Das Rosewood Hotel - Venus

01.11. 18:00
Rosewood Hotel, Bellevue

Punkt achtzehn Uhr gleitet Charlotte mit gedämpften Schritten in das Restaurant des Rosewood Hotels. Anders als sonst, trägt sie keinen Anzug sondern ein längeres Kleid in einem zarten orange-rosa Ton. Ein schlichtes Korsett formt eine klassische Silhouette, abgesetzt von verspielten Ballon-Ärmeln. Ihre sonst streng, hochgebunde Haare fallen in sanften Wellen auf ihren Rücken. Mit einem freundlichen Lächeln geht sie an den anderen Gästen vorbei, welche starr auf die graziöse Dame blicken, mit erschrecken über das Makel an ihrem langen Hals.

Das Restaurant ist hell gestaltet mit gläsernen Illusionen von Gärten und einer reichen Natur. Ein dunkelgrüner Teppich Läufer führt zu den einzelnen Tischgruppen und dämpft den Geräuschpegel des Restaurants zu einem angenehmen Murmeln. Charlotte vermutet, dass weitere für den Gast unsichtbare Maßnahmen nachhelfen. An einem alleinstehenden Tisch sitzt eine jung-wirkende Asiatin und ein älterer Mann mit fein getrimmten Bart und einer kleinen runden Brille. Die Asiatin steht auf und breitet ihre Arme aus in übertriebener Freundlichkeit.

“Charlotte! Hierher, Kind. Lass dich ansehen!” Charlotte lässt sich kurz in den Arm nehmen, und nickt dem Mann zu. “Mutter. Henry. Ich hoffe ihr musstet nicht warten.” sagt sie betont freundlich.

“Dass ich das noch erlebe. Dich in einem so hübschen Kleid zu sehen! In rosa! Du hättest mir früher das Kleid an den Kopf geworfen.” wirft Suzuki ihrer Tochter entgegen, und setzt sich.

“Wie sagtest du früher? Ich kann doch alles tragen. Schließlich war das der Grund warum du mich zu all diesen Miss-Wettbewerben geschickt hast.” Entgegnet Charlotte unschuldig als sie die Karte betrachtet. Suzuki verkneift leicht die Augen.

“Du solltest lieber dankbar sein, Charlotte. Ich habe das alles nur für dich getan. Wo ist Minoru? Ich hatte doch extra geschrieben, dass er auch eingeladen ist.”

“Minoru ist zu Hause. Bei einer Nanny.”

“Kannst du dir das denn leisten, Charlotte?” Charlotte sieht auf von der Karte und mustert ihre Mutter. Dann legt sie vorsichtig die Karte gefalten auf den Tisch. Der besorgte Ton den sie sich lange gewünscht hatte konnte sie mit ihrem Abstand leicht als gespielt entlarven. Sie lächelt nur und schaut kurz auf ihr KomLink. Bevor sie darauf antworten kann, hört sie ihre Mutter tief Luft einziehen. Warme Hände fallen auf ihre Schultern, und ein sanfter Kuss wird an ihre Wange gedrückt. “Tut mir Leid, dass ich mich verspätet habe, Liebes.”

Empört steht ihre Mutter auf und ruft: “Was will er hier? Was soll das, Charlotte? Ich bin davon ausgegangen, dass er endlich aus dem Bild ist. Denk doch mal an Minoru!”

Sichtlich genervt und verlegen legt Henry eine Hand auf den Arm seiner Partnerin und zischt: “Suzuki setz dich. Die Leute schauen schon.”

Ruhig bleibt Charlotte sitzen und legt eine Hand auf James’s Hand an ihrer Schulter. “Bitte mach keine Szene, Mutter. James und ich sind sehr glücklich, und er ist ein sehr guter Vater für unseren Sohn. Wir erfüllen ihm jeden Wunsch den wir können. Wenn du in Minoru’s Leben sein möchtest als eine Großmutter, dann wirst du dich daran gewöhnen müssen.”

“Oh Charlotte, nenn mich nicht Großmutter. Dann fühle ich mich so schrecklich alt.” antwortet Suzuki schnippisch und sieht James verächtig an. Dann zupft sie an der Anzugjacke ihres vierten Ehemanns. “Lass uns gehen, Henry. Wir wollen nicht in Gesellschaft eines Yakuza Mörders sein. Du machst einen Fehler, Charlotte.”

“Nein. James zu wählen, zu heiraten… eine Familie mit ihm zu haben. Das ist das Einzige was ich nicht bereue in meinem Leben.” Charlotte muss James nicht ansehen um zu wissen, dass er sie unterstützt. Ein Lächeln breitet sich auf ihrem Gesicht aus. Kalt starrt ihre Mutter das Paar an, dann stampfen Suzuki und der genervte Henry aus dem Restaurant. Ein kichern entweicht ihr als James sich ihr gegenüber setzt.

“War das wirklich was du wolltest?” fragt James besorgt und nimmt ihre Hände.

“Ja,” sie lächelt ihn breit an und streicht mit ihren Daumen über seinen Handrücken. “Sie hätte bleiben können. Sie will kein ernsthafter Teil unserer Familie sein. So ist es besser.”

“Na gut… Wie lange ist es her, dass wir ein Date nur für uns hatten?”

“Nur für uns? Nicht für das Ansehen deiner Familie? Oder dem Ansehen unserer Kollegen? Oh! Oder dem Ansehen von Mitsuhama?” Sie zwinkert ihm zu, er lacht, dann tippt sie mit ihrem Zeigefinger auf ihr Kinn. “Das muss wohl fast neun Jahre her sein.”

“Eindeutig zu lange,” antwortet er grinsend, und deutet einen Kellner herbei.

3 „Gefällt mir“

Sehr schön geschrieben.
Du kannst also auch in kurzen Geschichten genug ausschmücken :3

2 „Gefällt mir“

Oh Gott. Weihnachten mit der Mutter muss die Hölle gewesen sein. Arme Venus. Und dass sie wirklich zu James hält hätte ich vor einem halben Jahr nicht erwartet! Respekt :smiley:
Schön auch dass es mal keine neuen Katastrophen gibt :smiley:

3 „Gefällt mir“

:woman_shrugging: ich wollte es mal aufmixen. Kann ja nicht immer nur Tod und Verderben geben. :thinking: Wobei mir das beim schreiben deutlich leichter fällt.

Und ja die Mutter ist so toll :rofl: Sie hat nichts verbrochen, sie ist einfach nur ein selbst-verliebter Gold-Digger. I love it. :joy:

Und es läuft ja gerade gut zwischen V und James … Fürs Erste. :thinking: :innocent: Da können sie ruhig mal zueinander stehen.

3 „Gefällt mir“