Alternativer Weg - Leyla

14.12.2076 - Irgendwo auf dem Weg nach Seattle

Leise rieselt der Schnee auf die recht verlassene Straße. Leyla beobachtet die einzelnen Flocken, wie sie gegen die Scheibe fallen. Dank GridGuide muss sie sich ja nicht auf das Fahren konzentrieren. Sie würde am liebsten selbst steuern, aber nachdem Simon sich lautstark geweigert hat mit ihr weiter zu fahren, weil sie sonst bei ihren Fahrkünsten nur im Graben landen, gab Leyla schließlich widerwillig nach und lässt nun das Auto von selbst fahren.
So können sie sich wenigstens auf der Fahrt entspannen. Die lange Strecke wird irgendwann, trotz der regelmäßigen Stopps, anstrengend. Die letzte Rast war in Cleveland, wo sie in einem gemütlichen kleinen Restaurant gegessen haben.
Das es wieder normal sein wird, einfach in ein Lokal zu gehen, hätte Leyla sich vor ein paar Tagen nicht vorstellen können. Es kommt ihr fast surreal vor.

15.12.2076 - in der Nähe von Cheyenne

An einer kleinen Raststätte, kurz nach Cheyenne, vertreten sich Simon und Leyla etwas die Beine. Die beiden gehen einen kleinen Weg entlang als Simon das Wort ergreift: “Hast du dich eigentlich schon entschieden wie du in Seattle weiter machst?”

“Ich weiß es nicht. Es fällt mir nicht leicht.” antwortet Leyla verunsichert.

Sie hatten während der Autofahrt schon angefangen darüber zu reden. Holliday und Keziah hatten den beiden gute Tipps gegeben, damit sie besser mit Leylas Erkrankung umgehen können, aber wie kann sie ihrem Job damit weiter nachgehen?

Leyla beginnt ihre Überlegungen mitzuteilen: “Wenn ich weiter auf Runs gehen möchte, bin ich immer eine potentielle Gefahr für die Anderen und für die Erfüllung des Auftrags. Wer will dann mit mir freiwillig arbeiten? Klar, ich könnte versuchen es zu verheimlichen, aber sollte ich doch einen Schub bekommen, bin ich Schuld, wenn jemand stirbt. Oder ich werde einfach erschossen.”

“Aber deine Leute würden dich doch nicht erschießen, mit denen könntest du theoretisch weitermachen.” sagt Simon etwas nachdenklich.

“Nein sie würden mich nicht erschießen.” sagt Leyla in Gedanken versunken. Sie ist so dankbar sie alle getroffen zu haben. Unsere Gruppe ist zwar ziemlich abgedreht, aber man kann sich immer aufeinander verlassen.

“Aber ich kann den Gedanken nicht mehr ertragen, dass ich sie möglicherweise verletze, weil sie es nicht schaffen mich rechtzeitig bewusstlos zu kriegen.” Leyla schiebt diesen unangenehmen Gedanken beiseite.

“Ich will das nicht mehr. Diese Angst dich oder die Anderen zu verletzen. In der QZ hab ich mir wenigstens noch gedacht: Ich mache das, damit wir einen Weg hier raus finden. Das ist jetzt aber nicht mehr nötig.”

Während Leyla sich das von der Seele redet legt Simon einen Arm um die Taille und zieht sie sich näher zu sich heran. Leyla genießt die wärmende Nähe.

“Verständlich, dass du dir Sorgen machst und dass du deswegen aufhören willst. Ich werde dich auch weiterhin unterstützen, das weißt du.” sagt Simon mit sanfter Stimme. “Selbst, wenn du nicht mehr auf Runs gehst, was du an sich immer wieder machen könntest, gibt es auch andere Möglichkeiten, wie du dein Wissen nutzen kannst.”

Leyla schaut ihn von der Seite an: “An was denkst du jetzt genau?”

“Ich meine, du könntest deine selbst hergestellten Tränke verkaufen. Erinnerst du dich noch, als wir das in der QZ gemacht haben? Ist zwar nicht so viel Geld, wie du bei hoch gefährlichen Runs machen könntest, aber es war nicht direkt wenig. Und die Möglichkeit, dass auf dich geschossen wird ist auch geringer.” Simon zieht einen Mundwinkel nach oben.

“Da hast du schon Recht” sagt Leyla nun mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen.

“Und noch hast du Zeit darüber nachzudenken. Seattle ist noch einige Meilen entfernt und dann kannst du dich immer noch entscheiden.”

Langsam fröstelnd gehen die beiden wieder zum Auto und setzen ihre Reise fort.

16.12.2076 - noch einige Stunden von Seattle entfernt

Je näher sie Seattle kommen, desto unruhiger wird Leyla. Einerseits freut sie sich, in ihre Heimatstadt zurück zu kehren, andererseits wird ihr mulmig bei dem Gedanken, was kommen wird, wenn sie da sind. Langsam hat sie sich mit der Idee angefreundet ihre eigenen, selbst hergestellten Mittel zu verkaufen. Aber das Runnen aufzugeben fällt ihr trotzdem nicht leicht. Sie kann sich selbst nicht ganz erklären warum. Dabei kann Leyla doch froh sein, einen Weg gefunden zu haben, sicherer an Geld zu kommen. Ohne dauernd auf sich schießen zu lassen und regelmäßig mit schwersten Verletzungen nach Hause zu kommen. Also warum beunruhigt sie der Gedanke so sehr?

17.12.2076 - Seattle

Etwas benommen kommt Leyla auf dem Sofa wieder zu sich. Irritiert probiert sie sich an das letzte Geschehene zu erinnern: Simon und sie waren zusammen in der Küche gewesen, als… und da hören die Erinnerungen auf. Bei dem Gedanken an Simon sieht sie sich panisch nach ihm um, als er in dem Moment aus dem Bad kommt. Er wirkt etwas blass im Gesicht und an der Hand blitzt ihr ein weißer Verband entgegen.

“Was? Simon, deine Hand…” Leyla schaut ihn mit großen Augen an.

“Alles halb so schlimm. Ich war mit dem Taser nicht schnell genug, da war das Messer schon in der Hand. Ich bin zu der Streetdoc gleich um die Ecke gegangen, sie hat alles genäht und verbunden.” sagt Simon ruhig.

Leyla steigen Tränen in die Augen. Die ganze Zeit hatte sie keinen Ausbruch in Simons Nähe gehabt. Das Messer hätte auch genauso gut in seinem Hals oder seiner Brust sein können. Dann wäre das Ganze nicht so glimpflich ausgegangen.

“Jetzt hab ich dich auch verletzt. Dabei halten wir doch die Tipps ein.” sagt sie schluchzend.

“Ich weiß auch nicht was der genaue Grund war, aber sowas kann halt mal passieren.” Simon gesellt sich zu ihr auf das Sofa, doch als er zu ihr rücken möchte, schiebt sie sich von ihm weg.

“Nicht. Ich verletze dich doch nur, wenn du zu Nahe kommst.” sagt sie mit traurigen Blick.

Simon seufzt: “Du hast mich nicht verletzt. Auch, wenn es dein Körper war, angegriffen hat mich der Wüter. Und das weißt du, das sage ich dir nicht zum ersten Mal.”

“Ich weiß.” Leyla schließt kurz die Augen und atmet ein paar mal tief durch. Sie weiß, dass sie es nicht war, auch wenn es ihr schwer fällt, sich nicht die Schuld dafür zu geben. Wenn er nicht bei ihr wäre, hätte sie ihn auch nicht verletzen können.

Nachdem Leyla sich etwas beruhigt hat schaut sie Simon mit festem Blick an: “Darf ich dich mal was fragen? Warum bist du noch hier bei mir? Du weißt was für ein Risiko es ist in meiner Nähe zu sein. Du hättest, nachdem wir aus der QZ raus sind, einfach gehen können. Trotzdem sitzen wir hier noch zusammen.”

Nach einem überraschten Blick fängt Simon an zu lächeln: “Das habe ich doch schon zu Anfang gesagt: Weil du es bist.” Er versucht ein weiteres Mal etwas näher zu rücken, was Leyla diesmal nicht verhindert.

“Nachdem du mir erzählt hast, dass du an KFS erkrankt bist, hätte ich einfach den Kontakt abbrechen können. Hab ich aber nicht. Selbst als es hieß, dass du möglicherweise zum Werwolf wirst, bin ich trotz alledem geblieben. Das liegt daran, dass ich es nie übers Herz gebracht hätte, dich alleine zu lassen. Weil ich dich mehr mag als nur eine sehr gute Freundin.” Simon schaut sie nun etwas nervös an und wartet auf ihre Reaktion.

Etwas überrascht schaut Leyla ihn an. Es ist das erste mal, seitdem sie verwitwet ist, dass jemand ihr so etwas sagt und es ist das erste mal, dass sie die Gefühle sogar erwidern kann.

Kurz bevor sie darauf antworten kann, ergreift Simon wieder das Wort: “Tut mir leid, ich wollte dich damit nicht überrumpeln. Du bist bestimmt noch emotional, wegen vorhin -”

“Nein, das muss dir nicht leid tun.” spricht Leyla ihm dazwischen. “Es ist nur so: Ich mag dich auch, aber es ist für mich… ungewohnt, weil ich so noch nie gefühlt habe.”

“Aber hattest du nicht erzählt, dass du verheiratet warst?” fragt Simon verdutzt.

“Das war ich auch, aber… ich habe ihn nie geliebt. Es war eine reine Zweckehe und ich war damals jung und naiv genug mich von Anderen dazu drängen zu lassen. Es war gefühlt eher ein Gefängnis, aus dem ich nicht raus konnte. Um dem irgendwie zu entgehen stürzte ich mich in meine damals noch legale Arbeit. Irgendwann bin ich die Schatten hinab gerutscht und nach seinem Tod, so hart wie es klingt, hab ich mich befreit gefühlt. Ich hab danach keinen mehr heran gelassen, ich wollte mich nicht wieder so gefangen fühlen wie vorher. Du bist der Erste, bei dem ich dieses Gefühl nicht habe. Bei dir fühle ich mich wohl und geborgen.”

Simon zieht sie in eine innige Umarmung.

“Nur wie machen wir das jetzt? Ich bin super ansteckend und ich will nicht, dass du dich irgendwie infiziert.” Verunsichert schaut Leyla ihn an.

Er gibt ihr einen sanften Kuss auf die Stirn und sagt: “Wir finden schon eine Lösung dafür.”

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LEIIIIIIIIIISE RIESELT DER SCHNEEEEEEE :musical_note: :musical_note:
So braucht man keinen Spotify Song! :thinking: Clever!

Oh neeein! Die Arme! Sehr sehr cool geschrieben, Alisa! Man merkt auch richtig, wie du mit dem KFS Thema umgehst und auch wenn es nicht „schön“ ist, Leyla da wirklich Steine in den Weg legst woran sie arbeiten muss. Das mit Simon war super sad, aber das Risiko ist ja immer da, dass sowas passiert. Ich finds sehr schön, dass sie da auch wirklich etwas leidet und das nicht nur „Jo hab halt KFS und raste manchmal aus“ ist :yellow_heart:

Bin gespannt ob wir Leyla irgendwann wieder sehen (selbst als NPC) und wie ihr Trank Business dann läuft und ob sie das dann überhaupt noch macht :relaxed:

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Danke schön :smiling_face_with_three_hearts: :blue_heart:

Jaa, dass musste dann doch irgendwie noch mit rein. Die Idee, dass sie ihn mal angreift hatte ich nämlich schon eher mal gehabt :thinking: Jetzt hat es halt gut gepasst, so konnte sie fragen, warum er so lebensmüde ist und da bleibt :sweat_smile:

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