Freitag, nach dem Treffen an der Space Needle
“Wie konntest du dich wieder mit Mitsuhama einlassen? Besonders bei sowas riskantem! Und dann bringst du auch noch alle hierher. Ich will nicht, dass unser Haus ein Runner Hotspot wird.” James verschränkte die Arme und warf noch einmal einen misstrauischen Blick in das Wohnzimmer wo Tower schon halb auf der Couch döste. Charlotte war dem großen Ork sehr dankbar für sein ruhiges Gemüt. Minoru hatte beim Anblick des Orks mit dem großen Schild seine Schildkröte Snapper gegriffen und begann die zwei zu inspizieren bis er zufrieden Tower die Schildkröte auf den Arm setzte. Tower hatte nur herzlich gelacht und ihren Sohn in seiner “Ninja Turtle” Fantasie unterstützt.
“Lass das. Es war meine Entscheidung zu helfen. Tower macht sich sicher schon genug Vorwürfe.”
“Oh glaub mir, ich weiß, dass du das für dich Entschieden hast. Bist du eigentlich verrückt geworden? Wir wollten nicht, dass Mino um sowas aufwächst und unser Deal war, dass Mino nichts von deinen Runs mitkriegt.”
“Mino weiß doch gar nicht was los ist! Es war ein guter Deal. Wir tun Gutes und wir bekommen gutes Geld dafür,” warf sie frustriert zurück, schloss die Tür vom Schlafzimmer und fing an sich umzuziehen. Die anderen würden schon genug davon mitkriegen.
“Wir denken immer, dass das Ziel die Mittel erlaubt, Charlotte! Ich hab meine Lektion gelernt damals und ich bereue es jeden Tag wenn ich dich und Mino ansehe.” Die Anspannung in dem kleinen Zimmer hätte einem Diamanten standgehalten. Sie hatten diesen Streit zu oft gehabt und eine bekannte Kälte kroch in ihre Stimmen.
“Das musst du mit dir ausmachen, James. Das liegt nicht an mir. Es tut mir leid, dass ich unseren Deal gebrochen habe, aber ich tu alles für Mino. Es war die beste Entscheidung die ich für ihn treffen konnte.”
“Woher willst du wissen was das Beste für Minoru ist? Du bist doch nie da um zu sehen wie es ihm geht!” Stille. Charlotte konnte sehen, dass er es bereute. Entschlossen legte sie sich ins Bett und drehte ihm den Rücken zu. Nach ein paar Minuten konnte sie fühlen wie auch James sich hinlegte. Es würde eine lange Nacht werden.
Sonntag, 13.09.2075. 6:14.
Die Fahrt raus zu Hope Island war lang, kalt und mühsam. Als Charlotte endlich das Boot am Steg angebunden hatte war sie durchtränkt vom Regen. Aus der Ferne konnte sie schon Licht im Haus sehen und ging darauf zu. Sie konnte sehen wie die Tür aufging und sich James in den Türrahmen stellte. Plötzlich schoss an seinen Beinen Mino vorbei, und mit einer unbekannten Bestimmtheit zog James den kleinen Jungen zurück. Charlotte stockte, dann beobachtete Sie wie ihr Sohn nach drinnen geschickt wurde und die Tür sich schloss. Sie blieb stehen. Auf einmal spürte sie unter James’ Blick das Gewicht ihrer Waffen schwer auf ihrem Rücken.
Seufzend machte Sie auf dem Absatz kehrt und machte sich auf den Weg zurück zum Strand. Frustriert zog sie ihr Katana vom Rücken, stieß es in den Sand und ließ sich davor auf die Knie fallen. Sie schloss die Augen und verbeugte sich tief vor ihrem Schwert. Still dachte sie an den harmlosen Mann den sie erschossen hatte. Er war nicht die erste Person die sie getötet hatte. Nein, man konnte kaum für Mitsuhama arbeiten ohne jemanden zu töten, aber es war die erste Person die sie frei aus ihrer Entscheidung heraus getötet hatte. Es gab sonst immer jemand anderes der die Schuld tragen konnte, jemand der ihr keine Wahl gelassen hatte, aber dieses Mal war es ihre Wahl. Der Regen löste sich langsam und sie spürte den Wind der an ihr zerrte wie kleine eiserne Nadelstiche.
Eine warme Hand fiel auf ihre Schulter. “Komm ins Haus, Charlotte. Du warst lange genug hier draußen.” Stumm sah sie auf, dann stand sie mit steifen Knochen auf. James sah sie an mit einer Entschlossenheit, die ihr befremdlich war. Still gingen sie zurück zum Haus und er kommentierte nicht die Waffen die sie in die Truhe neben der Haustür schloss. Er reichte ihr eine heiße Tasse Soykaf und setzte sich an den Küchentisch. Vorsichtig zog Charlotte ihren Mantel und ihr Jackett aus, dann setzte sie sich ihm Gegenüber.
“Sag mir was los ist. Ich geh mal davon aus, dass das Chaos am Brackhaven Investmentcenter eure Aktion war.”
“Ja, das war es.” Sie nippte an ihrem Kaffee, dann sah sie ihm in die Augen. “Ich habe jemanden getötet. Jemand der nicht bewaffnet oder gepanzert war. Ein harmloser ITler… Und ich spüre keine Schuld. Ich weiß, dass ich das sollte… Aber ich wollte mehr, dass der Run erfolgreich ist.”
James seufzte resigniert. “Wir müssen eine Lösung finden. Ich weiß, dass du versuchst dich von Mino fern zu halten, weil du Angst hast. Angst ihm weh zu tun,” er griff nach ihrer Hand, doch sie konnte sehen wie kleine unscheinbare Blitze über ihre umschlossene Hände tanzten. “Aber so geht das nicht. Er braucht dich in seinem Leben. Ich weiß, dass dich das Ganze stresst. Du arbeitest so hart und es reicht nie, und dann kommen diese Stadtverwaltungs Arschlöcher und nehmen uns nicht ernst was die Forschungsstation angeht.”
“Ich bin es Leid, dass ich mich kaputt mache und euch nie sehe. Ich will es richtig machen, ich will gut sein, aber es funktioniert nicht. Ich hasse es. Wir waren besser als wir uns eingestanden haben nicht perfekt zu sein. Eine Diebin aus den Barrens und ein Yakuza Erbe.” Charlotte konnte sehen, dass die Antwort ihn überraschte. Sie konnte es ihm nicht nachsehen, sie hatte eine lange Zeit dafür gekämpft das alles hinter ihnen zu lassen.
“Kündig deinen Job an der Universität. Ich glaube es sind einige Gespräche mit Mr. Cho und meiner Mutter nötig. Sie hatte lange genug meine Position.” James stand auf und ging zur Küche. Er legte seine Hand an eine Seite der Kücheninsel, grinste leicht und fing dann an ein Frühstück vorzubereiten.
Charlotte konnte sich ein dunkles Lächeln nicht verkneifen. Unter einer versteckten Platte in der Kücheninsel lag eine fast vergessene Ceska Black Scorpion griffbereit. Sie zwinkerte ihm zu, und ging dann in Richtung Kinderzimmer. “Wo ist mein kleiner Drache?”