[Diese Fiction schließt fließend an Sunnys letzte „Von Elfen und Drachen“ an.
Wer gerne Musik möchte, für Sunny haben wir zwei Playlists:
Eine etwas fröhlichere https://open.spotify.com/playlist/55UujY7gUubB0wPA8uaX5T?si=GS7Z9U2SSSSfebyIqVwkUg
und eine etwas ernste/düstere/cyberpunkigere https://open.spotify.com/playlist/6bQbClqABEBxoJO37PUHWcsi=75QhRNSkTbaiSdqyxLKn6Q]
Auf dem Campus ist die Hölle los. Grade treffen die Studienanwärter für dieses Semester ein und die Partys mit ihren mal mehr mal weniger gefährlichen Aufnahmeritualen sind im vollen Gange. Kurz vor eins hält Sunnys schwarze Limousine an der Straße vor dem großzügig angelegten Campuspark.
An einer Bronzestatue wartet Jason auf sie. Wie am Tag trägt er funktionale Kleidung, Jeans, Lederjacke, nichts weltbewegendes. Gute Qualität aber nichts luxuriöses.
“Hey Babysitter. Bringen wir es hinter uns. Also, wer ist dieser Dreamking?”
“King of Dreams. Einer unserer Informanten. Er ist gerade auf einer Party in einem der Wohnheimgebäude. Er ist überheblich und ätzend. Lass mich reden und halt lieber den Mund. Du vermasselst es nur.” sagt Jason während er sich aufrecht hinstellt, seine Jacke zurechtrückt und sich in Richtung des Wohnheims bewegt.
“Was genau ist denn jetzt unser Ziel?” Sunny kann zum Glück durch ihren leichten Körper schnell mit dem riesigen Menschen mithalten. Mit großen Schritten mithalten zu können hatte sie dank der Arbeit mit Nicolay irgendwann perfektioniert.
“Das erfährst du noch früh genug Blondie.”
Abrupt blieb der in der Nacht noch bulliger wirkende Mensch stehen. So im halbdunkeln des Campus wirkt er selbst auf die mittlerweile routinierte Sunny etwas bedrohlich.
“Was denn?” zischt Sunny ihm zu.
“Waffen her. Ich bin doch nicht blöd.” Jason streckt die Hand nach ihr aus.
Sunny rollt mit den Augen und zieht einen Elektroschlagstock aus ihrer Sweatjacke.
“Nichts scharfes dabei?”
Gedanken huschen in Sunnys Kopf hin und her. Die kleine, sehr gut an ihre Hüfte angeschmiegte Browning Ghost ist nicht Scannbar und durch ihre einzigartige Beschaffenheit kaum möglich zu ertasten.
“Nah. Ist nicht so mein Stil. Für irgendwas hab ich mich doch in diese ganze Techniksache eingearbeitet. Übrigens heiße ich wie dir bekannt sein sollte Elana. Oder Sunny wenns sein muss. Manche bevorzugen Percy wegen Percival aber…”
“Sehr großzügig, aber ich denke ich bleibe erstmal bei Blondie.” grummelt er.
Jason steckt den Elektroschlagstock in die Innentasche seiner Lederjacke und die beiden setzen ihren Weg durch die kleine Parkanlage fort.
Nachdem die beiden eine kleine Straße überquert haben gelangen sie an das alte verklinkerte Backsteingebäude mit großen Fenstern. In den Stein über der doppelflügligen Eingangstür sind 3 Lettern in den Stein eingelassen - Alpha Kappa Psi.
Jason runzelt die Stirn. “Die Alphas sind ätzend.”
“Aaaaw haben sie dich nicht in ihren kleinen pseudoexklusiven Saufclub gelassen?”
Sunny kassiert einen bösen Blick, dann fährt Jason über DNI fort.
“Sie sind enorm wirtschaftlich orientiert. Die denken sie werden später die dicken Bosse unseres Sprawls. Apropos, dein Daddy war da doch bestimmt dabei?” zischt er ihr entgegen.
“Mein Vater kam erst mit 20 und direkt für eine Firma in dieses Land, mit weniger als 50 Dollar.” sagt Sunny ruhig, aber wütend. Sie mochte es noch nie wenn Leute ihrem Vater unterstellen mit dem Silberlöffel im Mund geboren worden zu sein. Bei ihrer Mutter mag das vielleicht zu… Sunny horcht.
“Sag mal, ist es da drin nicht verflucht leise, dafür dass du meintest dass da grade eine riesige Party für die Neuen laufen soll?”
Jason grinst und stößt die Eingangstür auf.
“Komm rein, ich denke das wird dir gefallen.” sagt er und tritt in das Gebäude ein. Bevor die schwere Tür wieder zu fällt schlüpft Sunny mit hindurch und steht zu ihrer verwunderung in nichts was sie prinzipiell Party nennen würde.
“Die…” stammelt Sunny
“Schlafen ja alle?” Jason lacht. “So sieht es aus, ja.”
Die beiden stehen in einem Flur mit sehr hoher Decke. Alles ist weiß verputzt und die für Unigelände üblichen traditionsschwangeren alten Gemälde und Zeichnungen säumen die Wände. Links und rechts von dem breiten Flur gehen immer wieder kleinere Räume ab, welche mit Glastüren versehen sind und wohl eigentlich als Verwaltungsbereich dienen. Immer wieder erinnern kleinere Details daran dass das hier eine Party sein könnte. Hier und da stehen Flaschen mit Alkohol, ein paar Pappbecher liegen umher, irgendwo hängt eine Girlande. Das AR Interface des Komplexes platzt vor Partyschmuck nahezu, alles blinkt und glitzert als hätte eine hyperaktive Partyplanerin sich darin übergeben.
Was Sunny jedoch wirklich verblüfft und worauf sie nicht vorbereitet war, sind die Scharen von offensichtlich schlafenden jungen Leuten die überall verstreut herumliegen.
“Jetzt verstehst du vielleicht wieso der Typ King Of Dreams genannt werden will.”
“Ist das hier eine Better Than Life Party?”
“Jep.”
“Und alle diese Leute…”
“Machen grade vermutlich die Party ihres Lebens. Saufen, Drogen, es gibt keine Limits und der Körper bleibt gesund. Die haben hier immer ein großes Problem dass ein paar Studenten darauf hängen bleiben aber es sind nicht genug als dass die Uni sich einschalten würde. Die Chips sind mit einer Zeitlimitation versehen um Traumata zu vermeiden, irgendwann Spuckt der… nennen wir es Traum… die Leute einfach aus und sie wachen auf. Das macht den King Of Dreams hier so beliebt und bekannt.”
Am Ende des Flurs klopft Jason an eine Tür aus Holz.
“Herein” tönt eine nasale fistelige Stimme von innen.
Die Tür schwingt auf. In dem etwas größeren Raum ist es dunkel, doch ein paar Neon Lichter und Stroboskope sorgen für Partyatmosphäre. Zum ersten mal in dem Gebäude dudelt leise etwas EDM vor sich hin.
Auch hier ist der Boden wieder gesäumt von auf dem Boden liegenden Metas, absolut überwiegend Menschen, ein paar spitze Ohren kann Sunny erahnen.
Auffällig ist, das in diesem Raum, an dessen Wand “THRONSAAL” in Neonbuchstaben steht, deutlich mehr junge hübsche Mädchen am Boden liegen, obwohl das Publikum im Rest des Gebäudes doch eher gemischt oder sogar überwiegend männlich war.
Schnell lässt Sunny im halb dunkeln eine Gesichtserkennung über die Mädchen laufen. Einige unter ihnen waren definitiv zu jung um hier zu sein geschweige denn sich mit modifizierten Sim-Chips die Neuronen zu frittieren.
Quer durch den Raum liegt ein roter Teppich der vor einem Treppchen endet auf dem ein billig wirkender vergoldeter Thron steht.
Auf dem Thron fläzend mit einem Bein angewinkelt und dem anderen quer über die Lehne gestreckt lehnt ein kleiner schmächtiger Mensch mit dicker Glasbrille, schütterem Haar welches in hellblonden Fetzen absteht und einem Hemd mit grässlichem Paysley Muster. Auf dem Kopf trohnt eine gewaltige Papp-Krone von Stuffershack.
Links und rechts vom Thron steht ein paar junger hübscher asiatischer Zwillinge, die wohl sein Entertainmentprogramm darstellen.
Sunnys rasch durchgeführte Gesichtserkennung führt zu einem kleinen Error und einer Figur eines lachenden gekrönten Löwenkopfs.
“JAAAASON! Na, auch mal wieder Lust auf Spaß?” sagt er und haut Jason mit der Faust gegen den Oberarm und blickt dann lange und eindringlich auf Sunny.
“Uh und du hast Frischfleisch dabei! Enchanté die Dame! Es ist mir eine Freude!” in einer viel zu ausladenden Szenerie küsst er Sunnys Handrücken, die viel zu verwundert von dem was sich vor ihr abspielt ist um sich irgendwie zu wehren.
“Elana Patricia Sophie Petunia Percival.” sagt der Mensch, von dem ein sehr starker Geruch nach billigem Zuhälterparfum ausgeht.
Panisch prüft Sunny ob eines ihrer Systeme nebenbei gehackt wurde.
Das muss dem an Rumpelstilzchen erinnernden Typen aufgefallen sein.
“Bleib ganz cool.” lacht er, “ich hab deine Bewerbung bearbeitet, so nen Namen vergisst man nicht so schnell. Sieht gut aus. Ich werd dafür sorgen dass du in meine Gruppe bei der Ersti Woche kommst.”
‘To-Hack Liste: Namen vor nächstem Sommer von seiner Ersti Gruppe löschen.’
“Das Schreiben von Mr. Doyle… sehr beeindruckend. Und jetzt wo du so vor mir stehst…”
Er streckt die Hand nach Sunnys Wange aus doch bevor Sunny der Geduldsfaden reißt greift Jason ein.
“Eric…”
“Hoheit!” zischt eine der Asiatinnen
Jason seufzt. “Hoheit, Jeremiah schickt uns. Du hast wohl etwas zu unseren neuen Untersuchungen. Wir… erbitten deine Unterstützung.” raunt Jason.
“Und?” sagt der kleine Mensch mit dem gewaltigen Napoleonkomplex.
“Und verneigen uns vor deiner Größe.” Jason geht vor dem Thron auf die Knie und schaut Sunny vielsagend an.
“Oooh. Jason. Du kennst mich nicht gut. Garantiert knie ich mich nicht vor diesen Schlumpf mit Gottkomplex.” faucht Sunny über DNI.
“Mach schon, wir brauchen die Infos. Gib ihm nen Korb wenn er mit dir zum Winterball geht oder so.” erwidert Jason.
Sunny rollt mit den Augen. Der Typ hat ihre Bewerbungsunterlagen. Sie hat ihr ganzes Leben auf diesen Studienplatz hingearbeitet. Garantiert kann er sie genauso schnell auch wieder aus dem System löschen.
Sunny kniet sich hin.
Quälend lange Sekunden bleiben die beiden so auf dem Boden, bis der King of Dreams lacht und die Asiatinnen mit wedeln bekunden dass sie sich erheben dürfen.
Ein Datenpaket landet bei Jason
“Herzlichen Glückwunsch, es geht nach Everett. Scheucht die Typen nicht zu sehr auf, sind wichtige Kumpels von mir. Sie schaffen es seit Jahren neben einem UCAS Armed Forces Gebäude zu existieren. Also sind sie dementsprechend diskret. Und nun, verlasst den Thronsaal.” Mit einer erneuten sehr ausschweifenden Handbewegung deutet der King zur Tür und Sunny kann gar nicht schnell genug aus dem Gebäude kommen.
Eingehüllt in die kühle frische einer Seattler Herbstnacht atmet sie vor der Tür auf.
“Wenn der das nochmal von mir verlangt kastriere ich ihn.” bringt Sunny gepresst hervor.
Jason läuft um ein Gebäude und deutet auf ein klappriges Motorrad.
“Damit kommen wir nach Everett. Wir müssen ein Lagerhaus am Hafen observieren.”
“Da hab ich ne bessere Idee.” Sie spricht in ein kleines Funkarmband an ihrem Handgelenk
“Reginald, ich müsste nach Everett.”
“Sehr gern Miss Percival.” dringt die ruhige Stimme Reginalds aus ihrem Armband.
Kurz darauf schiebt sich die lange, edle Limousine von Sunny über die kleine Straße und hält vor den beiden an.
Jason zieht verblüfft die Brauen hoch und Sunny öffnet ihm die Tür zur Limo.
“Na los. Und vor Ort erfahre ich dann hoffentlich warum wir das ganze hier überhaupt machen.”