Ein unangenehmes Gespräch - Nicolay/Jahm

23:45 – auf dem Dach des verlassenen Lonestar Gefängnisses in Shohomish – Nicolay

Ein eisiger Wind zog über das Dach des aufgegebenen Lonestar Gefängnisses. Nicolay stand in Mitten von Menschen die er zu schätzen begonnen hatte. Sie waren damit beschäftigt Kratzer, Wunden und Blessuren zu verarzten, welche sie sich in der letzten halben Stunde während ihres Auftrags zugezogen hatten.

Der Angriff von Zanes Runner Team hatte ihnen ziemlich zugesetzt und Nicolay und das Rauschen in Nicolays Ohren übertönt fast die erschöpfte Diskussion der Anderen.
Obwohl er gegen den Wind gedreht steht, steigt ihm weiterhin der metallische Geruch von Blut in die Nase. Es könnte von der großen Blutlache sein, welche sich um Butch herum ausbreitete, aber er bezweifelte es. In den letzten Wochen war dieser Geruch zu einem ständigen Begleiter geworden und Nicolay konnte langsam nichtmehr unterscheiden ob es sich nur einbildete, oder nicht.
Er drehte seine Handflächen nach unten und betrachtete seine Hände. Die schützenden Handschuhe deaktivierten sich und das dickflüssige schwarze Material zog sich zurück in die dezenten mattschwarzen Reife an seinen Handgelenken. Sein Blick blieb an seinen Fingernägeln hängen.
Obwohl er sie täglich gründlich reinigte hatte er das Gefühl, dass irgendwie Blut unter seine Nägel gekommen und getrocknet war.
Seufzend ließ er seine Hände wieder sinken.
Hinter sich konnte er die anderen darüber diskutieren hören, was sie mit den Gasladungen machen sollte.

Sie konnten es sich nicht erlauben hier weiterhin Zeit zu verlieren, denn Butch verlor rasch Blut und ihr einziger ausgebildeter Mediziner hatte den ungünstigsten Zeitpunkt gewählt um einen blutrünstigen KFS-Anfall zu erleiden. Auf der einen Seite wollte niemand die gesamte Dose Nervengas in das Gebäude pumpen und damit über ein dutzend KFS-Infizierte mit einer tödlichen Dosis vergasen.
Aber wenn sie eine nicht tödliche Dosis freilassen würden, würden Butchs Patienten aufwachen, während das Team auf dem Weg war um Butch von einem Arzt das Leben retten zu lassen.

Er hasste Situationen wie diese. Sein Gewissen rebellierte schon seit Wochen gegen die Folgen der Entscheidung, die er getroffen hatte. Aber er hatte das Gefühl, dass eine willentliche Entscheidung dazu, diese Unschuldigen zu töten, ihn endgültig in den Wahnsinn treiben würde.
Die Entscheidung, Schutz von seiner Familie in Anspruch zu nehmen, hatte er zusammen mit Mishka und Jahm willentlich getroffen. Und auch wenn die anderen beiden nicht genau wussten, welche Aufträge er im Austausch für diesen Schutz durchführen musste, so war sich Nicolay von Anfang an über den Preis bewusst gewesen.

Vor 10 Jahren hatte er die Gelegenheit genutzt und war aus den Business als Enforcer der Familie ausgetreten. Er hatte es satt gehabt, seinen Lebensunterhalt mit Erpressung, Entführungen und Mord zu verdienen. Und es war ein guter Deal gewesen.
Aber nachdem er Mishka und Jahm geholfen hatte vor Maxwell zu fliehen, hatten sie nach der Rückkehr nach Seattle lernen müssen, dass Maxwell überlebt hatte und allem Anschein nach auf Rache aus war.
Maxwells Netzwerk in Seattle war größer als Nicolay zuerst angenommen hatte, aber es hatte sich schnell herausgestellt, dass Maxwell die Mittel hatte auch in Seattle regelmäßig Attentäter auf Mishka und Jahm anzuheuern.

Daraufhin hatten Nicolay Kontakt zu seiner Familie hergestellt, und etwas getan was er nie wieder vor gehabt hatte. Er hatte sie um Hilfe geboten. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er es vermieden wieder in der Schuld seiner Familie zu stehen.
Aber wie die Mafia nun einmal war, hatten sie genau gewusst, wie sie die Situation nutzen konnten.
Sie hatten sich einen ihrer besten Männer zurückgeholt im Austausch für den vollen Schutz der russischen Mafia.
In den letzten Woche hatte Titania ihn langsam aber sicher wieder in Jobs eingespannt, denen er vor Jahren entkommen war.
Und er hasste es. Er hatte es damals gehasst und er hasste es noch immer. Dies war nicht die Art von Leben die er leben wollte. Ja, er konnte es sich nicht verkneifen an Runs teilzunehmen. Aber das unauffällige Exfiltrieren eines Wissenschaftlers, oder das verhindern eines politischen Coups waren etwas anderes als die dreckigen Geschäfte er Mafia.
Er konnte einfach nicht untätig da stehen und unschuldige dem Tod überlassen.
Aber vielleicht musste er dies auch nicht.
Vielleicht war es an der Zeit, dass er diese Bürde nichtmehr alleine trug.
War es egoistisch eine Andere Person mit hineinzuziehen, um sein Gewissen nicht bis zum kritischen Punkt zu belasten?
Nein, es ging hier nicht nur um das seine Leben, sondern auch um das von Metas, die nichts für ihre unvorteilhafte Situation konnten.
Nicolay traf seine Entscheidung, öffnete die Kontaktliste seines Comlinks und wählte Mishkas Nummer.


23.47 – Safehouse der russischen Mafia – irgendwo in Seattle – Jahm

Mit zusammengepressten Lippen saß Jahm im Schneidersitz in der Mitte des Raums. Um sie herum lagen zahllose alte Zeitschriften verstreut und drei halb volle Kaffeebecher standen vor ihr. Ihr Blick war gebannt auf einen kleinen roten Ball, in der Größe einen Murmel, gerichtet, welcher einige Zentimeter über ihre geöffnete Handfläche schwebte. Sie konnte es spüren, dass sie fast soweit war. Es fehlte nurnoch etwas mehr …
In dem Moment in dem Mishkas Comlink auf dem Couch Tisch hinter ihr anfing zu klingeln, verlor sie ihre Konzentration und beinahe die Kontrolle über das magische Konstrukt. Sie zuckte zusammen und stieß einen der Becher um, der prompt seinen Inhalt über eines der Magazine entleerte.
„Hey pass auf, das ist eine Sammlerausgabe.“ meinte Mishka, der auf der Couch lag und hinter einem Comic hervorlugte, den er gerade noch gelesen hatte. In den letzten Wochen hatte er verkündet er würde ein altes Hobby wieder aufnehmen und hatte seitdem mehrere dieser „Sammlerbände“, wie er sie nannte, auf irgendwelchen Sammlerbörsen in der Matrix erworben.
Nach einem kurzen Blick auf seinen Comlink nahm Mishka den Anruf an. „Hey Cousin, was rufst du so spät noch an? Und wo bist du heute Abend überhaupt. Du hast doch heute deinen freien Abend und ich dachte wir wollten zusammen eine Runde zocken.“

Jahms Aufmerksamkeit driftete wieder zurück zu ihrem kleinen magischen Experiment. Wenn Mishka mit Nicolay telefonierte dauerte das ganze meistens etwas länger und sie konnte die Zeit gut nutzen um weiter zu üben. Sie bezweifelte zwar, dass Nicolay sie in der nächsten Zeit bitten würde ihm zu helfen, aber sie hatte die Hoffnung nicht aufgegeben. Sie hatte Nicolay geben, sie in das Leben eines Shadowrunners einzuführen, damit sie ihren Beitrag leisten konnte. Aber nach ihrer Vorstellung in der Arena in Vegas meinte Nicolay es fehle ihr noch an Kontrolle und Subtilität, wenn sie nicht direkt auf ihrem ersten Run auffliegen wolle. Und so sehr sie auch argumentiert hatte, konnte sie es nicht wirklich bestreiten. Ihr Feuerzauber war super dafür geeignet ein Loch in einen gepanzertes Fahrzeug zu brennen. Aber wenn sie sich nicht zu sehr Schusswaffen verlassen wollte, musste sie diesen Zauber besser beherrschen. Sie nahm einen herzhaften Schluck aus dem mit Kaffee gestreckten Bourbon und konzentrierte sich wieder darauf die Flamme in ihrer Hand so stark zu komprimieren wie sie konnte. Es gelang ihr auch. Die Flamme wurde von ihrem Willen in einem so kleinen Raum gehalten, dass sie fast die Temperatur von Plasma erreichte. Wenn sie es nur schaffen würde diese Form beizubehalten, ohne sich so stark konzentrieren zu müssen….

„DU WILLST DAS ICH FUCKING WAS MACHE?“ schrie Mishka hinter ihr sein Comlink an. Diesmal verlor sie komplett die Konzentration und die Kugel konzentrierter Magie entglitt ihr. Sie konnte die Magie gerade noch so von sich stoßen, bevor sie alle Kontrolle verlor.
Ein gleißend heller Flammenstrahl zerriss die Luft vor ihr und brannte ein Loch in der Größe eines Gymnastikballs durch die Wand des Wohnzimmers.
„HAST DU EINE AHNUNG, WAS MEINE MUTTER VON MIR DAFÜR VERLANGEN WIRD?“ schrie Mishka weiter. Jahm starrte auf das Loch in der Wand. Mishka schien ein eher unangenehmes Gespräch mit Nicolay zu haben. Aber sie hatte das Gefühl, dass das nichts wäre, gegen das Gespräch in dem sie Mishkas Mutter erklären musste, warum sie ein Loch durch ihre Mahagoni getäfelte Wand gebrannt hatte. Sie sollte sich lieber auf der Stelle unsichtbar machen und verschwinden. Zumindest würde sie das, wenn sie nicht wüsste das Mishkas Mutter sie trotzdem innerhalb von 5 Minuten aufgespürt hätte.
Um sich von ihrer Situation abzulenken, wand sie ihre Aufmerksamkeit dem Gespräch hinter sich zu.
Dabei war Nicolays Stimme aus dem Complink zu vernehmen. „Es geht hier um das Leben Unschuldiger. Ich weiß, dass du nichts mit dem Familiengeschäft zu tun haben möchtest. Aber du bist wahrscheinlich der einzige, der ihr einen solchen Gefallen entlocken kann. Sie will schon seit langem, dass du wieder mehr für die Familie tust. Und wenn du ihr das dafür versprechen musst, ist es das wert.“
Jahm konnte die entsetzen Gesichtszüge von Mishka erkennen, der sich mit seinem vercyberten Arm die Stirn hielt.
„Nicolay, ich kann das nicht…“ begann er erneut, aber dieser unterbrach ihn. „Oh verschone mich damit. Weißt du, wie häufig ich in den letzten Wochen Dinge getan habe, die ich mir geschworen hatte nie wieder zu tun? Und du weißt warum. Um unser Leben zu schützen. Ich bitte dich darum, dass du mir diesen Gefallen tust um das Leben anderer zu schützen.“ er herrschte eine kurze Stille, in der Mishka sichtlich um Worte wrang „Und für meinen Verstand“ hörte sie Nicolay leise hinzufügen.
Jahm stand auf. Sie sah Mishka an, wie er versuchte seine Argumente zurecht zu legen, warum er nichts mit den Geschäften der Familie zu tun haben wollte. Als er seinen Mund öffnete um zu antworten trat sie vor und verpasste ihm eine Ohrfeige.
Mishka sah geschockt zu ich auf. „Was zum…“ begann er und sie verpasste ihm noch eine.
„Der Mishka, den ich kennengelernt habe, hatte mehr Rückgrat als das.“ sagte sie, als sie ihm mit ernstem Blick in die Augen schaute. „Der Mishka den ich kennengelernt habe, hat sein Leben in Gefahr gebracht um einer Unbekannten aus einer brenzligen Situation zu helfen. Wo ist er jetzt, wenn es um das Leben mehrere Unschuldiger geht?“ Sie wusste nicht, worum es genau ging, aber sie wusste, dass Nicolay Mishka nicht ohne Grund um so etwas bitten würde.
Mishka schloss langsam wieder seinen Mund und schluckte. Dann öffnete er ihn erneut und antwortete langsam. „Ok Nicolay. Wenn du sagst, dass es Leben retten kann, werde ich Mama darum bitten ihre Einheit zu deiner Position zu schicken.“
„Danke Mishka. Ich weiß, dass es schwer ist, aber wir werden das gemeinsam durchstehen.“ antwortet Nicolay, dem man die Erleichterung in der Stimme anhören konnte. Allerdings war auch noch immer eine Anspannung darin zu vernehmen. "Und Jahm. Danke. " kam es kurz darauf noch aus dem Comlink. „Er wäre auch selbst zur richtigen Entscheidung gekommen, aber manchmal ist es gut wenn man jemanden hat, der einen daran erinnert, wer man ist.“
„Kein Problem Nicolay.“ sagte sie noch, bevor dieser die Verbindung beendete.

Mishka blickte auf zu ihr. Sein Gesicht war bleich, aber entschlossen. Als er das Loch hinter ihr in der Wand erblickte, wurden seine Augen größer.
„Jahm, was zum Teufel hast du getan?“
„Nun ja, ich würde es ja auf dich schieben, aber ich glaube du hast genug um das du dir jetzt sorgen machen musst. Aber ich glaube ich sollte mir ebenfalls ein Rückgrad wachsen lassen und es deiner Mutter einfach direkt beichten. Dann haben wir wenigstens beide ein unangenehmes Gespräch mit ihr.“
Mishka fing hysterisch an zu lachen. „ich weiß nicht, ob du einfach nur ein unangenehmes Gespräch mit ihr haben wirst. Siehst du die Reste dieses Rahmens da auf dem Boden? Das war eins ihrer Lieblingsgemälde.“
Jetzt war Jahm an der Reihe bleich zu werden und das Gefühl zu verspüren hysterisch loszulachen und sich im am Boden des nächsten Sees zu verstecken."
Beide erstarrten, als sie das Sicherheitsschloss aus dem Gang auf der anderen Seite des Lochs hörten.
Dies konnte nur heißen, dass Mishkas Mutter nach Hause zurückgekehrt war.
„Mishka. Was ist hier geschehen?“ hörten die beiden die eisige Stimme Titanias aus dem Flur.

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TLDR:

  • Nicolay hat in den letzten Wochen als Hitman/Enforcer für die russische Mafia gearbeitet um von diesesn Schutz für sich, Mishka und Jahm zu erhalten.
  • Die drei werden von Agenten Maxwells verfolgt und sind deswegen bei der Mafia untergetaucht
  • Nicolay hat mentale Problem damit Unschuldige zu töten und sucht Hilfe bei Mishka
  • Mishka weigert sich erst seine Mutter (welche ebenfalls der Mafia angehört) um Hilfe zu bitten
  • Nicolay und Jahm überreden ihn schließlich, dass er seine Dienste für die Mafia anbietet im Austausch dafür, dass seine Mutter ein Team der Mafia sendet um die KFS infizierten wieder zurück in ihre Zellen zu sperren, während diese durch das Gas bewusstlos sind.
  • Jahm übt Magie und zerstört aus Versehenein Bild an dem Mishkas Mutter sehr hängt
  • Mishkas Mutter kommt nach hause
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sehr schöne Fiction! Bin gespannt wie es bei denen weiter geht und wie und wieso sie nach Kuba kommen :smiley: Also falls du sie bzw Nicolay überhaupt mitnimmst

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Ich hatte es eigentlich schon vor weiterhin Nicolay zu spielen.^^
Und einen Grund finde ich auf jeden fall, die nach Cuba zu schicken.
Freut mir, dass es dir gefällt

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Sehr schön geschrieben.
Der arme mishka…bei der mutter :joy:

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Sehr schön geschrieben :heart:

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