[TW: Blut, Verletzung, Drogensucht]
Sonntag 03.07.2077, mittags in Richtung Cheyenne
Die Sonne steht hoch am Himmel und die Hitze ist draußen mittlerweile unerträglich. Zum Glück hat Violet durch die Klimaanlage eine angenehme Kühle im Inneren ihres Vans.
Sie ist froh, dass sie dank Grid Guide nicht selbst fahren muss, denn ihr rechter Arm liegt provisorisch in einer Armbinde, damit er etwas ruhig gestellt ist.
Die Hexen haben zwar mit ihrer Magie die offene Fraktur geheilt, dennoch kann sie weder ihren Arm, noch ihre Hand richtig benutzen oder nur unter starken Schmerzen. Sie weiß, dass sie das dringend untersuchen lassen muss. Wenn sie das so verheilen lässt, ist es möglich, dass sie ihre Hand nie wieder richtig verwenden kann.
Als langsam der pochende Schmerz in ihrem Arm wieder stärker wird nimmt Violet schnell eine Schmerztablette zu sich und wartet, dass der Schmerz wieder verschwindet.
Sie schaut auf das Navi. Noch zwei Stunden bis sie in Cheyenne ankommt. Je näher Violet sich ihrem Ziel kommt umso nervöser wird sie.
Trotzdem wollte sie ihre Schwester noch einmal persönlich sehen, bevor sie sich wieder nach Seattle aufmacht.
Nachdem Jennie sie bei ihrer illegalen Arbeit erwischte, hatten sie nicht nochmal miteinander gesprochen. Deswegen war Violet überrascht, dass ihre Schwester ihren Anruf entgegen nahm und dass sie eingewilligte, sich nochmal mit ihr zu treffen. Sie hofft sehr, dass sie zumindest im Guten auseinander gehen werden.
Cheyenne
Violet ist als erstes am Treffpunkt angekommen. Bis Jennie auftaucht wartet sie noch in ihrem Van und wackelt nervös mit ihrem Fuß. Als Violet sieht, wie Jennie um die Ecke kommt, steigt sie vorsichtig aus.
Als Jennie ihre Schwester erblickt, schaut sie sie besorgt an.
“Meine Güte Izzy, was ist denn mit dir passiert?” fragt Jennie und bleibt vor ihr stehen. Sie kann ihre Reaktion verstehen. Es ist zwar schon ein paar Tage her, dennoch sind noch nicht alle Wunden vollständig verheilt und Violet sieht deswegen noch etwas mitgenommen aus.
“Was soll ich sagen? Es waren ein paar harte Tage gewesen.” erwidert Violet. Es kommen die Erinnerung an Blackstone wieder hoch. Als der Gefangene vor ihr stand und sie gegen den Tisch geschleudert wurde und dann das Kamikaze… sie verdrängt die Gedanken schnell wieder.
“Das beantwortet aber nicht meine Frage.” sagt Jennie hartnäckig.
“Na schön, ich wurde wortwörtlich gegen eine Tisch geworfen, deswegen der gebrochenen Arm.” Violet hebt dabei demonstrierend den Arm.
“Gegen einen Tisch?” sagt ihre Schwester leicht entsetzt. “Aber warum?”
“Das ist nicht wichtig. Wichtiger ist, dass ich dich nochmal sprechen wollte, weil ich die Sioux Nation verlassen werde. Und ich wollte mich noch ordentlich von dir verabschieden.” sagt Violet.
“Du gehst? Wann?” fragt Jennie etwas überrascht.
“Noch heute. Deswegen wollte ich dir noch sagen: Ich weiß, dass du nicht zufrieden bist mit dem was ich arbeite und dass ich dich deswegen all die Jahre angelogen habe. Und das tut mir sehr leid.
Ich hätte dir gerne gesagt, was ich mache, aber ich wollte dich von meinen Schattenaktivitäten fernhalten. Schon alleine für deine Sicherheit. Ich könnte es mir nie verzeihen, wenn dir oder deiner Familie etwas zustößt, nur weil jemand weiß, dass wir Geschwister sind. Gerade in den letzten Wochen hab ich gemerkt, wie wichtig das auch war.
Auch wenn ich weiß, dass du willst, dass ich damit aufhöre, kann ich und will ich das nicht. Ich liebe meinen Job. So kann ich den Menschen helfen, die es sich nicht leisten können in ein Krankenhaus zu gehen. In den Wochen alleine, wo ich hier war hab ich so vielen SINlosen oder Squattern geholfen, die wahrscheinlich sonst gestorben wären. Und das ist es mir wert. Ich hoffe einfach nur, dass du es verstehst, Jen. Wenn du nichts mehr mit mir zu tun haben möchtest, akzeptiere ich das, auch wenn es mich traurig machen würde.” Violet hat alles gesagt, was sie wollte. Nun wartet sie nervös auf ihre Reaktion.
Nach einer Weile seufzt ihre Schwester leicht: “Ich hab in letzter Zeit viel darüber nachgedacht und nachdem was du eben gesagt hast… Ja, ich mag nicht, was du machst und ich werde es wahrscheinlich nie mögen. Schon alleine, wenn ich dich jetzt sehe wie verletzt du bist, frage ich mich, wie du da immer noch an deiner Einstellung festhalten kannst. Aber ich möchte den Kontakt zu dir nicht abbrechen. Du bist und bleibst meine Schwester. Es wird vielleicht nicht mehr so ein entspanntes Verhältnis wie früher, aber das hier ist mir lieber als gar keins.”
Violet merkt wie die ganze Anspannung von ihrem Körper abfällt.
Erleichtert sagt sie: “Das freut mich wirklich.” Die beiden Geschwister lächeln sich leicht an und verfallen in eine leichte Umarmung.
Montag, 04.07.2077 abends in Seattle
Regen prasselt gegen das Fenster des kleinen, heruntergekommenen Apartments in der Violet und ihre beste Freundin Velma auf dem Sofa sitzen.
Der Arm und die Hand sind mittlerweile operiert und in einer Schiene zur Stabilisierung. Nachdem Violet in Seattle angekommen ist, ging sie gleich zu einem ihr bekannten Streetdoc und ließ sich behandeln. Die Knochen in der Hand waren ziemlich zertrümmert und es ist noch fraglich ob die Hand wieder voll funktionstüchtig wird. Das kann man aber erst feststellen, wenn die Knochen wieder vollständig verheilt sind.
Nach der Operation wartete schon Velma vor der Praxis. Zusammen machten sie sich dann auf zu ihrem Apartment.
Auf dem Sofa sitzend beginnt Violet das Gespräch: “Also was hast du herausgefunden zu dem Typen, der meine Praxis abgebrannt hat?”
“Also: Nach einigen Recherchen und Connections befragen ist mir ein Mensch besonders aufgefallen.” beginnt die Orkin zu erzählen. “Er ist am Tag des Brandes recht nah an deiner Praxis gesehen wurden. Zudem ist er nach dem Brand verdächtig oft an der Praxis vorbei gekommen und hat sich umgeschaut. Und er scheint woanders nach dir gefragt zu haben.”
“Das klingt wirklich sehr verdächtig.” erwidert Violet nachdenklich.
“Und ich kann sogar ein Bild von ihm zeigen.” sagt die Orkin und zeigt Violet ein Bild von einem Mensch mit braunen Haar und blauen Augen auf ihrem Komlink.
“Ich kenne ihn!” sagt Violet nach einer Weile. “Er war damals mit seinem besten Freund zu mir gekommen, weil dieser ziemlich starke Verletzungen hatte. Und während ich ihn operierte kam es zu einer Komplikation, sodass ich ihn am Ende nur für Hirntot erklären konnte. Er verkraftete es überhaupt nicht gut und gab mir die Schuld an all dem. Aber dass sein Hass so tief geht, hätte ich selbst nicht gedacht. Sucht er noch aktiv nach mir? Es klang für mich nicht so, dass er glaubt, dass ich in dem Feuer umgekommen bin.”
“Sicher bin ich mir da nicht.” sagt Velma nachdenklich. “Aber ich vermute, dass seine Suche nach dir nachgelassen hat. Ich denke, wenn du vielleicht nicht hierher, sondern woanders hin ziehst, solltest du deine Ruhe vor ihm haben. Oder du setzt einen Wetworker auf ihn an, dann hast du definitiv deine Ruhe vor ihm.”
"Das mit dem Wetwork hat mir jemand anderes auch schon vorgeschlagen. Aber ich weiß nicht ob ich das wirklich machen will. Ich denke da nochmal darüber nach. Vielen lieben Dank für alles, ich schulde dir was.” sagt Violet lächelnd.
Die Orkin winkt ab: “Ach Quatsch, für dich mach ich das doch gerne. Außerdem hast du mir so oft schon den Arsch gerettet, da bin ich eher dir was schuldig.”
Nachdem die beiden eine Weile da saßen und gemütlich was tranken, schaut Velma sie ernst an: “Irgendwas liegt dir doch auf dem Herzen, dass kann ich deutlich sehen, so betrübt wie du schaust.” und blickt sie abwartend an.
Violet fühlt sich ertappt. Jetzt wo sie wieder bei ihrer Freundin ist, kann sie die ganzen schlechten Gedanken der letzten Woche nicht länger verdrängen.
Zögerlich beginnt sie zu erzählen: “Es ist einiges in den Sioux Nation passiert. Ich hab eine tolle Gruppe kennengelernt, mit denen bin ich durch das Land gereist. Wir haben viel verrückten Drek erlebt, aber der letzte Run…” Sie hält kurz inne als die schmerzhaften Erinnerungen sich vor ihrem inneren Auge abspielen. “Es lief die ganze Zeit erstaunlich gut und dann ging plötzlich alles schief. Wir wurden von allen Seiten beschossen und mich hat dieser große Typ einfach durch die Gegend geschleudert.
Und als ich dann schwer verletzt auf den Boden lag, hat mir eine aus der Gruppe Kamikaze angeboten. Und ich wollte doch nur, dass diese elenden Schmerzen aufhören! Also hab ich es genommen.”
Velma schaut Violet beruhigend an. Damals hatte sie ihr geholfen aus ihrer Drogensucht herauszukommen und Violet hatte ihr versprochen bei Rückfällen Bescheid zu sagen, sodass sie ihr weiter zur Seite stehen kann.
Die Orkin legt sachte ihre Hand auf den gesunden Arm.
“Das verstehe ich, bei so starken Verletzungen kannst du nicht mehr klar denken.” gibt Velma beruhigend zu verstehen.
“Aber ich hätte klar denken müssen! Fünf Jahre! Fünf verfickte Jahre hab ich mich von sämtlichen Drogen ferngehalten. Und nun ist das jetzt wieder hinfällig.” Violet lässt betrübt die Schultern sinken.
“Und das schlimmste ist: In dem Moment mochte ich es. Dieses Gefühl keine Schmerzen zu spüren und dieses Gefühl von Unbesiegbarkeit.”
“Das haben so Drogen an sich. Dass du dich gut fühlst, aber sie schaden am Ende nur. Und das weißt du.” erwidert Velma eindringlich.
“Ja ich weiß. Deswegen will ich es nicht mögen, aber es fällt mir plötzlich wieder so schwer. Dabei hat diese scheiß Droge nur dafür gesorgt, dass ich zu nichts zu gebrauchen war!” sagt Violet verzweifelt. “Ich hätte ihn vielleicht retten können. Selbst mit einem Arm hätte ich was ausrichten können oder hätte Wissen beisteuern können, irgendwas! Stattdessen lag ich selbst durch das Kamikaze zusammengebrochen da und war unfähig etwas zu tun. Das fühlt sich an wie damals! Und nun ist er genauso tot!” Tränen laufen über Violets Gesicht und sie beginnt heftig an zu schluchzen. “Das kann ich mir nicht verzeihen, er hatte es nicht verdient so zu sterben.”
Während Violet weiter am weinen ist, zieht die Orkin sie wortlos in die Arme.
Mittwoch 06.07.2077
Nachdem Violet ein paar Besorgungen erledigt hatte, macht sie sich auf den Weg zu der Wohnung ihrer Freundin. Während sie die Straßen von Seattle entlang geht, denkt sie über ihr weiteres Vorgehen nach. Einerseits würde sie am liebsten hier bleiben und sich hier wieder etwas aufbauen. Andererseits musste sie an die Worte von Velma denken. Auch wenn der Mann nicht mehr aktiv nach ihr sucht, besteht dennoch die Gefahr, dass wenn sie hier bleibt, er sie wiederfindet und wieder angreift. Vielleicht wäre es besser weiter zu ziehen und woanders neu anzufangen?
Vielleicht mehr in Richtung Süden, wie Los Angeles? Oder doch mehr in den Westen von Amerika? Oder setzt sie doch ein Wetworker auf ihn an?
Während sie weiter darüber nachgrübelt, kommt Violet an ihrer alten Praxis vorbei, beziehungsweise das was davon noch übrig geblieben ist. Die abgebrannte Ruine steht noch genauso da wie sie es vor paar Monaten verlassen hat. Mit schwerem Herzen geht sie weiter.
Als Violet an einer Gasse vorbeikommt, wird ihr etwas hartes auf den Hinterkopf geschlagen, was sie kurz taumeln lässt. Mit der linken Hand greift sie ihre Pistole und schaut von wem der Angriff kam und sieht in ein bekanntes Gesicht. Es war der Mensch, von dem sie ein paar Tage zuvor ein Bild auf Velmas Komlink gesehen hat.
Violet schießt ohne zu zögern auf ihren Angreifer, aber ihre Schüsse verfehlen ihr Ziel. Der Mann grinst diabolisch und schlägt ihre Waffe gezielt aus der Hand und setzt einen weiteren Schlag direkt in ihren Bauch, der aber zum Glück auf die frisch geflickte Panzerweste ging. Violet probiert ihn von sich weg zu schubsen, aber er wehrt die Angriffe mühelos ab und er drückt sie gegen die Mauer in der Gasse.
“Du glaubst doch nicht ernsthaft, nur weil du dem Feuer entkommen bist, dass du mir jetzt entkommst?” sagt er mit einer tiefen hasserfüllten Stimme und versetzt ihr einen weiteren Schlag, dieses mal ins Gesicht.
Ihr Gesicht schmerzt höllisch, dennoch probiert Violet weiter ihn wegzustoßen.
“Das ist dafür, dass du Gypsy umgebracht hast!” schreit er ihr entgegen.
Violet versucht noch zu erwidern: “Aber ich hab ihn nicht - ” hält dann aber erschrocken inne, als ihr ein Messer unterhalb ihrer Weste in den Bauch gerammt wird.
Als er das Messer wieder aus ihr heraus zieht, spürt Violet wie warmes Blut langsam an ihr herunterläuft. Die Schmerzen werden immer schlimmer und es kostet ihr große Mühe ihre Gedanken auf dem Kampf zu fokussieren.
Er genießt sichtlich, wie Violet sich vor Schmerzen windet, als er ihren verbundenen Arm fokussiert: “Wie ich sehe, hat da jemand anderes schon Vorarbeit geleistet.” er grinst böse, reißt die Schiene vom Arm und schmettert ihn gegen die Wand.
Die Schmerzen sind so stark, dass ihr kurz schwarz vor Augen wird.
Violet ist klar, dass er das noch eine ganze Weile so weitermachen wird. Aber sie will nicht an diesem Idioten sterben, nachdem sie den ganzen Drek der letzten Monate durchgestanden hatte!
Mit aller Kraft, die sie noch aufbringen kann, tritt sie ihm in die Weichteile. Erschrocken davon lockert sich sein Griff. Das nutzt Violet um sich rauszuwinden. Sie stolpert zu ihrer Pistole, hebt sie auf und schießt. Dieses mal trifft sie. Die Schockermunition trifft ihn mit voller Wucht und es reicht aus um ihn bewusstlos werden zu lassen.
Violet lässt die Waffe sinken. Sie schickt schnell eine Nachricht an Velma und lehnt sich gegen die Wand, bevor ihr endgültig schwarz vor Augen wird.
Die Orkin kommt so schnell wie möglich an dem Punkt, den Violet in ihrer Nachricht erwähnte und eilt zu der bewusstlosen Menschin. Ein kurzer Check der Vitalzeichen, wie sie es ihr beigebracht hatte, zeigt, dass sie noch am Leben ist, aber viel Blut verloren hat. Sie muss schnellstens behandelt werden. Provisorisch legt sie einen Druckverband an um die Blutung zu stillen. Ihr frisch operierter Arm ist blau und stark angeschwollen.
Bevor Velma Violet zum Streetdoc bringt, sieht sie zu dem Angreifer. Der liegt noch bewusstlos auf den Boden. Ohne lang zu überlegen, packt die Orkin ihre Ares Predator V aus und verpasst ihm einen gezielten Kopfschuss, sodass er nie wieder aufwacht, dann macht sie sich dann auf dem Weg.
Beim Streetdoc
Velma sitzt neben dem Bett, in dem die Menschin sich von der Operation erholt. Der Doc hat der Orkin erzählt, dass es zwar knapp war, aber Violet das ganze Überleben wird. Die Bauchwunde hinterlässt nur eine hässliche Narbe. Bei dem Arm und der Hand ist es aber fraglich ob der wieder voll funktionstüchtig sein wird. Es war schon vorher nicht sicher gewesen, ob alles wieder richtig verheilt, erklärte ihr der Doc, und die neue Verletzung hätte alles noch schlimmer gemacht.
Aber wenigstens lebt Violet noch, denkt sich Velma. Wie es weitergeht, wird sich dann im Laufe der Zeit zeigen.