Rudy und die anderen Ganger die sie in den Club mitgebracht hatten direkt in Beschlag genommen und unterhielt sich mit ihnen angeregt an der Bar. Daisy saß in der an diesem Tag unbesetzten Technikermulde. In diesem Fall ein kleiner abgesetzter Bereich mit Schreibtischen und deaktivierten Monitoren. Von hier hatte man einen guten Überblick und sie fühlte sich wohl in diesem gewohnten Umfeld. Egal in welchem Club man war, die Technikermulde war immer irgendwie ein bisschen das Gleiche.
Gerade betrat Mara in der physischen Maske einer rundlichen Orkin mit Zahnspange die Bühne. Ihre Stimme war so durch Keziah angepasst worden, dass kein noch so geübter Stimmanalysator anschlagen würde.
Aber die Besucheranzahl des Clubs war überschaubar und sie waren nicht eindeutig die Zwielichtigsten hier drin aber wer sich auskannte konnte den Rest als eher harmlose Arbeiter und Rocker identifizieren. Keine Runner, keine anderen Ganger.
Mara grüßte die Menge und nahm mit ihrer Gitarre auf einem erhöhten Schemel platz.
Als erstes Stimmte sie ein altes Cover an. Vor der ersten Note lächelte sie Daisy noch ein letztes Mal an und Daisy lächelte zurück. Ein lieb gewonnenes Ritual zwischen den beiden.
Daisy lehnte sich mit dem Po auf eine Betonbarrikade und behielt den Raum routiniert im Auge. Auf der Hälfte des Songs gesellte sich der große blonde Elf, der sich zuvor mit dem vorangehenden Act, einem Balladen schmetternden Ork, unterhalten hatte, zu ihr.
Prostend hob Daisy ihm ihr Bier entgegen. “Light Bier. Wie eine brave Patientin!”
Grinsend klirrte Holliday seine Flasche gegen ihre und lehnte sich neben sie. “Du machst wirklich großartige Fortschritte in letzter Zeit. Deine Kondition ist… nicht toll. Aber wieder normal.” Er lachte und musterte den Raum ebenso routiniert ab wie Daisy. Selbige öffnete vor ihm ein kleines ARO. “Die Drohnen draußen melden Ruhe.”
Er nickte. “Also… Wie hast du das gemacht? Ich hab dich nie Sport machen sehen.”
Daisy zuckte mit den Schultern. “Schrauben ist auch anstrengend. Und dieses ganze Flüchten… Nicht mein Fall. Da versucht man dann doch wieder fit zu werden. Hab mich morgens bei den Vorlesungen in der AR eingeloggt und dabei bisschen Sport gemacht. Ich bins nicht gewohnt Gebiet einfach so hinter mir zu lassen und aufzugeben. Unser Kerngebiet in den Barrens haben wir immer behalten. Das war meine Heimat. Eine gleichbleibende Konstante zu der ich immer wusste, dass ich zurück kann. Und jetzt… Kann ich nie wieder zurück. Selbst falls Mara und ich uns trennen… Belial vergisst nichts.”
“Habt ihr euch schon Gedanken gemacht? Wie es weiter gehen soll? Maras, deine und Keziahs Pläne wirken immer sehr verschieden. Und irgendwie hängt Jazz ja an Keziah dran. Die sind ja jetzt schon wieder miteinander unterwegs. Und ich sollte dann ja auch wissen was abgeht. Auch wenn ich eigentlich zu allem bereit bin.” Er zuckte mit den Schultern und richtete den Blick auf die Bühne.
“Also… Mara und ich suchen tatsächlich was festes. Irgendwo wo nie die Sonne scheint und sie ihre Ruhe hat. Und wo Wohnraum quasi verschenkt wird. So landete ich irgendwann in Maine. Nördlich von Boston Richtung kanadischer Grenze im ländlichen Raum. Da gibt es hunderte von kleinen Inseln mit in die Jahre gekommenen Häuschen drauf. Die haben oft eigene Stege und du siehst manchmal tagelang keinen anderen Meta den du nicht kennst. Sie hätte quasi die gleiche Landschaft wie im Tir oder wie in Schweden aber ohne die Gefahr der Regierung oder dass es im Sommer 20 Stunden am Tag sonnig ist.”
Holliday schien kurz über diese Worte nachzudenken. “Crimson Crush gibts nicht viele in der Ecke. Und wie soll Mara sich ernähren wenn sie manchmal tagelang keinen anderen Meta sieht? Und wie kriegt man in Maine Fallbärspeichel? Was macht ihr mit Keziah?”
Daisy lachte. “Du bist wirklich unser Runner-Daddy. Ja… Crushs gibts da nicht viele. Aber der alte Mann da drüben…” sie deutete auf Rudy. “Kann schon auch mal in ein Flugzeug steigen. Das mit Mara… Ist ein Problem… Aktuell… hm…”
“Was?”
“Aktuell pokern wir ein bisschen drauf, dass Jazz mitkommt. Und damit auch Oscuro… Und der… weiß dann schon wie das geht. Jaaa der Plan hat noch Schwächen. Aber! Ich hab jemanden in Florida gefunden der Fallbären hält und vertickt. Wie blöd kann man eigentlich sein? Naja. Der würd uns ein Pärchen verkaufen. Aber nicht Mara erzählen! Ihr eigener Fallbär soll ne Überraschung werden und Keziah steckt da noch in vielen Erlaubnis-Prozessen und dann muss ja auch noch ein passendes Gehege her. Deshalb gucke ich auch jetzt schon nach Immobilien. Dann muss ich noch nen Futterapparat bauen der den Sabber sammelt… Bei Keziah: Die will wohl einfach ne benachbarte Insel. Dann ist sie da wenn sie da ist aber auch nicht wenn nicht. Das passt schon für mich. Ich bräuchte sie nur nicht im gleichen Haus. Mara kann hin und her wie sie bock hat. Wir können ihr ein professionelles Tonstudio einrichten. Und sie hat endlich die Ruhe die sie sich immer gewünscht hat… Und die sie verdient. Wir haben auch ein kleines Aufnahmestudio gefunden. ‘The Noise Room’ in Dover. Klein und kuschlig und direkt an einem Flughafen damit Poppy und Torabass kommen und gehen können. Das ist der Plan für die ‘zu Hause Zeit’. Wir hoffen ihre Tour bestmöglich an die Formel E Tour anzupassen… Dann können wir uns mit recht kurzen Reisezeiten oft sehen. Und dann versuchen wir alle 3 Monate einen Monat frei zu machen bei dem wir am Haus sind. Ich glaube das ist für uns grade so ziemlich die perfekte Kombo… Falls das mit Ashe alles klappt.” Sie atmete tief aus. “Und bei euch so? Zukunftspläne?”
“Um ehrlich zu sein? Irgendwie nicht. Jazz will das neue Boot wonach wir auch morgen tatsächlich mal genauer schauen wollten… Ihr Hausboot zu ersetzen wird… nicht einfach. Und sie will bestimmt wieder ins warme… Aber sonst? Wir suchen uns einen schönen neuen Plex, vielleicht mal weit weg von euch allen und machen ein bisschen was für uns.” Der Elf lacht leise auf und nippt an seinem Bier. “Aber wie lange wird das schon halten? Sie hat Mara adoptiert. Wir werden also früher oder später gerne wieder auf eurer Türmatte stehen. Wir fanden Bangkok schön. Vielleicht auch mal Schattenarbeit auf den Malediven oder Amazonien. Aber ihr werdet uns nicht langfristig los. Sie war gestern und heute aber irgendwie komisch… unruhig… hat mir Sorgen gemacht aber reden wollte sie noch nicht mit mir meinte sie. Was? Du guckst so… Daisy was macht sie?”
Daisy zog die Brauen hoch und atmete tief durch. “Holliday ich weiß nicht…”
“Begibt sie sich in Gefahr?” Der Elf richtete sich auf während Mara ihre Show auf der Bühne beendete und Daisy sie rüberwinkte.
“Keziah ist bei ihr.” Sagte die Menschin ruhig.
“Das heißt doch nichts! Daisy. Bitte. Wenn du weißt dass sie etwas dummes…”
Während Mara sich durch die Menge zu ihnen rüber schlängelte stieß Daisy ruckartig etwas Atemluft aus. “Okay. Aber nur weil… Weil ich dich wirklich lieb gewonnen hab…Sie sind auf dem Weg zu Keziahs Refugium. Naja einem davon. Frag mich nicht wo das ist, ich habe keine Ahnung. Sie treffen sich mit einem freien Geist. FiFi will ihre Magie zurück. Und Jazz will einen Geisterpakt eingehen.”
