Family Business [Teil 1]

Die alten Neonlichter an den heruntergekommenen Häuserfassaden spiegeln sich in den Pfützen, die sich vom andauernden Regen überall auf dem überfüllten Bürgersteig gesammelt haben. Trotz des unangenehmen Wetters sind doch viele Metas auf den Straßen unterwegs und eilen gegen den Wind geduckt an der massigen Gestalt Nicolays vorbei.
Zweifelnd sah dieser noch einmal auf die Adresse, zu die ihn der Grid Guide auf seinem Comlink geführt hatte.

Das Apartment vor ihm war Teil eines sehr alten Wohnblocks und die Außenwände waren über und über mit Graffiti besprüht. In diesem Teil der Stadt konnten es sich die Bewohner einfach nicht leisten bei schlechtem Wetter zuhause vor dem warmen Kamin zu sitzen. Alle möglichen Metas waren unterwegs um ihren mehr oder weniger legalen Geschäften nachzugehen und sich ihre Lebensgrundlage zu sichern, auch wenn sich die Pforten des Himmels über ihnen auf taten.

Nicolay seufzte und klopfte an der Tür des gedrungenen Gebäudes, während versuchte mit Hilfe eines Schirms seinen Anzug so trocken wie möglich zu halten. Laute Wummern von Bass und schrillen Gitarren drang durch die Tür, aber niemand schien ihn gehört zu haben. Nicolay zog einen seiner pinken Rollkoffer näher zu sich herab um einem Mann platz zu machen, der sich versuchte mit einem umgeschnallten Grill an ihm auf dem Bürgersteig vorbeizudrücken. Er klopfte noch einmal und wunderte sich gerade, ob sich seine Tante in der Adresse geirrt hatte, als das Wummern des Schlagzeugs leiser wurde und die Tür geöffnet wurde.
Vor ihm stand ein Elf, den man eigentlich als gutaussehend betrachten würde. Nicolay war sich allerdings nicht ganz sicher, ob der grüne Iro, die ganzen Nieten in der Lederjacke und die Tattoos auf den Vorarmen des Elfen , sowie dessen Nasenpiercing, zu den momentane Schönheitsidealen passten.
Der Elf streckte den Kopf aus der Tür und schaute Nicolay skeptisch an. „Was?“ fragte er barsch und abweisend.
„Couisin Mishka, ist das eine Art Familie zu begrüßen? Ich weiß wir haben uns schon lange nicht…“ weiter kam Nicolay nicht.
Der Elf hatte sich eine BBQ Spieß vom Grill des Essensverkäufers geschnappt und die Tür wieder zugeworfen.
„Fuck off Nicolay“ hörte er noch die erstickte Stimme seines Cousins hinter der Tür, bevor die Musik noch lauter als vorher weiter spielte.
„Er war schon immer ein bisschen eigenwillig.“ erläuterte Nicolay, während er dem Verkäufer das Geld für den Spieß gab. „Aber im Grunde ist er eine gute Seele.“

[...]

„Was denkt sich diese Keeb eigentlich dabei, dich hierher zu schicken?“ frage sein Cousin, der sich gerade auf einer verschlissenen Couch sitzend eine Zigarette anzündete „Die soll sich um ihren eigenen Drek kümmern und nicht ihre Nase in meine Angelegenheiten stecken.“ er überschlug seine Beine auf dem niedrigen Tisch vor ihm und kickte dabei mit seinen staubigen Combat Boots einige Magazine vom Tisch auf den mit Flaschen übersäten Boden.
„Cousin Mishka, so solltest du nicht von deiner Mutter reden.“ sagte Nicolay, der inmitten des Chaos aus leeren Pizzakartons, Bierdosen, Bierflaschen, Rumflaschen, Whiskeyflaschen, Ginflaschen, Tequilaflaschen, Sangria-Packungen und Flaschen in denen eindeutig einmal selbst gebrannter Alkohol gewesen war, an einer Wand lehnte.
„SKAR! Mein verkackter Name ist Skar.“ fiel ihm sein Cousin mit aufgebrachter Stimme ins Wort. „Aus genau dem gleichen Grund, warum von dieser scheiß Familie nichts mehr wissen will. Und weswegen du dich gleich wieder verpisst.“ fuhr er fort. „Weil ihr alle ein Haufen Drek seid, mit dem ich nichts mehr zu tun haben will.“ aus den Tiefen der fleckigen Couchkissen, zog Skar eine abgesägte, doppelläufige Schrotflinte hervor und richtete diese auf Nicolay. „Ihr tut immer so, als wäre Familie das wichtigste und das alle eine glückliche Gemeinschaft sind. Dabei seid ihr einfach nur ein kleiner unwichtiger Teil der russischen Mafia, der versucht nicht an Bedeutung zu verlieren, während die größeren Fische im Teich euch jagen, und ihr am Rand der Auslöschung weiter nach Strohhalmen greift, indem ihr jedes noch so unwilliges Mitglied der Familie dazu zwingt eure schmutzigen Geschäfte mitzumachen. Ich meine schau dich nur an Nicolay, wie du hier unangemeldet bei mir auftauchst, mit deinem russischen Akzent, als wärst du aus einem beschissenen Klischee gestiegen und angezogen wie der verkackte Auftragsmörder eines verschissenen Gangbosses, dessen Auftrag es ist, einen fucking Rivalen auszuschalten.“
Schwer atmend kam Skar zum Ende seiner Schimpftirade und hielt die Mündung der Waffe zitternd weiterhin auf Nicolays Brust gerichtet.
Für einen Moment musterte Nicolay schweigend die Waffe, die auf ihn gerichtet war.
„Dir gefällt mein Anzug also nicht?“
„DU HAST MEINE VERSCHISSENE TÜR EINGETRETEN!“
„Mein Koffer wurde nass auf der Straße und du wolltest mich nicht reinlassen.“
„……“
„…….“
„Ach scheiß drauf.“ sagte Skar mit resignierender Stimme und warf die Abgesägte hinter sich über die Couch, wo sie klappernd zwischen verschiedenen Flaschen auf dem Boden landete.
„Setz dich Nicolay, nimm dir n Bier.“
„Du hast nicht zufällig Vodka da?“ fragte Nicolay, als er sich auf dem ohnehin schon zerfledderten Sessel fallen lies und diesen unter sich begrub.
„Hast du mir gerade nicht zugehört? Ich will nichts mit den Russen zu tun haben.“ erwiderte sein Cousin genervt.
„Schade. Früher haben wir immer zusammen Vodka getrunken.“ meinte Nicolay, der den Boden um sich herum musterte und nach einer noch nicht geöffneten Dose Ausschau hielt. „Du weißt, dass ich meiner Tante schlecht einen Gefallen ausschlagen kann. Dieser Besuch hat nichts mit den Familiengeschäften zu tun. Sie hat sich einfach Sorgen gemacht und mich gefragt ob ich mal nach dir schauen könnte.“ Skar zog kräftig an der Zigarette in seinem Mund und stieß einen großen Schwall Rauch in das kleine Zimmer.
„Weil sie wusste, dass du der einzige aus der Familie bist, den ich nicht sofort abknallen würde.“
„Und weil sie sich Sorgen darüber macht, ob es dir gut geht.“ meinte Nicolay und lies den Blick schweifen. „Erzähl doch mal. Was machst du eigentlich, seit du hier nach New Orleans gezogen bist?“ fragte Nicolay, als er eine löchrige Socke von einer Rumflasche zog, die offensichtlich noch nicht ganz geleert wurde.

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[Uhhhhhh die Mafia! Jetzt gehts rund! :dizzy_face: Aber unverschämt jemanden im Regen stehen zu lassen, sodass der schöne Anzug nass wird… :weary: ]

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[Sehr schön geschrieben. Vor allem mit der Pause, wo sich dann erst weiter im Gespräch aufklärt, wie er da nun rein gekommen ist :smile:]

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[Dankeschön, für das Feedback =)
Mal schauen, wie es weiter geht. Bin mir da selbst noch nicht 100% sicher,]

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