Alte Geschichten und neue Geister - Ben + Dr. Kerry Kerrigan

30.5.2077 - Bens Zelt im Hub

“Benjamin Kendall. Wie lange ist das her? 20 Jahre? Wo geht die Welt wieder unter, wenn du mich anrufst?” Die Frauenstimme am anderen Ende der Leitung klang warm. Freundlich. Genau das was Ben gerade gebrauchen konnte. Ein deutliches schmunzeln war selbst ohne Trideo Feed gut zu hören.

Er lachte leise auf als er sich auf die Pritsche in seinem Zelt fallen ließ. Ein Glas Scotch manifestierte sich in seiner Hand.
“Danke, dass du ans Telefon gehst Kerry… Ich… Es ist ziemlich übel… Aber erstmal: Mein Beileid. Du weißt schon… Wegen Jerry. Wir haben uns ja seit dem nicht gesprochen.” Der Tod des astralen Forschers Dr. Jerry Kerrigan hatte im Sommer als seine Freunde in Boston festsaßen die Runde in der Magier-Gesellschaft gemacht.

“Ja… Es ist schwer. So ohne ihn.” Der deutliche mittlere-Westen Akzent der Frau am Telefon tröstete Ben. Es war schwer zurück in der Sioux Nation zu sein. Eine Sioux Nation ohne Ashe war für ihn nicht die Gleiche. Er hatte erwartet ihre Präsenz zu spüren. Etwas das von ihr noch in der Luft hing. Eine Spur astralen Glanzes der ihm geblieben war. Ihn an seine schöne und unbeschwerte Zeit mit ihr erinnern würde. An die guten Stellen. Aber… Hier vor Ort war gar nichts mehr von ihr. Und das traf ihn mehr als er zugeben wollte.
“Muss mit Ashe ja auch übel für dich sein.”
Ben zuckte zusammen. “Du weißt also Alles? Und von ihr?”

Die Frau lachte. “Wahrscheinlich schon länger als du. Klar. Ich habe noch sehr gute Beziehungen zu Jerrys Geistern. Außerdem ist es in Bozeman Montana etwas unruhiger geworden seit eine Mrs. Kendall hier ihr unwesen auf der Astralebene treibt. Da schaut man etwas genauer hin.”

Kurz blitzt in Bens Gedanken das Gesicht der Arcano-Archäologin auf. Sie hatte immer eine blasse Haut, aber mit einem deutlichen Apricot-Unterton, der ihr etwas junges Mädchenhaftes gegeben hatte. Von ihren zahlreichen Publikationen wusste Ben, dass ihr Haar immer noch in dem gleichen kupferrot war, auch wenn es langsam von winzigen grauen Strähnen durchzogen wurde, wie sein eigenes.

Die Kerrigans hatten einen festen Platz auf dem Parkett der magischen Wissenschaft. Und waren selbst als Ben sie vor 20 Jahre kennenlernte schon fast 10 Jahre verheiratet gewesen. Es gab sie immer nur zu zweit. Ihn hatte nicht gewundert, dass FiFi meinte, sie hätte sich als frische Witwe stark zurückgezogen.
“Diese verrückte Blutmagierin, die will, dass ich über ihr KFS Ritual schreibe kommt auch von dir, hm?” Ben fühlte sich einen Augenblick ertappt.
“Wir kennen uns. Sie… Sie leistet gute Arbeit. Ihr Patient ist topfit. Adept. Elf in seinen späten 30ern. Gibt dir mit viel Glück auch ein Interview. Du hast ihn sogar schon getroffen.”

Ein ungläubiges Schnauben tönte aus dem Hörer des Kommlink. “Dann hat es wirklich jemand geschafft… Bislang sind alle Versuche tragisch verblutet. Ich rufe sie vielleicht doch mal zurück. Aber ich glaube nicht, dass du anrufst um für deine Freundin die Werbetrommel zu rühren. Alsooo…”

“Ja du hast ja recht.” Ben nimmt einen Schluck.
“Ach der gute alte Old Number Seven. Tennessee Whisky got me drinking in Heaven” Die Frau lacht noch einmal leise auf. Ein altes Lied dass die Gruppe immer am Lagerfeuer gesungen hatte.
“Haben deine Eltern die Ranch noch?” Kerrys Eltern waren eine der letzten großen Familien mit großen Rinderherden im mittleren Westen gewesen.

“Mein Idiot von Bruder hat sie an Ares verkauft.” Ben hörte einen Ledersessel knarzen, dann öffnete sich vor ihm ein Trideofeed durch den ihn ein paar sanfter grüner Augen anlächelt. Die Menschin war wirklich genauso gealtert wie er. Auf ihrer Sonnengegerbten Haut bildeten sich Lachfalten als sie ebenfalls eine Flasche Scotch ins Bild hielt.
“Fuck. Das ist traurig Kerry.”
Die Menschin zuckt mit den Schultern. “Ich habe viel Geld und ein großes leeres Haus mit den Ponys direkt im Garten und schreibe grade ein neues Buch und außer der Blutmagierin nerven mich erstaunlich wenig Leute. Geht schlimmer.”
“Was schreibst du denn gerade?”

Sie lacht auf und Bens blick fällt auf die authentischen Wild West Relikte aus vergangener Zeit die hinter ihr an der Wand aufgereiht waren. “Okay. Lach mich nicht aus. Und vielleicht bist du da sogar praktisch. Ich schreibe ein Buch über außergewöhnliche und astrale Beziehungen in der sechsten Welt. So als Nachruf an Jerry. Habe ein Paar Sasquatch Schamanen an die Hand bekommen und ich setze grade alles was ich habe drauf Kaltenstein zu einem Interview über Feuerschwinge überredet zu bekommen. Und generell zu den Partnerschaften von Drachen… Du sollst doch nicht lachen!”
Ben hatte sich das Lachen über den Größenwahn seiner alten Freundin nicht verkneifen können. “Kaltenstein. Klar. Wieso nicht direkt Lofwyr?! Das ist doch utopisch.”
“Na weil Lofwyr keine bekannte Partnerin hat, du Vogel. Das Gleiche hast du auch über mein Interview mit Dunkelzahn mit 27 gesagt!”
Das Interview mit der frisch promovierten Forscherin lief immer noch manchmal mitten in der Nacht auf dem Wyrm-Talk Channel.
“Also, Ben Kendall aus Salem Massachusetts”
“Ja, Kerry Kerrigan aus Kerry Hill, Idaho?”

Die Frau setzte das Scotchglas an und machte eine abwägende Handbewegung. “Na warum rufst du mich an? Geht’s wirklich um Ashe?”
Ben nickte und die Menschin warf den Kopf in den Nacken. Sie drehte sich um. “Booker?” Hinter ihr manifestierte sich eine Ben bekannte Gestalt die knapp “Nichts neues.” zurückgab und wieder verschwand.

“Jerrys Geister wohnen wirklich noch bei dir?” Ben kratzte sich etwas am Kopf.
“Booker hat starken Survivors Guilt. Er war bei ihm als er… Naja. Und er konnte nichts tun. Und sein Tod war… Nicht hübsch. Viele seiner Geister kommen und gehen wie sie Lust haben. Aber Booker bleibt.”
Ben presste die Lippen fester aufeinander. Er wusste nicht, mit welchen Worten er der alten Freundin am besten begegnete wenn es um den Tod ihres Partners ging.

“Aaaaaalso.” Setzte die Menschin zu Bens glück an. “Ashe ist auf der nuklear Ebene und versucht genug Material um sich zu Reihen um zurück auf die physische Ebene zu gelangen. Das weißt du ja schon. Meine Kontakte beschreiben sie als manisch und wütend. Sie will es der Menschheit heimzahlen. Sie wird keine Ruhe geben bis das durch ist und irgendwann wird sie es zurück auf diese Ebene schaffen. Um sie für immer zu bannen bräuchtest du ihren realen Namen aber wie ich dich kenne, kennst du den nicht. Du warst dankbar für ihre Magietradition, die sie dir vermutlich näher brachte als ihren anderen Gefährten. Die andere Möglichkeit ist eine Reise auf ihre Metaebene. Ben, ein Mensch auf der Nuklearen Ebene… Das ist Schwachsinn. Mit keinem Hazmat-Anzug der Welt überlebst du das. Außerdem sind die Metaebenen weiterhin nicht kartiert. Es gibt keinen Weg gezielt auf eine Ebene zu reisen. Du müsstest also so lange im Shuffle durch die Ebenen springen bis du zufällig auf ihrer landest. Oder…”
“Was?” Ben setzte sich etwas aufrechter hin.

“Naja… Du könntest irgendwie versuchen sie auf eine Ebene zu locken auf die sie einfacher gelangen kann als auf die physische, die für Metas aber nicht so feindlich ist. Und sie da bekämpfen. Du müsstest sie stark schwächen und dann kannst du ihr wenn du gut genug bist - Wovon ich ausgehe. Wicca Hohepriester fallen nicht einfach so vom Himmel - kannst du ihr auf ihrem Weg zurück auf ihre Ebene folgen und sie da…” Die Menschin stockte. Vermutlich erinnerte sie sich selbst gerade an die gemeinsamen Abende mit Ashe am Lagerfeuer. Sie war die erste freie Geistin die ihr ein Interview gegeben hatte. “Es da beenden. Oder du sammelst so viel Karma, dass jemand aus den Ebenen für dich auf ihre Ebene geht und sie bekämpft. Bei Crowley dürftest du da doch gute Chancen haben? Keziah hat doch mit ihrem Schnittermädchen und ihren Geschäften so viel zu tun, dass sie den mal ein paar Tage entbehren kann. Crowley wird aber etwas dafür wollen. Und sein Preis ist dieses mal vermutlich nicht nur ein schicker BioMod Schwanz und eine gut durchblutete Hautfarbe.”
“Sag mal, weißt du eigentlich alles?!” Ben schüttelte den Kopf.

“Keziah kam zu mir, als sie das Kind neu hatte. Sie wusste, dass ich gerade frisch von meinem Forschungsprojekt bei der Schnitterfamilie zurückgekommen bin und wollte wissen wie sie dem Kind ein gutes Leben ermöglicht. Sie war sehr nett. Wie ist das für dich? Du hattest sie für die Dame von den Vory verlassen oder? Ist es schwer?”

“Manchmal ist einfach alles schwer Kerry.”
Sie lachte leise auf. “Wem sagst du das. Oh Dreck… Kaltenstein ruft zurück… Ben ich muss los. Ruf mich ruhig nochmal an. War schön mit einem alten Freund zu reden! Wenn ihr Consulting braucht… Ich schicke dir gerne meine Preisliste zu.”

Mit diesen Worten verblasste das Trideo der lächelnden und winkenden Frau vor Bens Gesicht. Seufzend stand er auf und verließ das Zelt zurück auf den Hof des Hubs.

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Sehr schöne Fiction! :blush:

Und die Aussichten Ashe auszuschalten sind ja… easy und nicht absolut selbstmörderisch :upside_down_face:

Da macht sie ja richtig Hoffnung :joy:

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Wie krass ist Dr. Kerrigan eigentlich?!

Japp, das mit den Geistern ist so eine Sache bei Shadowrun :smiley:
Die machen es einem nie leicht. Immerhin gibt es überhaupt Wege.

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Krass auf dem Level auf dem eine mundane Forscherin für magisches halt krass sein kann :smiley:
Sehr bekannt, sehr gut vernetzt, ein gutes Verständnis für etwas dass sie selbst nicht kann.

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